·:Kompost in den Tank

Biodiesel und Biobenzin sollen bald mindestens ein Fünftel des Kraftstoffbedarfs decken. Doch der Rohstoff ist umstritten.

Frank Grotelüschen

Wie sich herausgestellt hat, können Dieselmotoren ohne jede Schwierigkeit mit Erdnussöl betrieben werden", sagte der Motoren-Genius Rudolf Diesel bereits 1912.

·: Dieser Lastwagen ist bereits für seine Spedition bisher über 1.670.000 Kilometer gefahren.

Dieser Lastwagen ist bereits für seine Spedition bisher über 1.670.000 Kilometer gefahren.

(Foto: Foto: dpa)

Da war vom großen Erfolg seiner Erfindung noch nichts zu erkennen; entsprechend wenig Wirkung hatte die Aussage über das Pflanzenöl. Erst heute, wo Diesels Aggregate die Hälfte aller Neuwagen in Europa antreiben, findet die Weisheit des Erfinders Anhänger:

Zunehmend erscheinen Kraftstoffe auf Pflanzenbasis auf dem Markt - vor allem Rapsdiesel und Bioethanol. Ihr Vorteil: Sie sind regenerativ, das Kohlendioxid, das beim Fahren in die Luft gepustet wird, haben zuvor Pflanzen beim Wachsen aus der Atmosphäre aufgenommen - und neue Gewächse können es binden.

LKW von Mc Donalds fahren mit Fritten-fett

Doch das Potenzial heutiger Biosprit-Sorten scheint begrenzt. Deshalb arbeiten die Experten an neuen, effektiveren Kraftstoffen.

Zum Beispiel an Bioethanol, der aus Stroh hergestellt wird oder am so genannten Sun-Diesel, einem qualitativ hochwertigen Treibstoff aus Gras, Holz und Gartenabfällen.

Sie sollen den Biosprit aus der oft belächelten Nische herausführen und in einigen Jahrzehnten einen Großteil des bundesdeutschen Verbrauchs decken.

"Biodiesel ist der im Moment einzige marktrelevante Biokraftstoff", sagt Karin Retzlaff vom Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie. Er wird hierzulande vor allem aus Rapsöl gewonnen.

Im Prinzip lässt sich der Biosprit aber auch aus anderen Fetten gewinnen, etwa aus Sojaöl oder Frittenfett. Letzteres lässt zum Beispiel die Fastfood-Kette McDonalds filtern und reinigen, um es von der eigenen LKW-Flotte verfahren zu lassen.

Von der Steuer befreit

Mittlerweile erlaubt es die Norm, den Rapsextrakt gewöhnlichem Diesel zu fünf Prozent beizumengen, ohne die Kunden darüber zu informieren.

"Seit Anfang 2004 nutzen die großen Mineralölunternehmen das und mischen zunehmend Biodiesel in ihren Treibstoff", sagt Retzlaff. Von 2010 an soll aus der Möglichkeit eine Verpflichtung werden: Die EU schreibt europaweit eine Beimischung des Rapssprits zum Diesel von 5,75 Prozent vor.

Längst fahren aber auch Autos mit reinen Pflanzenprodukten, vor allem Lastwagenflotten. Für die Firmen und auch für Privatleute halten bundesweit rund 1900 Tankstellen Rapsdiesel parat.

Allerdings müssen Pkw-Motoren für den Biobetrieb freigegeben sein. In gewöhnlichen Motoren lässt reiner Rapsdiesel die PVC-Leitungen aufquellen und undicht werden.

Rapsdiesel ist in der Herstellung zwar teurer als Mineralkraftstoff, aber von der Steuer befreit und deshalb an der Zapfsäule etwa zehn Cent billiger. Laut dem IFEU-Institut Heidelberg erspart jeder Liter Biodiesel der Atmosphäre 2,2Kilogramm Kohlendioxid (CO2).

Wer Biodiesel will, braucht Dünger

Immerhin 85 Prozent des ausgestoßenen Treibhausgases nähmen Rapspflanzen an anderer Stelle wieder auf.

