Süddeutsche Zeitung

SZ-Klimakolumne:Welche Verantwortung tragen Konzerne an der Klimakrise?

Immer häufiger werden Konzerne auf Schadenersatz verklagt, weil ihre Geschäftsmodelle CO₂ verursachen. Würden Gerichte darauf eingehen, hätte das enorme Folgen.

Von Thomas Hummel

Das Sabin Center for Climate Change Law der Columbia Law School hat sich vorgenommen, weltweit die Rechtsverfahren rund um die Klimakrise zu dokumentieren. Es sind Hunderte, oftmals gegen Staaten. Aber auch viele gegen Unternehmen. In Deutschland etwa gegen Wintershall Dea, BMW, VW, Mercedes, RWE.

Die Frage, die sich hier auftut: Müssen Unternehmen, die mit fossilen Brennstoffen und dem folgenden Ausstoß von CO₂ ihr Geld verdienen, damit die Erderwärmung verursachen, für den daraus entstehenden Schaden aufkommen? Falls ja, hätte das enorme Folgen für unser Wirtschaftssystem.

In dieser Woche haben mein Kollege Wolfgang Janisch, Experte für Rechtsfragen, und ich einige dieser Fälle beleuchtet (SZ Plus). Am Montag reichten vier Bewohner der indonesischen Insel Pari vor dem Kantonsgericht in Zug Klage gegen den dort ansässigen Zementriesen Holcim ein. Holcim ist nach einer Berechnung des Climate Accountability Institute in den USA für 0,42 Prozent der gesamten historischen Emissionen seit der Industrialisierung verantwortlich. Die Indonesier fordern nun 0,42 Prozent ihrer Kosten für Schäden und Schutzmaßnahmen sowie eine Entschädigung für ihre psychischen Probleme, weil ihre Insel immer mehr im Meer versinkt. 14 700 Schweizer Franken insgesamt. Ein Witz für einen Milliardenkonzern wie Holcim. Falls er aber zahlt, dürften viele weitere Klagen folgen.

Unter dem Eindruck von erwarteten Rekordgewinnen der großen Öl- und Gaskonzerne (BP, Shell, Total, Exxon Mobil und Chevron erzielten im vergangenen Jahr etwa 200 Milliarden Dollar Gewinn), hat Mia Mottley, Premierministerin von Barbados, schon bei der Weltklimakonferenz im November gefordert, diese Firmen müssen an den Kosten beteiligt werden, die die Klimakrise auslöst. Die Schweizer Rechtsanwältin Nina Burri, die die vier Indonesier vertritt, sagt: Man könne jetzt den Anteil der Verantwortung von solchen Konzernen für den Klimawandel messen. "Alle wissen, was Sache ist", so Burri. Wenn man vorsätzlich und fahrlässig CO₂ emittiere, dann sollte man dafür zur Verantwortung gezogen werden.

Es wird spannend, wie die Gerichte entscheiden. Vielleicht gelingt der Justiz, was die Politik oft nicht schafft: dass endlich ausreichend in klimaneutrale Techniken investiert wird und die Emissionen runtergehen.

Um Letzteres zu erreichen, setzen manche Unternehmen auch auf CO₂-Zertifikate. Mit dem Geld werden beispielsweise Wälder geschützt und neu gepflanzt, oder Familien in Entwicklungsländern bekommen effizientere Öfen geschenkt. Es gibt jedoch erhebliche Zweifel daran, ob solche Projekte immer so viele Emissionen einsparen wie sie behaupten, wie mein Kollege Christoph von Eichhorn in der Wochenendausgabe (SZ Plus) berichtet.

(Dieser Text stammt aus dem wöchentlichen Newsletter Klimafreitag, den Sie hier kostenfrei bestellen können.)

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