Kommunikation von Bienen:Und sie tanzen doch

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Unter Bienenforschern ist ein heftiger Streit ausgebrochen: Wie aussagekräftig ist der Schwänzeltanz? Der Berliner Biologe Menzel über die Bedeutung des Tänzelns.

Katrin Blawat

Bienen berichten anderen Bienen mit dem so genannten Schwänzeltanz, wo Nahrung zu finden ist. Dabei beschreibt die Geometrie des Tanzes einer Biene den Ort und den Umfang einer zuvor entdeckten Nahrungsquelle. So steht es in Lehrbüchern. Ein SZ-Bericht vom 2. Dezember, in dem sich unter anderem der Würzburger Bienenforscher Jürgen Tautz kritisch über die von Karl von Frisch entdeckte Bedeutung des Schwänzeltanzes äußerte, hat heftige Kritik aus Fachkreisen ausgelöst. Wie präzise ist der Informationsgehalt des Schwänzeltanzes tatsächlich, und wie nutzen Bienen die tänzerischen Mitteilungen anderer Bienen? Randolf Menzel, Leiter der Arbeitsgruppe "Neurobiologie und Verhalten von Honigbienen" an der FU Berlin, erklärt die Bedeutung der im Schwänzeltanz codierten Information.

Wie genau funktioniert die Kommunikation unter Bienen? Das vermeintliche Lehrbuchwissen hat Lücken. (Foto: Foto: dpa)

SZ: Karl von Frisch erhielt für die Entdeckung des Schwänzeltanzes 1973 den Nobelpreis. Ist nach heutigen Erkenntnissen der Tanz für die Kommunikation unter Bienen so zentral wie Frisch es postulierte?

Menzel: Der Schwänzeltanz gibt den Ort einer Futterquelle oder einer neuen Neststelle an. Mit dem Tanz übermittelt die Tänzerin ihren Stockgenossen die Richtung und Entfernung zum Futterplatz, aber auch weitere Merkmale, wie die Qualität und den Duft. Die der Tänzerin nachfolgenden Bienen im Stock lesen diese Informationen aus den Tanzbewegungen ab und nutzen sie, wenn sie selbst zur Futtersuche losfliegen. Experimente meiner Arbeitsgruppe haben gezeigt, dass die Bienen den aus dem Tanz gelernten Informationen sehr genau folgen.

SZ: Wie konnten Sie das untersuchen?

Menzel: Wir haben die Flugstrecke der Bienen mithilfe eines Radargeräts aufgezeichnet. Einzelne Bienen trugen dabei Transponder. So konnten wir zeigen, dass die Bienen genau in die Richtung geflogen sind und die Entfernung zurückgelegt haben, die die tanzende Biene übermittelt hat.

SZ: Einige Forscher sagen, Bienen ließen sich vor allem durch den Duft einer Futterquelle leiten.

Menzel: Das ist nicht richtig. Die Bienen folgen den Informationen aus dem Tanz unabhängig davon, ob sie die Futterstelle auch riechen können. Der Geruch motiviert die Bienen am Ende zum Landen. Lässt man Bienen zu einer Futterstelle ohne Duft fliegen, landet nur ganz selten eine Biene dort. In einem entsprechenden Experiment landete nur eine von zehn Bienen, in einem anderen Experiment landeten zwei von 60 Tieren an einer Futterstelle, die keinen Duft verströmte. Aber alle flogen genau in die Richtung und Entfernung, die sie im Tanz vermittelt bekamen.

SZ: Wie kommt es zu den unterschiedlichen Aussagen über die Bedeutung des Tanzes?

Menzel: Karl von Frisch und andere Forscher haben für ihre Versuche die Futterstellen künstlich mit einem Duft markiert, damit die Tiere tatsächlich dort landen. In diesem Fall muss man eine Reihe von Kontrollexperimenten machen, um auszuschließen, dass der Duft die leitende Rolle spielt. Es bezweifelt niemand, dass Bienen im Stock den Duft einer Futterquelle lernen. Das hat bereits Martin Lindauer, ein Mitarbeiter von Karl von Frisch gezeigt. Nur haben einige Forscher daraus geschlossen, dass der Duft genügt, um eine Biene zum Futterplatz zu leiten. Und das ist unrichtig, wie unsere Experimente eindeutig gezeigt haben.