Weniger optimistisch ist das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung: Ihm zufolge verringert sich die Treibhausgasmenge nur um 40 bis 80 Prozent. Gegen den Biodiesel spreche der Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln.

Jährlich werden in Deutschland rund 1,9 Millionen Tonnen Rapsdiesel erzeugt. Sie decken etwa fünf Prozent des Dieselverbrauchs. "Wir kommen aber an die Grenzen der Raps-Anbaufläche", sagt Retzlaff.

Derzeit werden 1,1 Millionen Hektar bebaut, das Potenzial liegt bei rund zwei Millionen Hektar. Doch der Gelbblüher darf auf jedem Feld nur alle drei bis vier Jahre wachsen. "Unser Ziel ist es, in einem Jahrzehnt zehn Prozent des Dieselverbrauchs mit Biodiesel zu decken", sagt Peter Schrum vom Bundesverband für Regenerative Kraftstoffe. "Dazu müssen wir mehr importieren."

Bioethanol hingegen, ein Ersatzstoff fürs Benzin, wird in Deutschland noch kaum genutzt. Der Sprit wird - ähnlich wie Schnaps - durch das Vergären von Getreidestärke oder Rohrzucker erzeugt.

In Deutschland produzieren neuerdings drei Fabriken 500.000 Tonnen pro Jahr. "Die kämpfen massiv darum, ihre Produktion absetzen zu können", sagt Karin Retzlaff. Weiter ist man in den USA und in Brasilien: Dort wird der Alkohol dem Benzin beigemengt.

Die seltsame Dampfdruckanomalie

In den Vereinigten Staaten macht er zwei Prozent des Verbrauchs aus, 2012 sollen es laut Gesetz knapp sechs Prozent sein. In Europa sind die Schweden Vorreiter: Gut 200 Tankstellen bieten hier Biosprit an.

Allerdings verschlingt die Ethanol-Produktion selbst viel Energie. Einige ältere Studien kamen gar zum Schluss, bei der Herstellung entstehe mehr CO2, als später eingespart werden könne.

Doch nach einer Übersichtsstudie in der Science-Ausgabe vom heutigen Freitag schneidet Biosprit ökologisch gesehen im Schnitt besser ab als Benzin: Laut dem Team von Alexander Farrell von der University of California in Berkeley spart Ethanol immerhin 13 Prozent Treibhausgas (Bd.311, S.506, 2006).

Ähnlich wie beim Diesel gestattet es die Norm in Deutschland, dem Benzin fünf Prozent Bioethanol beizumengen. Bislang lassen die Mineralölkonzerne die Finger davon, unter anderem weil sich bei einer Beimischung von wenigen Prozent ein merkwürdiger Effekt einstellt, genannt Dampfdruckanomalie:

Dadurch kann es Probleme beim Warmstart geben, weil Dampfblasen ins Einspritzsystem geraten. "Deshalb bereiten wir unsere Fahrzeuge für eine Ethanol-Beimischung von zehn Prozent vor", sagt Stefan Keppeler von DaimlerChrysler.

Nahrung oder Kraftstoff?

"Dann tritt die Dampfdruckanomalie nicht mehr auf." Volkswagen zeigte auf der Grünen Woche in Berlin bereits einen Wagen, der mit zehn Prozent Ethanol im Benzin fährt. Weiter geht Ford: Die Kölner bieten "Flexible-Fuel"-Modelle an, die 85 Prozent Ethanol verdauen und in Schweden ihren Absatz finden.

Heikel erscheint allerdings die Frage um den Grundstoff für Bioethanol - Weizen und Roggen. So befürchtet Herbert Kohler, bei DaimlerChrysler verantwortlich für die Forschung am Antrieb, "eine ethische Diskussion, was wichtiger ist: Nahrung oder Kraftstoff?"

Mildern könnte das Problem eine neue Technik, an der die kanadische Biotech-Firma Iogen arbeitet: Das Verfahren verwertet nicht nur das Korn, sondern auch das Stroh, welches von speziellen Enzymen umgewandelt wird. Fachleute sprechen von Holzverzuckerung.

