Süddeutsche Zeitung

Klimawandel:Untertan Erde

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Wissenschaftler stellen Überlegungen an, ob man das Klima der Erde nicht auch aktiv verändern kann, statt nur auf die Minderung von Treibhausgasen zu setzen.

Christopher Schrader

"Seit 20 Jahren spreche ich über dieses Thema", sagt Thomas Schelling. "Meist haben mich die Leute für verrückt gehalten. Oder für gefährlich. Oder beides." Die Reaktion des Publikums zeigt: Viele der anwesenden Experten haben ähnliches erlebt wie der Ökonom von der University of Maryland.

Aber nun fühlen sie sich rehabilitiert: Auf dem Klimakongress, der am Donnerstag in Kopenhagen zu Ende ging, gehörten sie zum offiziellen wissenschaftlichen Programm, jene Forscher, die erkunden, ob man das Klima der Erde nicht auch aktiv verändern kann, statt nur auf die Minderung von Treibhausgasen zu setzen.

Forscher wie Thomas Schelling planen nicht wie Schurken in einem James-Bond-Film, die Welt ins Chaos zu stürzen. Sie erkunden, wie sich der Klimawandel mit technischen Maßnahmen ausgleichen ließe. Dieses "Geo-Engineering" könnte beispielsweise bedeuten, für 100 Milliarden Dollar pro Jahr Schwefel in die Atmosphäre zu pumpen. Oder eine Flotte ferngesteuerter Segelschiffe auszurüsten, die Salzwasser in die Luft blasen. Oder zwei Millionen Arbeiter in Wälder zu schicken, um totes Holz zu vergraben.

Die aberwitzigen Dimensionen solcher Ideen sind den Forschern bewusst: David Keith von der Universität im kanadischen Calgary hat solche Eingriffe in einem Gast-Kommentar in der New York Times "Gott spielen mit dem Klima" genannt.

Und doch fordern Keith und Schelling, der 2005 den Wirtschafts-Nobelpreis erhalten hat, mit großem Selbstbewusstsein, die Chancen von Geo-Engineering endlich gründlich zu erforschen. "Es gibt so viel Halbwissen darüber", sagt der Kanadier Keith, "dass wir endlich genau klären sollten, was diese Techniken ausrichten."

Gefährlich sei nämlich das dumpfe Gefühl in Politikerköpfen, im schlimmsten Fall könnte man ja immer noch "das mit dem Schwefel" machen - was dann womöglich doch nicht funktioniert. Zahlenspiele lassen die Manipulation des Klimas attraktiv erscheinen. Nur fünf Dollar könnte es kosten, per Geo-Engineering den Effekt einer Tonne Kohlenstoff in der Atmosphäre auszugleichen - den Ausstoß von Treibhausgasen in gleicher Menge zu reduzieren, verschlingt mehr als 100 Dollar.

Keith will die Möglichkeiten zumindest erforscht wissen. "Wenn Geo-Engineering nicht funktioniert, haben wir das vom Tisch. Und wenn es nach zwei Jahrzehnten von Experimenten klappt, gibt es eine Reservestrategie für den Fall, dass wir die Anforderungen an den Klimaschutz unterschätzen."

Er wirbt um Vertrauen: Niemand in seinem Forschungsfeld nehme ernsthaft an, man könne mit gezielter Klimamanipulation auf die Reduktion des Kohlendioxids verzichten. "Das ist kein Ersatz für die Kontrolle der Treibhausgase." Er gibt aber zu, dass sein Forschungsprogramm irgendwann missbraucht werden könnte - womöglich von Politikern, die mit Geo-Engineering auf unredliche Weise CO2-Reduktionen umgehen möchten.

Der Traum vom globalen Heizungsregler

Genau darum lehnen Umweltorganisationen die Forschung ab, sagt David Santillo von dem Labor, das Greenpeace an der Universität in Exeter unterhält. "Die Politiker der Welt träumen von einem globalen Thermostaten, den sie einfach nur runterregeln müssen." Die Illusion, man könne das Klima durch Manipulation in Ordnung bringen, werde die Regierungen von notwendigen Abkommen ablenken, fürchtet er.

Im Dezember treffen sich die Staaten der Welt ebenfalls in Kopenhagen, um einen Nachfolgevertrag für das Kyoto-Protokoll zu beraten. "Hier im Raum wissen zwar alle, dass die Erforschung von Geo-Engineering die Bemühungen zum Klimaschutz nicht bremsen darf,", sagt Santillo, "aber sie wird genau das tun."

