Klimawandel:Wenn Dörfer schmelzen

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Im Norden Alaskas schwindet der Permafrost. Das bedroht die Existenz von Eskimodörfern, die auf den vereisten Boden angewiesen sind. Auswirkungen des Klimawandels treffen zuerst die weniger entwickelten Gebiete.

Eine Siedlung im Norden Alaskas verkörpert für Klimaforscher das Schicksal, das London, New York und vielleicht auch Hamburg im Zeichen der globalen Erwärmung einmal drohen könnte. Shishmaref ist ein 600-Seelen-Dorf auf einer kleinen Insel, dem das Meer langsam, aber beharrlich den Boden entreißt. Einige der knapp 50 Häuser fielen dem Wasser bereits zum Opfer, andere Familien räumten freiwillig ihren Platz am Meer.

Klimawandel gefährlich für Permafrost (Foto: Foto: dpa)

"Die See schluckt unser Land. Wie sollen wir überleben?", sorgte sich der 16-jährige Simon Weyiounna aus Shishmaref am Rande der weltgrößten interdisziplinären Wissenschaftskonferenz in San Francisco. Dort berichteten Bewohner des Eskimodorfes vor Klimatologen, Forschern und Journalisten, wie die Erwärmung von Land und Meer ihren Alltag verändert. "Seit 4000 Jahren haben unsere Vorfahren hier von der Jagd gelebt", sagte Bürgermeister Stanley Tocktoo bei einem anschließenden Gespräch.

Die Jagd wird schwerer

Jetzt werde es Jahr für Jahr schwerer, über das dünne Eis ans Wasser und dann hundert und mehr Kilometer auf das offene Meer zu gelangen. "Früher zogen die Seehunde und Walrosse viel näher an der Küste vorbei. Jetzt bleiben sie wegen der großen Eisschollen weiter draußen", erläuterte Shishmarefs High-School-Lehrer Ken Stenek. In der Nähe des Landes finden die Tiere wegen der höheren Temperaturen nur noch kleinere Schollen.

Die amerikanische Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (AAAS), Herausgeber der Fachzeitschrift "Science" und Veranstalter des am Montag beendeten Kongresses, gab in San Francisco eine offizielle Warnung zu den alarmierenden Klimaveränderungen heraus. In der Erklärung ihres Vorstandes wird die Erwärmung der Erde eine "wachsende Bedrohung für die menschliche Gesellschaft" genannt.

Die armen Länder leiden zuerst

Auch der Chef-Klimaberater der Bundesregierung, Hans Joachim Schellnhuber, sprach in San Francisco über die dramatische Entwicklung. Ungerechterweise müssten nicht die Verursacher der globalen Erwärmung, Industrieländer wie die USA, sondern die Menschen in den wenig entwickelten Regionen im hohen Norden und im Süden der Erde am meisten unter den Folgen leiden.

Shishmaref steht auf so genanntem Permafrostboden - Boden, der auch im Sommer bisher nur oberflächlich auftaute und deshalb ein sicheres Fundament bot. Jetzt weichen die steigenden Temperaturen das Land zusehends auf und erlauben dem Meer, mehr und mehr von der Erde abzutragen. Mit der Wärme wird auch die traditionelle Kühlmethode des Dorfes immer gefährlicher, das seine Beerenernte, fermentierte Heringe und getrocknetes Karibufleisch in Behältern tief im Boden vergräbt. "Im Nachbardorf sind etliche Leute an Botulinvergiftungen erkrankt, weil ihr Fleisch verdorben war", erzählte Bürgermeister.

Besorgt um ihre Sicherheit erwägen Tocktoo und die Gemeinde, das Land ihrer Väter zu verlassen und das Dorf auf das Festland zu verlegen. Wann und wohin der Umzug gehen soll, steht noch nicht endgültig fest. Viele Einwohner favorisieren Tin Creek, 18 Kilometer vom Heimatdorf und nur drei Kilometer von der Küste entfernt. Oberstes Gebot für die Menschen von Shishmaref ist nach Worten des Bürgermeisters, "dass wir eine Gemeinschaft bleiben und dass unsere Werte und Traditionen erhalten bleiben".

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