AlltagskulturZwinker, Ärger, Schulterzucken

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Ironisch oder ernst gemeint?
Ironisch oder ernst gemeint? (Foto: mauritius images / Alamy Stock P)

Oft führen Emojis zu Konfusion und Missverständnissen, besonders bei den Jüngeren. Helfen kann die Technik, aber wozu waren die Bildchen nochmal gut?

Von Werner Bartens

Als der Herr den Menschen schuf, gab er ihm die Sprache, doch wie oft verschmäht er dieses göttliche Geschenk! Statt gediegene Konversation zu betreiben, tippt er gelbe Smarties in Computer oder Handy, teigige Kreise, die an akuter Lähmung der Gesichtsnerven leiden. Punkt, Punkt, Komma, Strich – fertig ist das Mondgesicht. Nach diesem Schema funktionieren Emojis, und die Ausdruckskraft der Bildschriftzeichen ist in etwa so subtil, wie sich aus dem „Haus vom Nikolaus“ schließen lässt, ob es sich dabei um eine toskanische Villa in unverbauter Südlage oder eine Containerunterkunft handelt.

Nun gibt es Zeitgenossen, die jedes Thema „spannend“, jeden Vorschlag „interessant“ und jedes verdaubare Essen „lecker“ finden. Sie geben soziale Geräusche von sich, die allgemeine Zustimmung signalisieren, ähnlich dem Grunzen im Schweinestall, wenn die Agrarfachkraft zur Fütterungszeit mit dem Schroteimer naht. Inhaltliche Differenzierung kostet hingegen Zeit und Mühe, man signalisiert damit dem Gegenüber, ihn eines genaueren Urteils für wert zu erachten. Wie viel einfacher ist es, mit einer universalen Zeichensprache in Pfannkuchenoptik seinen Gemütszustand auszudrücken. Noch dazu, da populären Schmähungen zufolge die Hälfte der Menschheit sowieso Schwierigkeiten hat, über Gefühle zu reden.

Was soll das Einhorn bedeuten?

Doch statt Verständnis zu verbreiten, lösen Emojis oft Irritationen aus. Eine Umfrage des Branchenverbandes Bitkom unter 1005 Menschen ab 16 Jahren hat jüngst ergeben, dass zwar 81 Prozent der Teilnehmer Emojis in der digitalen Kommunikation nutzen, bei 56 Prozent der Befragten tragen die blassen Zeichen jedoch zur Verwirrung bei; unter den 16- bis 29-Jährigen traf dies gar auf 73 Prozent zu. Woher soll man auch wissen, ob das „Einhorn“-Emoji bedeutet, dass man von seinem digitalen Gesprächspartner verzaubert ist, die letzte Nachricht für eine Märchenstunde hält oder sich gerne nach Feierabend im Elfenwald verabreden würde?

Ist der Zwinker-Smiley ironisch oder ernst gemeint? Und was bedeutet bitte das Umgekehrte-Gesicht-Emoji, das es unter die Top drei der besonders irritierenden Emojis geschafft hat? Sarkasmus, Lächeln unter Schmerzen oder das Gleiche wie ein normaler Smiley? Ähnliches gilt für die verwehte Luftansammlung, die mal als Pupswolke, als Feinstaubbelastung oder schneller Abgang interpretiert wird. Mittlerweile stehen Internetnutzern 3782 Zeichen zur Verfügung – damit 3782 Möglichkeiten, sich falsch zu verstehen, wenn nicht gerade auf das „Gesicht mit Lach- oder Freudentränen“ geklickt wird, ein Emoji, das 2015 von der Oxford University Press zum „Wort des Jahres“ gewählt wurde und zuverlässig zum Einsatz kommt, wenn der Christian aus der Buchhaltung mal wieder einen schlechten Witz in die Runde geschickt hat.

Von derart unterkomplexen Ausnahmen abgesehen, sind Missverständnisse garantiert. Wie schön, dass etliche Chatprogramme inzwischen die ausgeschriebene Erklärung als Deutungshilfe mitliefern und damit das Prinzip der Vereinfachung ad absurdum führen. Interessant, spannende Entwicklung – worauf wahlweise nur der Biss in die Tischplatte oder das Emoji „Stirnrunzelndes Gesicht mit offenem Mund“ bleiben.

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