Kommentar:Rumpelige Kopie

Kommentar: Kathrin Zinkant isst Kokosnüsse nur als Beilage zu Grillhähnchen.

Kathrin Zinkant isst Kokosnüsse nur als Beilage zu Grillhähnchen.

Die Fortsetzung des Human-genomprojektes will das Erbgut des Menschen endlich verstehen. Das Vokabular der Forscher ist dafür ungeschickt gewählt. Es lässt eher die Konstruktion künstlicher Menschen befürchten.

Von Kathrin Zinkant

Es gibt ein paar Vokabeln, die in wissenschaftlichen Debatten behutsam eingesetzt werden sollten. "Synthetisch" ist eine von ihnen. Als Forscher am Freitag in Science die Fortsetzung des Humangenomprojektes HGP ankündigten, tauchte sie wieder einmal auf. Die Forscher wollten damit das Ziel von HGP-Write illustrieren - ihr Vorhaben, das menschliche Genom mithilfe einer Abschrift besser zu verstehen. Nun kann so eine Vokabel tatsächlich komplexe Zusammenhänge anschaulich erklären. Das Problem dabei: Wenn Biologen es benutzen, nimmt man sie allzu gern beim Wort. Und synthetisch bedeutet für die meisten Menschen nun mal "künstlich".

Die Forscher sagen es selbst: Sie wollen ein synthetisches Genom des Menschen zusammenbauen

Das ist nicht nur im Zusammenhang mit moderner Forschung ein negativ besetzter Begriff. Der bisherige Gipfel des Künstlichen, das Designerbaby, ploppt als Schreckensbild in fast jeder ethischen Debatte über Fortpflanzung und Genetik auf. Der rundum künstliche Mensch, konstruiert am modernen Reißbrett Computer, durfte zwar bisher die Science-Fiction-Kiste selten verlassen. Mit HGP-Write wird sich das jedoch ändern. Denn die Protagonisten sagen es ja: Sie wollen aus dem Nichts gern ein Gigabasen umfassendes, synthetisches Erbgut des Menschen zusammenbauen. Klingt nach Schöpfung, nach Design, nach Grenzüberschreitung. Nach künstlichen Menschen.

Doch selbst wenn es wirklich darum ginge, Buchstabe für Buchstabe ein menschliches Genom zu basteln, es in einen Zellkern und dann in eine entkernte Eizelle zu stecken, wenn das Ziel wäre, daraus einen womöglich gar gesunden Embryo entstehen zu lassen, der in die Gebärmutter einer Frau eingepflanzt werden könnte und - nach Überwindung aller unüberwindbarer Hürden - zur Welt kommt: Was wäre ein solches Gedicht von Mensch? Nichts Künstliches. Sondern zuallererst eine rumpelige Kopie des Originals. So war es beim synthetischen Chromosom, so war es bei der ersten künstlichen Zelle, und auch das vermeintlich artifizielle Bakterium, das der Biotech-Pionier Craig Venter vor zwei Monaten vorgestellt hat, war in seiner Künstlichkeit beschränkt. Man schraubte ein bisschen am Code der Vorlage herum und ließ die unverstandene Biologie den Rest erledigen. Neben reichlich Aufmerksamkeit hatte man mit diesem vermeintlichen Durchbruch vor allem wieder die Angst vor irren Forschern geweckt.

Das Irre ist, dass die irren Forscher es besser wissen. Sie kennen ihre Grenzen. Sie wissen, dass sich ein Genom nicht schreiben lässt wie ein Roman. Es lässt sich höchstens abschreiben. Von jenem Roman, den die Evolution geschrieben hat. Den man zwar lesen kann, aber immer noch nicht versteht.

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