SZ: Was also ist der zentrale Informationsgehalt des Schwänzeltanzes?

Menzel: Mit dem Schwänzeltanz wird eine Fülle von Information übertragen. Diese kann man in zwei Gruppen einteilen: die motivierende und die instruierende Funktion. Duft spielt im Stock vor allem eine motivierende Rolle, die typische Schwänzelbewegung eine instruierende Rolle. Da meist Bienen dem Tanz folgen, die bereits an anderen Stellen Futter gesammelt haben, kann es durchaus sein, dass sie durch den Tanz nur motiviert werden, zu ihrer alten Futterstelle zu fliegen. Dann verwenden sie beim Ausflug die Information über Richtung und Entfernung aus dem Tanz nicht.

SZ: Wenn eine Biene aus eigener Erfahrung bereits eine Futterstelle kennt, der Tanz einer Artgenossin sie jedoch auf eine andere Stelle hinweist, für welche entscheidet sie sich dann?

Menzel: Das kommt darauf an, wie nah die beiden Futterstellen beieinander liegen. In jedem Fall aber setzt sie die Stelle, die sie selbst gelernt hat und diejenige, die sie im Tanz angezeigt bekommt, miteinander in Beziehung. Wenn sich beide Futterplätze nah nebeneinander befinden, entscheidet eine Biene mal nach ihren eigenen Erfahrungen, mal nach den Informationen im Schwänzeltanz. Dass sich Bienen auch ohne Tanz an Futterstellen erinnern, ist eine kleine Seitenkomponente, die im Alltag des Bienenvolks aber eine wichtige Rolle spielen kann.

SZ: Gibt es weitere motivierende Faktoren?

Menzel: Der Geruch, den eine Biene von der Futterquelle mit zurückbringt, ist das wichtigste. Dazu kommt ihr schneller Lauf durch die am "Tanzboden" versammelten Bienen. Dabei stößt sie Bienen an, die offenbar aufmerksam werden und ihr folgen.

SZ: Wie entscheidet sich eine Biene, wenn die beiden Futterplätze weit auseinander liegen?

Menzel: Dann verhält sie sich ausschließlich gemäß der Tanzkommunikation.

SZ: Was kann die Reaktion auf den Tanz einer anderen Biene verstärken?

Menzel: Natürlich hängt die Schwelle, von der an sich ein Tier von einem Tanz rekrutieren lässt, vom allgemeinen Nahrungsangebot ab. Wenn das Nahrungsangebot sehr reichhaltig ist, hat man als Experimentator Schwierigkeiten, die Tiere beim Tanzen zu beobachten. Das hat Karl von Frisch ausführlich beschrieben.

SZ: Wie intensiv muss eine Biene den Schwänzeltanz anderer verfolgen, um daraus genaue Informationen zu erhalten?

Menzel: Die bisherige Annahme, dass Bienen normalerweise nur wenige Tanzphasen verfolgen, bedarf einer genauen Überprüfung. Außerdem brauchen wir noch direkte Untersuchungen, die klären, ob eine Biene präziser zu einer Futterstelle fliegt, je mehr Tanzphasen sie verfolgt. Wir sind dabei, entsprechende Erkenntnisse zu publizieren.

SZ: Welche künftigen Experimente könnten helfen, die Tanzkommunikation der Bienen weiter zu entschlüsseln?

Menzel: Man müsste die ganze Geschichte einer Biene, die auf einen Tanz hin ausfliegt, verfolgen, um zu wissen, was sie vorher alles getan hat. Tiere, die sich von einer tanzenden Biene rekrutieren lassen, haben ja vorher schon Orientierungsflüge unternommen, um die Gegend kennenzulernen. Wir müssten also die ersten Orientierungsflüge beobachten und zum Beispiel wissen, ob sie schon eine eigene Futterstelle besucht hat und in welcher Weise sie eigene Informationen mit denen aus dem Tanz abgleicht. Diese Experimente sind zwar nicht einfach aber außerordentlich lohnend.

© SZ vom 08.12.2009/beu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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