Wüstenbildung:"Wenn das Ökosystem kippt, hilft auch kein Regen mehr"

Lesezeit: 3 Min.

Durch falsche Nutzung kann fruchtbares Land kippen und zur Wüste werden, wie dieses Gebiet in Namibia. (Foto: Anja Linstädter)

Die Pflanzenforscherin Anja Linstädter untersucht, wie sich Landflächen durch den Klimawandel verändern - und was man dagegen tun kann.

Interview von Hanno Charisius

Am Donnerstag veröffentlicht der Weltklimarat IPCC einen Bericht, der beschreibt, wie sich die Erderwärmung auf die Landflächen auswirkt. Immer mehr Landschaften könnten sich von Kohlenstoffspeichern in Treibhausgasquellen verwandeln und die Erwärmung beschleunigen. Die Pflanzenforscherin Anja Linstädter von der Universität Bonn untersucht Böden in Namibia und erklärt, was die Beobachtungen dort für den Rest der Welt bedeuten.

SZ: Frau Linstädter, was hat der Boden mit dem Klimawandel zu tun?

Anja Linstädter: Böden sind wichtige Kohlenstoffspeicher. Weltweit enthält der Boden mehr Kohlenstoff als alle Pflanzen und die Atmosphäre der Erde zusammen.

Sie untersuchen Graslandökosysteme wie Savannen, Wiesen und Weiden. Warum sind die so wichtig?

Über zwei Drittel aller Landökosysteme, mindestens 20 Prozent der Erdoberfläche, werden von Gras bewachsen. Grasland ist nach Feuchtgebieten und Wäldern in kühlen Erdregionen der drittgrößte Kohlenstoffspeicher weltweit.

In Namibia verwandeln sich Graslandschaften in Wüsten. Was passiert da?

Es kommen immer mehrere ungünstige Faktoren zusammen, meist langjährige Dürren und eine Vorschädigung der Grasnarbe durch zu starke Beweidung. Wenn dieser Stress zu lange anhält, kann das Ökosystem kippen, dann hilft auch kein Regen mehr.

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Ein Berichtsentwurf des IPCC beschreibt, wie sich die Klimakrise an Land auswirkt. Dort hat sich die Erde bereits um 1,5 Grad erwärmt.

Von Marlene Weiß

Warum?

In den trockenen Regionen fällt der Niederschlag meist nicht als sanfter Niesel, sondern brachial, große Mengen in kurzer Zeit - so wie bei uns in Deutschland während eines heftigen Sommergewitters. Wenn der Boden nicht dicht bewachsen ist, spült das Wasser die oberen Bodenschichten einfach weg. Dabei werden auch die Pflanzensamen weggeschwemmt, bevor diese keimen und Wurzeln schlagen können. Und wenn die Pflanzen weg sind, wird als nächstes der fruchtbare Boden ausgelaugt und noch weiter abgetragen. Und dann ist ein Gebiet tatsächlich mindestens für Jahrzehnte verwüstet.

Kann man solche Kipppunkte frühzeitig erkennen?

Bisher leider nicht, wir können nur rückblickend erklären, wie es wohl dazu kam.

Die Biologin Anja Linstädter forscht am Institut für Nutzpflanzenwissenschaften und Ressourcenschutz (INRES) der Universität Bonn. Derzeit arbeitet sie an einem Projekt über Kipppunkte der Desertifikation in Namibia. (Foto: privat)

Gelten Ihre Erkenntnisse aus Namibia auch in anderen Regionen?

Grundsätzlich lässt sich viel Wissen übertragen. Eingeschränkt wird das nur dadurch, dass es auf den verschiedenen Kontinenten eine unterschiedlich lange gemeinsame Evolution von Pflanzen und Pflanzenfressern gab. Doch diese Kaskadeneffekte, die wir in Namibia beobachten, dass etwa zuerst die Vegetation geschädigt wird und schließlich der Boden degradiert, die lassen sich überall beobachten.

Auch in Deutschland?

Dass sich hier Weideland in Wüsten verwandelt hat, gab es zum Beispiel im Mittelalter, als Waldweiden so stark übernutzt worden sind, dass dort menschengemachte Halbwüsten entstanden. Die Lüneburger Heide ist ein Beispiel dafür. Das war sogar zu Zeiten, als wir noch keinen Klimawandel hatten und in einem Gebiet in Mitteleuropa, wo eigentlich genug Regen fällt.

Wie lässt sich verhindern, dass Grasökosysteme kippen und statt Kohlenstoff zu speichern, Kohlendioxid abgeben und das Klima weiter anheizen?

Das kommt auf die betroffene Region an. Im Wesentlichen geht es um ein angepasstes Management: Graslandschaften müssen gehegt und gepflegt werden. Auch die mehrjährigen Gräser brauchen regelmäßig Beweidung - nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig. Wenn sie zu wenig beweidet werden, ersticken sie an ihrem eigenen Pflanzenmaterial. Wenn sie zu stark beweidet werden, haben sie nicht mehr genug Reserven. Ein weiteres großes Problem ist aber, dass viele Graslandschaften in Äcker verwandelt werden.

Dann wächst da Mais statt Gras, was ist daran schlimm?

Die Böden sind oft nicht sehr nährstoffreich und schnell ausgelaugt. Dann bringt man da nur noch mithilfe von viel Dünger etwas zum Wachsen.

Warum nutzen Bauern Flächen, die nicht als Äcker geeignet sind?

Weil es kurzfristig einen höheren Ertrag bringt als Weidetierhaltung. Und viele Menschen wollen nicht mehr nur Subsistenzwirtschaft betreiben, sondern hoffen auch, Ackerfrüchte anbauen und verkaufen zu können. Das ist vielleicht kurzfristig profitabler, mittel- bis langfristig aber eine Katastrophe.

Kann der Verbraucher in Deutschland etwas gegen Bodenverluste in anderen Ländern tun?

Ja, indem wir unsere Ansprüche herunterschrauben. Viele Graslandschaften werden in intensiv bewirtschaftete Mais- oder Sojaäcker verwandelt. Damit werden Viehherden gefüttert, die viel größer sind, als die, die auf den Weiden hätten leben können. Wir müssten unseren Fleischkonsum reduzieren und am besten nur Fleisch aus solchen Haltungssystemen kaufen, in denen Tiere nachhaltig auf Weiden grasen.

Was erhoffen Sie sich vom Bericht des Weltklimarats, der am Donnerstag erscheinen soll?

Ich hoffe, dass mehr Menschen bewusst wird, wie stark der Klimawandel die globale Ernährungssicherheit bedroht. Hier in Deutschland verbinden viele mit dem Klimawandel vor allem höhere Temperaturen oder steigende Meeresspiegel. Klimawandel bedeutet aber auch mehr Extremwetterlagen wie Dürren und Starkregen. Wenn die im Wechsel auftreten, können sie schlimmstenfalls ganze Landstriche degradieren lassen, auch hier in Deutschland. Das kann sehr schnell geschehen, wenn ein ökologischer Kipppunkt überschritten wird. Solche fatalen Wechselwirkungen müssten auch von der Politik viel stärker berücksichtigt werden.

© SZ vom 08.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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