Körperwahrnehmung:Schönheit wird vielfältiger

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Auf der "World's Most Beautiful" Liste des People-Magazins: Viola Davis als Rose im Film "Fences". (Foto: David Lee/AP)
  • Im Fachmagazin JAMA Dermatology zeigen Hautärzte aus Harvard, dass Schönheit kaum einheitliche Erscheinungsformen hat.
  • Die Liste der "World's Most Beautiful" des People-Magazins sei heute vielfältiger als noch 1990.
  • Beispielsweise sind deutlich mehr Menschen mit dunklerem Hauttyp vertreten. Auch das Durchschnittsalter ist gestiegen.

Von Werner Bartens

Die Schönheitsindustrie zerstört alle Unterschiede. Unter dem Diktat der Mode und übertriebener Schlankheitsideale leiden besonders die jungen Frauen. Sie unterwerfen sich Diäten, folgen absurden Kosmetiktrends. Wenn sie älter werden, sind sie dem Jugendwahn ausgeliefert und versuchen gebotoxt und geliftet, die Uhr zurückzudrehen. Hinterher sehen alle gleich aus. So ungefähr muss man sich die Vorurteile gegenüber der Welt der Stars und Sternchen und der ihnen ergebenen Medien vorstellen.

Es ist nur ein kleiner Hinweis, aber er lässt aufhorchen. Im Fachmagazin JAMA Dermatology zeigen Hautärzte aus Harvard, dass Schönheit kaum einheitliche Erscheinungsformen hat. Ein Dermatologen-Team um Neelam Vashi hat untersucht, wie die Liste der "World's Most Beautiful" aus dem People-Magazin heute im Vergleich zu 1990 aussieht. Das Boulevard-Heft wird regelmäßig von mehr als 40 Millionen Erwachsenen gelesen. Die Wissenschaftler verglichen die 50 Schönheiten von damals mit der heute auf 135 Celebrities angewachsenen Promiparade. Dabei achteten sie neben dem Alter auch auf Hauttyp, Haarfarbe, Augenfarbe und auffällige dermatologische Eigenheiten.

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Nun ist der Blick von Hautärzten auf das Gesicht vermutlich etwas einseitig auf Unebenheiten und Alterserscheinungen ausgerichtet. Trotzdem ergaben sich erstaunliche Veränderungen in den vergangenen 27 Jahren. Während 1990 noch 88 Prozent der Top-50-Schönheiten einen der drei hellen Hauttypen aufwiesen, waren es 2017 nur noch 70,4 Prozent. Eine dunklere Hautfarbe gilt zunehmend als attraktiv - der Anteil der Nicht-Weißen unter den Schönen stieg seit 1990 von 24 auf 40 Prozent. Kosmetikkonzerne haben darauf übrigens mit einer größeren Palette an Farbtönen reagiert und nicht mit mehr Abdeckmitteln, um einen einheitlichen Look zu erzeugen.

Die aktuelle Auswertung widerspricht der Vorstellung vom grassierenden Jugendwahn

Auch von grassierendem Jugendwahn ist zumindest im Ranking des People-Hefts keine Spur: Während das Durchschnittsalter der Reichen und Schönen auf der Liste 1990 noch bei 33,2 Jahren lag, war es im Jahr 2017 auf 38,9 Jahre angestiegen - ein Alter, in dem die Durchschnittsfrau von nebenan schon mal fürchtet, nicht mehr attraktiv zu sein und bald von Cellulite ruiniert zu werden. Vielleicht ist es aber auch der Erfolg, der schöner macht. Wer wie Julia Roberts oder Michelle Pfeiffer auf Hollywood-Erfolge zurückblicken kann, hat es leichter, auch jenseits der 40 ohne Sorgenfalten in die Welt zu schauen.

Während die Gleichberechtigung von Frauen in anderen Bereichen nur im Schneckentempo vorankommt, wurden Männer zumindest im Schönheitsranking massiv zurückgedrängt. War die Verteilung der "Most Beautiful" 1990 noch nahezu ausgewogen - 52 Prozent Frauen, 48 Prozent Männer - so ist die Liste 2017 ein Fall für die Gleichstellungsbeauftragte. 88,1 Prozent Frauen stehen nur noch 11,9 Prozent Männer gegenüber. Vielleicht rührt dieses Ungleichgewicht aber auch daher, dass nicht mehr metrosexuelle Schönlinge als attraktiv gelten, sondern echte Kerle, die noch einen Reifen wechseln oder einen Schlangenbiss aussaugen können.

"Entgegen unserer ursprünglichen Annahme zeigen unsere Daten, dass unter denen, die als besonders schön und attraktiv gelten, die Vielfalt größer geworden ist", schreiben die Autoren. "Die Hautfarbe variiert, und auch ältere Stars und Sternchen sind dabei." Zwar hätten Massenmedien über Jahre vorgegeben, was Schönheit ausmacht. Zumindest die Entwicklung der Top-Liste zeige jedoch, dass die Idealvorstellungen sich verändern können und offen für die Einflüsse neuer Kulturen und fremder Normen sind.

Dass alle gleich aussehen sollten und das Schönheitsideal ein uniformes Frauen- und Männerbild erzwingt, würden Modemacher und Model-Agenten sowieso bestreiten. Sie betonen, ständig auf der Suche nach dem neuen, unverbrauchten und "etwas anderen" Gesicht zu sein. Junge Menschen auf der Suche nach sich selbst könnte das bestärken, nicht Vorbildern nachzueifern, die sie sowieso nicht erreichen können, sondern zu ihrem Typ zu stehen. Ein Trost dabei ist, dass die angeblichen Traummaße 90-60-90 weder gesund sind noch von den meisten Celebrities erreicht werden. Nur drei Prozent aller Frauen entsprechen dieser Figur.

© SZ vom 12.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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