Süddeutsche Zeitung

Kon-Tiki: Knut Magne Haugland ist tot:Der letzte Mann an Bord

Knut Magne Haugland, das letzte lebende Besatzungungsmitglied der legendären "Kon-Tiki", ist tot. Er hatte bei der Expedition von Thor Heyerdahl 1947 sein Leben riskiert - und die Forscher beeindruckt.

Sarina Pfauth

Er war ein mutiger Mann: Knut Magne Haugland, ein Norweger, riskierte zusammen mit fünf anderen Männern sein Leben, um eine Frage beantworten zu können, die Wissenschaftler zuvor hundert Jahre lang umtrieb.

Nun ist Haugland, das letzte lebende Mitglied der berühmten "Kon-Tiki"-Expedition, im Alter von 92 Jahren gestorben. An der Pazifik-Überquerung von Peru nach Polynesien mit dem Balsafloß "Kon-Tiki" im Jahr 1947 nahm Haugland als Funker teil. Wie norwegische Medien am Sonntag berichteten, starb er am ersten Weihnachtsfeiertag.

Der norwegische Expeditionsleiter Thor Heyerdahl wollte mit der Fahrt der "Kon-Tiki" beweisen, dass eine Besiedlung Polynesiens auch von Südamerika aus möglich war.

Einer dachte anders

Mehr als ein Jahrhundert lang hatten Wissenschaftler über diese Frage diskutiert. Am Ende waren die Experten der Ansicht, dass Balsaflöße Wasser aufsaugen und deshalb zwischendurch am Strand in der Sonne getrocknet werden müssen. Das flache Deck sei in unruhiger See außerdem völlig ungeschützt. Und zudem, nahmen die Wissenschaftler an, würde sich das Floß nach kurzer Zeit in seine Einzelteile zerlegen, weil die Holzbalken an den Seilen scheuern würden, die das Floß zusammenhalten.

Einer dachte aber anders: Der Antrophologe Thur Heiyerdahl, der 2002 im Alter von 87 Jahren starb, glaubte fest, dass Polynesien nicht erst von den Europäern besucht wurde, sondern dass auch die Inkas schon einmal hier waren. Und zwar mit einem Balsafloß.

Expeditionsleiter Thor Heyerdahl sammelte fünf Männer um sich: Den Schweden Bengt Danielson und die Norweger Erik Hesselberg, Torstein Raaby, Herman Watzinger und Knut Magne Haugland. Haugland und Heyderdahl hatten sich 1944 in einem Ausbildungslager der Alliierten kennengelernt. Haugland hatte zuvor als Wiederstandskämpfer in Norwegen spektakuläre paramilitäre Aktionen gemeistert. Er wurde für seinen Einsatz gegen die Nazis, die sein Heimatland besetzten, mehrfach ausgezeichnet.

Als die Crew beisammen war, entwarf Watzinger ein Floß, das denjenigen nachempfunden war, die die Ureinwohner an den Küsten von Peru und Ecuador verwendet hatten, als die ersten Europäer in Südamerika ankamen.

Zu Mittag: Hai

Benannt wurde das Floß nach dem sagenumwobenen Seefahrer-Sonnenkönig Kon-Tiki, der sowohl bei den Inkas als auch auf den polynesischen Inseln vor hunderten Jahren ein Begriff war. 1947 lief das Floß dann mit sechs Mann an Bord aus dem Hafen Calláo in Peru aus.

Die Expedition dauerte 101 Tage. "Die Kon-Tiki war ausgesprochen seetüchtig", erzählte Haugland später über die Expedition. "Die Männer aßen fliegende Fische, Tintenfische, Thunfisch und essbares Plankton." Ab und an zogen die Männer auch einen Delfin oder einen Hai aus dem Wasser.

Essen gab es also genügend - schwieriger war es, nicht zu verdursten. Doch die Expeditionsteilnehmer wussten sich zu helfen: "Man konnte eine gewisse Menge Regenwasser sammeln und aus den Fischen eine Lymphflüssigkeit ausquetschen, die den Durst stillte", erinnerte sich Haugland in einem Text, den er für das Kon-Tiki-Museum geschrieben hat.

Der größte Fisch der Welt

In den 101 Tagen auf See erlebten die sechs Besatzungsmitglieder spannende Geschichten: Zwei Stürme beutelten das Floß, von denen einer fünf Tage dauerte. Doch das Balsafloß ritt auf den Wellen, dass es eine Freude war. Einmal jedoch wurde einer der Männer von starkem Wind vom Boot geweht und wäre beinahe ertrunken. "Ein anderes Mal machten wir sechs Männer eine unangenehme Bekanntschaft aus nächster Nähe. Ein Walhai schwamm unter das Floß, der größte Fisch der Welt", erinnerte sich Haugland.

Das Floß legte in dieser Zeit rund 8000 Kilometer zurück und wurde schließlich am Raroia Atoll "angespült", wie Haugland es ausdrückte. Nach 93 Tagen sichtete die Crew erstmals Land, wurde aber wieder abgetrieben. Eine Woche später strandete die "Kon-Tiki" schließlich auf einem Korallenriff vor einer Insel. Die Crew stapfte los und wurde nach einer Woche von Einheimischen, die auf der anderen Seite der Lagune wohnten, gefunden.

Die Reise veränderte die bisherige Forschermeinung und belegte Heyderdahls Ansicht, dass Polynesien von südamerikanischen Seefahrern schon sehr früh erreichbar war. Einige Wissenschaftler glaubten jedoch nicht, dass die Expedition tatsächlich stattgefunden hatte - bis eine Filmdokumentation über die Tage auf See erschien.

Die Dokumentation wurde in Hollywood mit einem Oscar prämiert, Thor Heyderdahls Buch über die Kon-Tiki-Expedition erschien in 70 verschiedenen Sprachen. Heute steht das Boot in einem Museum in der Nähe von Oslo, das Haugland nach der Expedition aufbaute und jahrelang leitete.

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