"Ein viel versprechendes Verfahren", sagt Stefan Keppeler. "Damit lässt sich erheblich mehr Biomasse verwenden, was die Bioethanol-Herstellung preislich interessant machen könnte."

Noch weiter denkt man an der TU München: "Butanol wird der Nachfolger von Bioethanol sein", glaubt Wolfgang Schwarz vom Institut für Mikrobiologie. "Es ist als Kraftstoffersatz deutlich besser geeignet als Ethanol." Butanol ist längerkettig als Ethanol. "Deshalb kriegen sie aus einem Liter Butanol mehr Energie als aus einem Liter Ethanol."

Raus aus der Öko-Nische

Allerdings ist der Produktionsprozess komplizierter. Unter anderem muss man, anders als für Ethanol, Teile der Grundstoffe sterilisieren. "Es dürfte noch fünf, vielleicht sogar zehn Jahre bis zur Marktreife dauern", schätzt Schwarz.

Die größte Aufmerksamkeit aber erregt derzeit das Konzept der BTL-Kraftstoffe (Biomass To Liquid). Dieses Fest-zu-Flüssig-Verfahren überführt Biomasse wie Gartenschnitt, Gras, Stroh, aber auch Dung und Hausmüll zunächst in ein Synthesegas, im Wesentlichen eine Mischung aus Kohlenmonoxid, Kohlendioxid und Wasserstoff.

Anschließend verwandelt die von der Kohleverflüssigung bekannte Fischer-Tropsch-Synthese das Gas in flüssigen Kraftstoff. Der Clou: Die Kraftstoffe lassen sich maßschneidern, also vorhandenen oder künftigen Motoren anpassen.

Außerdem verbrennt BTL sehr sauber und verspricht hohe Effizienz: "Der Flächenertrag ist dreimal so hoch wie beim Biodiesel", schwärmt Jochen Vogels von der Firma Choren im sächsischen Freiberg. "Pro Hektar und Jahr sind es 4000 statt 1300 Liter."

Noch sind die Kosten um den Faktor zwei zu hoch

Gegenüber mineralischem Kraftstoff könnte man rund 90 Prozent CO2 einsparen.

Derzeit baut Choren im sächsischen Freiberg zusammen mit Shell eine erste industrielle Prototypanlage mit einer Jahreskapazität von 15.000 Tonnen, Anfang 2007 soll sie in Betrieb gehen. Doch für die Produktion in größerem Maßstab muss noch das Verfahren verbessert werden.

Wenn aus der Biomasse Synthesegas wird, arbeitet Choren noch mit Temperaturen von bis zu 1500 Grad Celsius. "Dabei sind die Kosten um einen Faktor zwei zu hoch", sagt Vogels. "Aber da werden wir deutlich runterkommen."

Fachleute fragen sich daher schon, welchen Anteil am Verbrauch regenerative Kraftstoffe auf Dauer beisteuern könnten. "Vielleicht um die 20, höchstens 30 Prozent, also ein erklecklicher Anteil", schätzt Herbert Kohler von DaimlerChrysler.

Ähnliche Werte prognostiziert Andreas Schütte von der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe: "Von derzeit knapp zwölf Millionen Hektar deutscher Ackerfläche werden bis zum Jahr 2030 drei bis vier Millionen Hektar nicht mehr zur Nahrungsproduktion benötigt und könnten der Biokraftstoffproduktion dienen."

Choren-Mitarbeiter Vogels hingegen hofft langfristig auf einen Anteil von 50 Prozent am deutschen Kraftstoffverbrauch: "Man könnte großflächig ausgeprägte Energiepflanzen wie den Chinaschilf anbauen, der wächst wie der Teufel."

Und Peter Schrum vom Bundesverband Biogene Kraftstoffe gibt sich hochgradig enthusiastisch: "Wir können den ganzen Bedarf ersetzen. Biokraftstoffe sind keine Öko-Nische - wir sprechen von der Sicherung der mitteleuropäischen Mobilität."

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