Unbeeindruckt von solchen Mahnungen präsentierten etliche Forscher Details ihrer Ideen. Ning Zeng von der University of Maryland zum Beispiel möchte totes Holz im Wald vergraben. Verrotte es an der Oberfläche, werde schließlich der vorher gebundene Kohlenstoff wieder frei.

Das könne man verhindern, wenn Arbeiter das Holz einmal pro Jahr einsammeln und in Gräben mit Erdboden bedecken. Um einen Effekt zu erzielen, seien weltweit 200.000 Teams von zehn Waldarbeitern nötig, die pro Tag 30.000 Gruben ausheben und füllen.

Genaue Vorstellungen hat auch Stephen Salter von der Universität Edinburgh. Er möchte ferngesteuerte Segelschiffe ausrüsten, die kleine Tröpfchen Meerwasser in die Luft blasen. Etwa fünf Prozent des darin enthaltenen Salzes steigt in die Wolken auf und bildet dort Kondensationskeime.

Die Wolken werden stabiler und heller und reflektieren mehr Sonnenlicht, die Erde darunter kühlt ab. Salter rechnet damit, dass 2000 Tonnen Wasser pro Stunde genügen, um die aktuelle globale Erwärmung auszugleichen. Später könnten aber auch eine Million Tonnen pro Stunde nötig werden, wenn die Kohlendioxid-Emissionen weiter steigen. Der Ingenieur entwirft sogar schon einen Prototyp: Er ist dabei, einen Trimaran umzurüsten.

Salters Schiffe bringen das Weltklima aber keinesfalls in die Zeit vor der industriellen Revolution zurück, zeigt Phil Rasch vom Pacific Northwest Nationallabor im US-Staat Washington. Er hat den Effekt des Salzwassersprühens in einem Klimamodell im Computer nachgestellt. Zwar lasse sich die Temperatur reduzieren, aber das Muster der Niederschläge ändere sich: In den Tropen falle weniger Regen.

Ein großer Vorteil der Salzdüngung sei immerhin, dass die zusätzlichen Kondensationskeime in den Wolken keine lange Lebensdauer haben. Stoppt man die Schiffe, endet auch die Manipulation innerhalb von Tagen.

Das gilt im Prinzip auch für die Schwefel-Methode, allerdings bleiben die künstlich eingebrachten Partikel etwa zwei Jahre in der Luft. "Der große Vorteil beim Schwefel ist", sagt David Keith, "dass wir Daten haben." 1991 nämlich explodierte auf den Philippinen der Vulkan Pinatubo und spie 17 Millionen Tonnen Schwefel.

Das kühlte die Erde für zwei Jahre ab, bevor die Erwärmung weiterging. Beim Geo-Engineering müsse man Jahr für Jahr ein Drittel dieser Menge in die Atmosphäre injizieren, sagt Stenchikov. Aber die Lehren vom Pinatubo zeigen ebenfalls, welche unerwünschten Folgen solche Eingriffe haben können. Damals hatte der Vulkanausbruch eine an sich natürliche Phase extremer Wetterereignisse verstärkt. Trockenheit in Südostasien und Starkregen in Peru waren nur einige der Folgen.

Forscher im Dilemma

Solche Fernwirkungen stürzen die Forscher ins Dilemma. "Wer soll die Verfahren kontrollieren?", fragt David Caldeira von der Carnegie Institution an der Stanford University und warnt nur halb scherzend vor einem kaum legitimierten Machtkartell.

Das Problem wird noch dadurch verschärft, dass im Prinzip einzelne Staaten ein eigenes Geo-Engineering-Programm mit globalen Folgen starten könnten. "Es ist billig, einfach, und es braucht nur eine Regierung, die vermessen oder verzweifelt genug ist", warnt der Jurist David Victor von der Stanford University in der aktuellen Ausgabe des Politik-Journals Foreign Policy.

Langen Aufschub dulde die Frage nicht, "wer da das Sagen hat", ergänzte Thomas Schelling in Kopenhagen. "Wie man ein Forschungsprogramm plant und startet, wird zum Präzedenzfall für die spätere Anwendung der Ergebnisse. Wenn die USA jetzt im Alleingang mit Experimenten beginnen, was soll später andere Staaten daran hindern, die Ergebnisse im Alleingang anzuwenden?" Darauf wusste im Saal L des Kopenhagener Konferenzzentrums niemand eine Antwort.

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SZ vom 13.03.2009/mcs
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