Kohlendioxid-Entsorgung:Ab in die Erdspalte

Um den Klimawandel zu bremsen wollen einige Unternehmen Kohlendioxid aus Kohlekraftwerken auffangen und speichern. Kritiker halten das für einen Irrweg.

Christopher Schrader

Die Absage seines Stargasts nutzte der Gastgeber für eine Pointe. "Technologie kann Probleme lösen, auch wenn es manchmal etwas länger dauert", witzelte Klaus von Trotha, als Techniker endlich die Videoschaltung nach Delhi aufgebaut und den Beamer in Gang gebracht hatten.

Kohlendioxid-Entsorgung: Einige Energieunternehmen wollen Kohlendioxid aus Steinkohlekraftwerken auffangen und speichern.

Einige Energieunternehmen wollen Kohlendioxid aus Steinkohlekraftwerken auffangen und speichern.

(Foto: Foto: AP)

Von der Leinwand grüßte nun Rajendra Pachauri, der Vorsitzende des mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichneten Weltklimarats IPCC. Eigentlich wollte er persönlich auf der Berliner Tagung zu CO2-armen Kohlekraftwerken sprechen, hatte aber kurzfristig abgesagt.

Derart symbolisch demonstrieren zu können, dass Technik Probleme löst, die mit dem Klima zu tun haben, war von Trotha sehr recht. Der frühere Forschungsminister in Baden-Württemberg leitet den Verein "Informationszentrum klimafreundliches Kohlekraftwerk", den Unternehmen aus der Energiebranche gegründet haben.

Die Organisation propagiert Anlagen, die bei der Verbrennung von Kohle zur Stromerzeugung das entstehende Kohlendioxid auffangen. Das Treibhausgas soll in aufgegebene Öl- oder Gasfelder oder in Salzschichten tief unter der Erde eingelagert werden, damit es das Klima nicht belasten kann.

Von seinen Gästen hörte der Verein viel Lob für die CCS genannte Technik (für "Carbon Capture and Storage", Auffangen und Speichern von Kohlendioxid). "CCS ist extrem wichtig, es muss ein wichtiger Teil der Lösungen des Klimaproblems sein", sagte Pachauri.

Dem stimmte Ottmar Edenhofer von Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung zu: "Ohne CCS ist keine ambitionierte Klimaschutz-Politik möglich." Beide weisen darauf hin, dass viele Länder noch lange Kohle zur Stromerzeugung nutzen werden, besonders die großen Schwellenländer China und Indien. Edenhofer zufolge haben sie sogar einen "Systembruch" ausgelöst.

Nachdem es die Welt Jahrzehnte lang geschafft hatte, immer weniger Energie pro erwirtschaftetem Dollar zu verbrauchen und dabei immer weniger Treibhausgas zu freizusetzen, habe sich dieser Trend im Jahr 2001 umgekehrt. Verantwortlich dafür ist vor allem die Entwicklung in China, wo zurzeit in jeder Woche ein neues Kohlekraftwerk an Netz geht. Und Kohle setzt gemessen am Brennwert mehr CO2 frei als jede andere Energieform.

Bei der Entwicklung von CCS sei Deutschland besonders weit, sagte Jürgen-Friedrich Hake vom Forschungszentrum Jülich. Amerikaner und Briten schauten schon neidisch auf die Projekte, die hierzulande anlaufen oder schon angelaufen sind. Zum einen erprobt ein Konsortium unter Führung des Geoforschungszentrums Potsdam seit 2007, wie sich CO2 in einer salzwasserführenden Schicht 700 Meter tief unter dem Havelland nordwestlich von Berlin einlagern lässt.

Zum anderen möchte der Energiekonzern Vattenfall noch in diesem Jahr im Industriepark Schwarze Pumpe im Südosten Brandenburgs eine Prototypanlage in Betrieb nehmen, in der das gesamte CCS-Verfahren erprobt wird.

Das Beispiel von Moorburg

Auch für kommerzielle Anlagen gibt es Pläne. Der Vorstandsvorsitzende der RWE Power AG, Johannes Lambertz, verkündete auf der Veranstaltung in Berlin, sein Unternehmen baue zurzeit eine Anlage zur Abscheidung von Kohlendioxid aus Kraftwerks-Abgasen und wolle bis 2014 einen kompletten Kohlemeiler ans Stromnetz bringen, bei dem CO2 vor der Verbrennung aus der Kohle entfernt wird.

Und schließlich hat zum Beispiel Vattenfall bei seinem geplanten, politisch stark umstrittenen Kraftwerk in Hamburg-Moorburg zugesagt, in etwa acht Jahren ein System zum Auffangen des Treibhausgases nachzurüsten, falls die Technik ausgereift ist.

Umweltschützern, nicht nur in Hamburg, reicht das nicht, machte in Berlin Rainer Baake klar. Der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe war von den Veranstaltern als Sprecher auf das Podium geladen worden. "Es wäre zwar unverantwortlich, CCS als Option auszuschließen.

Aber es ist auch unverantwortlich, jetzt in Deutschland neue Kohlekraftwerke zu bauen, ohne zu wissen, ob CCS wirklich nachgerüstet werden kann." Schon heute lasse sich der CO2-Ausstoß pro erzeugter Kilowattstunde halbieren, wenn man statt Kohle in modernen Anlagen Erdgas verfeuere.

Ab in die Erdspalte

Noch radikaler ist die Position der Greenpeace-Mitarbeiterin Gabriela von Goerne, die in Berlin im Publikum saß. Sie lehnt CCS grundsätzlich ab, es sei nur ein "Deckmäntelchen dafür, heute neue Kohlekraftwerke zu bauen".

Umweltschützer erzürnt vor allem, dass die Technik frühestens 2020 richtig ausgereift sein wird, die Energieversorger aber bis dahin Dutzende von großen, neuen Kohlemeilern bauen wollen, welche die Stromerzeugung bis ins Jahr 2060 dominieren. Für sauberere, kleinere Anlagen und regenerative Energieformen bestehe dann viel weniger Bedarf. Und was passiere eigentlich, wenn CCS nicht funktioniert, fragt Gabriela von Goerne.

Wie gut die Technik überhaupt funktionieren kann, müssen Forschung und Industrie in der Tat noch praktisch erproben. Nach einer Studie im Auftrag des Bundesumweltministeriums vom Dezember 2007 können die Systeme maximal 70bis 80 Prozent des entstehenden CO2 einfangen. Dabei sinkt die Effizienz, mit der die Kraftwerke Brennstoff in Strom verwandeln. Statt heute etwa 45Prozent bei Kohle- und knapp 60Prozent bei Gaskraftwerken wären es mit CCS zehn Prozentpunkte weniger.

Die Kosten, auf diese Weise den Ausstoß einer Tonne CO2 zu vermeiden, werden auf 30 bis 60 Euro geschätzt. Die Erzeugerpreise für Strom könnten sich so von drei auf sechs Cent pro Kilowattstunde verdoppeln, hat der Jülicher Forscher Hake berechnet.

Über all das möchte Klaus von Trothas Verein nach seinen Worten "einen offenen Dialog" führen. Allerdings wird es dabei wohl nur noch um das "Wie" und "Wo" von CCS-Anlagen gehen, nicht mehr um das "Ob". Ein Indiz dafür: Die EU-Kommission hat bereits im Januar den Entwurf einer Richtlinie zu dem Thema vorgelegt. Sie regelt auch schon, wie Firmen in den künftigen Boom-Markt der CO2-Speicherung einsteigen können.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: