Süddeutsche Zeitung

Kognitionsforschung:Ich weiß etwas, das du nicht weißt

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Manche Menschenaffen können sich in die Lage anderer hineinversetzen und wissen, dass diese die Welt anders sehen als sie selbst. Die Tiere können sogar voraussehen, wenn Menschen einem Irrtum aufsitzen werden.

Von Marlene Weyerer

Auch Menschenaffen können sich in die Lage von anderen versetzen und zwischen dem, was sie wissen, und dem Kenntnisstand anderer unterscheiden. Das zeigen Untersuchungen an Schimpansen, Orang-Utans und Bonobos, die in einem Test klar das Verhalten eines Menschen vorausahnen konnten. Die geistigen Fähigkeiten von Menschenaffen seien demnach weiter entwickelt, als man bisher angenommen habe, schreiben die beteiligten Wissenschaftler in der Fachzeitschrift Science.

Kognitionsforscher bezeichnen die Fähigkeit, sich in die Gedanken anderer hineinversetzen zu können, als Theory of Mind. Seit mehr als 15 Jahren sammeln sich Belege dafür, dass Menschenaffen dazu in der Lage sind. In einem Kernpunkt der Theory of Mind fielen die Primaten bisher allerdings immer durch: bei sogenannten False-Belief-Tests. Dabei müssen die Tiere voraussehen, wie jemand anderes aufgrund einer falschen Überzeugung handeln wird. In der aktuellen Untersuchung bekamen Menschenaffen einen Film zu sehen, in dem ein Mann sich vor den Augen einer weiteren Person hinter einem Heuballen versteckt. Als der Beobachter allerdings weggeht, schleicht sich der Versteckte kurz hinter einen zweiten Heuballen und verlässt letztendlich den Schauplatz vollständig. Kurz darauf kommt der Beobachter zurück. Die meisten Affen im Test sahen darauf den ersten Heuballen an - in der Erwartung, der Beobachter würde dort nach dem Versteckten suchen. Dieser Test wird auch für Theory-of-Mind-Studien mit Kindern verwendet. Ungefähr ab einem Alter von zwei Jahren erkennen sie den Irrtum.

Jüngere Kinder sind dazu noch nicht in der Lage.

"Jemand, dessen Theory of Mind komplett entwickelt ist, kann sich vorstellen, wie andere die Welt sehen", sagt Christopher Krupenye von der US-amerikanischen Duke University, der an der Studie beteiligt war. "False Belief ist ein wichtiger Teil davon."

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Quelle:
SZ vom 10.10.2016
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