Klimawandel:Schwitzende Berge, unter Schwindsucht leidende Patienten

Klimawandel: Der Großglockner, Österreichs höchster Berg, und - weiter unten - die Pasterze, der noch immer längste Gletscher der Ostalpen.

Der Großglockner, Österreichs höchster Berg, und - weiter unten - die Pasterze, der noch immer längste Gletscher der Ostalpen.

(Foto: Gesellschaft für ökologische Forschung/Greenpeace)

Der vergangene Sommer hat den Gletschern in den Alpen besonders stark zugesetzt. Auch die Eisflächen in Asien schmelzen in rapidem Tempo ab.

Von Dominik Prantl

Der Winter ist zurückgekehrt an die Kaiser-Franz-Josefs-Höhe auf 2369 Metern, mit Minusgraden und Schneetreiben. Den Gipfel des Großglockner, Österreichs höchster Berg, umwabern dicke Wolken; weit unten lässt sich schemenhaft die ziemlich verdreckt wirkende Pasterze erkennen, der noch immer längste Gletscher der Ostalpen.

Alleine die Gletscherzunge misst vier Kilometer, an seiner dicksten Stelle ist das Eis 200 Meter mächtig. "Solche Tage mit Schneefall sind im Sommer eigentlich für den Gletscher wichtig", sagt Gerhard Lieb. Doch 2017 waren es zu wenige, die Pasterze hat harte Monate hinter sich.

Lieb ist Professor für Geografie an der Universität Graz und leitet gemeinsam mit seinem Kollegen Andreas Kellerer-Pirklbauer den Gletschermessdienst des Österreichischen Alpenvereins. Er kommt außerdem schon seit Jahrzehnten immer Mitte September an die Pasterze, um sie mit seinem Team genau dann zu vermessen, bevor die kürzeren, kälteren Tage eine Wende im jährlichen Zyklus des Eises einleiten.

Und auch wenn die genauen Ergebnisse erst Anfang des nächsten Jahres zu erwarten sind, hat er wie schon seit Jahrzehnten keine guten Nachrichten für den unter Schwindsucht leidenden Patienten: "Die ersten Signale gehen in die Richtung, dass sogar die Werte des Sommers 2003 erreicht werden." Gemäß der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) waren in der 251-jährigen Messgeschichte Österreichs nur zwei Sommer überhaupt wärmer als der vergangene.

Die wahren Folgen der heißen Monate auf das Eis sind noch gar nicht abzusehen

Die spektakulären und unmittelbaren Folgen der hohen Temperaturen für die Gletscher haben es längst über die Alpen hinaus in die Medien geschafft: der wegen Hitze eingestellte Sommerskibetrieb am Stilfser Joch zum Beispiel, vor allem aber die Funde von mehreren Gletscherleichen in den Stubaier Alpen, am Tsanfleuron-Gletscher oder auch am Mont-Blanc-Massiv. Die wahren Auswirkungen wird man laut Lieb allerdings erst in mehreren Jahrzehnten spüren. "Wenn wir rein nach den Temperaturen gehen, müssten die Gletscher schon viel kleiner sein."

Doch reagiert ein relativ großer Alpengletscher wie die Pasterze auf Temperaturanstiege vor allem auch zeitverzögert - ähnlich einem aus dem Tiefkühlschrank geholten Eisblock, der keineswegs sofort auftaut. "Während wir an kleineren Gletschern massive Rückgänge erwarten, verliert die Pasterze wahrscheinlich nicht viel mehr als im langjährigen Mittel an Länge", sagt Lieb. Selbst dieser Mittelwert betrug in den vergangenen zehn Jahren etwa 40 Meter pro Jahr, der Verlust der Eisdicke lag bei durchschnittlich 4,7 Metern.

Neben der Temperatur und der Größe des Gletschers spielen zudem noch ganz andere Faktoren eine Rolle, denen bislang wenig Beachtung geschenkt wurde und die derzeit eine genaue Prognose über die Lebensdauer der Gletscher erschweren. So berücksichtigt eine neue, im Fachjournals Nature publizierte Studie über den Gletscherrückgang in den Gebirgen Asiens beispielsweise auch die Schuttbedeckung des Eises, durch die sich die Schmelze verzögert.

Dennoch gehen die Autoren davon aus, dass die Gletscher Asiens bis zum Ende des Jahrhunderts selbst dann gut ein Drittel ihres Eises verlieren, wenn der globale Temperaturanstieg auf sehr optimistisch einzuschätzende eineinhalb Grad Celsius beschränkt werden kann.

Für Lieb ist jedenfalls klar, dass sich die Landschaft da unterhalb der Kaiser-Franz-Josefs-Höhe weiterhin ändern wird. Dass dort verglichen mit dem Jahr 1850 inzwischen Eis in Höhe von 250 Metern fehlt, versucht er auch positiv zu sehen: "Die Kulisse des Großglockner ist dadurch gewaltiger geworden."

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