Süddeutsche Zeitung

Klonforschung:Böses Erwachen aus einem schönen Traum

Die Experimente des Tierarztes hatten große Hoffnungen auf die Heilung Schwerkranker geweckt.

Tina Baier

War alles nur ein Traum? Ein zotteliger Hund und eine dicke Kuh, die Klontiere des Stammzellforschers Hwang Woo Suk, stellen diese Frage in einer Karikatur der koreanischen Tageszeitung Chosun Ilbo. Seit Freitag ist die Antwort klar. Eine Kommission der Nationalen Universität von Seoul hat festgestellt, dass der Wissenschaftler manche seiner Experimente gefälscht hat.

Die Affäre macht Stammzellforscher weltweit fassungslos, denn Hwangs Erfolge schienen ihrer ethisch umstrittenen Forschung mit menschlichen embryonalen Stammzellen die ersehnte Legitimation zu verleihen. Ihre Hoffnungen schienen sich plötzlich zu erfüllen. Von einem Tag auf den anderen war vorstellbar, dass sich schon in naher Zukunft lebendige Ersatzteile für den menschlichen Körper herstellen lassen.

Bei der Parkinson-Krankheit etwa sind wichtige Nervenzellen im Gehirn zerstört. Wäre es möglich, diese Zellen zu erneuern, könnte man die Krankheit heilen. Auch Diabetes, Schlaganfall, Alzheimer, Rückenmarkleiden und viele andere Krankheiten sind auf verletztes Zellmaterial zurückzuführen, das bislang weder wiederhergestellt noch ersetzt werden kann.

Eine Heilungschance sehen Befürworter der Stammzellforschung im so genannten therapeutischen Klonen. In der Theorie entnehmen Forscher dabei das Erbgut aus einer Hautzelle ihres Patienten und schleusen es in eine weibliche Eizelle ein, deren eigenes Erbgut zuvor entfernt wurde. Wenn sich diese Eizelle teilt, entsteht daraus ein Embryo, der genetisch mit dem Patienten identisch ist.

Dem Klon werden Stammzellen entnommen, aus denen dann im Labor verschiedene Zelltypen gezüchtet werden könnten, etwa jene Nervenzellen, die bei der Parkinson-Krankheit ausgefallen sind. Da der Embryo ein Klon des Patienten ist, dürfte das Immunsystem solche Zellen nicht abstoßen, weil ihre genetische Information mit dem Erbgut des Kranken identisch ist.

Soweit die Theorie. In der Praxis bezweifelten viele Wissenschaftler, dass schon der erste Schritt, einen menschlichen Embryo zu klonen, technisch machbar sei. Dann kam Hwang. In seinem ersten Experiment, das im Februar 2004 in Science veröffentlicht wurde und von dem noch unklar ist, ob es gefälscht ist oder nicht, klonte er angeblich einen menschlichen Embryo. Daraus will er dann auch noch Stammzellen gewonnen haben.

In Deutschland ist das therapeutische Klonen verboten. Denn die Methode hat nicht nur technische Probleme, sondern auch ethische: Auf der einen Seite steht die theoretische Hoffnung, schwer kranke Menschen eines Tages heilen zu können.

Auf der anderen Seite steht die Tatsache, dass dazu Embryonen hergestellt werden müssen - allein zu dem Zweck, sie anschließend wieder zu zerstören. Anders lassen sich die Stammzellen nicht gewinnen. Zudem sind diese Embryonen auch noch Klone von Menschen.

Zellbündel oder Mensch

Eine der entscheidenden Fragen in dieser Diskussion ist der Status eines vier bis sieben Tage alten Embryos. Denn in diesem so genannten Blastozystenstadium wird der Embryo zerstört, um die Stammzellen zu gewinnen.

Die Blastozyste sei nichts weiter als ein Zellbündel ohne menschliche Eigenschaften, kleiner als ein Salzkorn und mit bloßem Auge nicht einmal zu erkennen, argumentieren Befürworter der Methode. Trotzdem besitze dieser Embryo das Potenzial, sich zu einem Menschen zu entwickeln und muss daher geschützt werden, kontern die Kritiker.

Hwangs zweite Arbeit, die sich nun teilweise als gefälscht herausgestellt hat, verlieh den Argumenten der Befürworter für kurze Zeit eine größere Überzeugungskraft. Die Heilung schwer kranker Menschen durch therapeutisches Klonen schien plötzlich mehr zu sein als eine theoretische Möglichkeit. Sie rückte in greifbare Nähe.

Hwang gab nämlich in einer Science-Veröffentlichung im Juni 2005 vor, Embryonen aus den Hautzellen von 31 Patienten mit verschiedenen Krankheiten geklont und aus elf davon Stammzellen gewonnen zu haben.

Besonders begeistert hat die Stammzellforscher in aller Welt, dass Hwang für dieses Kunststück nach eigenen Angaben nur 185 Eizellen gebraucht hat - also im Schnitt nur sechs Versuche, um einen Klon herzustellen. Normalerweise gibt es viel mehr Fehlschläge.

Diese hohe Erfolgsquote rückte das therapeutische Klonen in den Augen der Experten noch einmal näher an den Einsatz in der Praxis. Denn die Beschaffung von Eizellen ist ein weiteres technisches und ethisches Problem der Methode.

Jetzt, da Hwang Woo Suk als Fälscher enttarnt ist, steht die Stammzellforschung wieder fast am Anfang. In der öffentlichen Diskussion wird sie es sogar noch schwerer haben. Denn Hwang hat den vielen Problemen, mit denen die Methode ohnehin zu kämpfen hat, ein weiteres hinzugefügt: das der Unglaubwürdigkeit.

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Quelle:
SZ vom 24.12.2005
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