Klimawandel:Nachhilfe für Kopenhagen

Belohnung fürs Abholzen: Forscher sind der Ansicht, dass beim Umgang mit Bio-Kraftstoffen negative Auswirkungen nicht eingerechnet werden. Das könnte dramatische Folgen haben.

Christopher Schrader

Auf der Tagesordnung des für Dezember angesetzten Klimagipfels in Kopenhagen fehlen zwei Punkte, sagen Forscher. In der dänischen Hauptstadt wollen Politiker aus aller Welt ein neues Abkommen über den Ausstoß von Kohlendioxid und anderer langlebiger Treibhausgasen beschließen.

Klimawandel: Klimaneutrales Biogas? Nicht immer, sagen Forscher, das hängt davon ab, wo das Pflanzenmaterial angebaut wird.

Klimaneutrales Biogas? Nicht immer, sagen Forscher, das hängt davon ab, wo das Pflanzenmaterial angebaut wird.

(Foto: Foto: Getty Images)

Direkt danach jedoch müssten sie einen Vertrag über die kurzlebige Schadstoffe wie Ruß und Ozon aushandeln, fordert Stacy Jackson von der Universität im kalifornischen Berkeley jetzt in Science (Bd.326, S.526, 2009). Diese seien in erheblichem Ausmaß für den Klimawandel verantwortlich und dürften nicht vernachlässigt werden.

In derselben Ausgabe des Magazins mahnt eine Gruppe von Forschern aus den USA und Österreich die Delegierten in Kopenhagen, einen "Buchhaltungsfehler" beim Umgang mit Bio-Kraftstoffen zu korrigieren, der dramatische Folgen für die Wälder haben könnte. "Es ist ein ernster Fehler, aber leicht zu beheben", sagt Timothy Searchinger von der Princeton University, einer der Autoren.

Zurzeit, heißt es in dem Aufruf, seien die Kohlendioxid-Emissionen von Stoffen wie Biogas für Kraftwerke und Biodiesel für Autos von der Bilanz ausgenommen. Die offizielle Begründung dafür ist, dass der Kraftstoff klimaneutral verbrennt; Pflanzen hätten beim Wachsen so viel CO2 aufgenommen wie bei der Nutzung frei wird.

Vermeintliche Klimawohltat

Ob das berechtigt ist, sagen die Autoren, hänge aber von den Umständen ab, unter denen das Pflanzenmaterial gewonnen werde. Geht es um Gras, das ohne Dünger auf unfruchtbarem Land wächst, sei die Ausnahme berechtigt. Wird hingegen Wald für Biokraftstoffe gerodet, leidet das Klima.

Werden die neuen Plantagen zudem intensiv gedüngt, könnte das entstehende Stickstoff-Dioxid im Lauf des Jahrhunderts sogar Kohlendioxid als wichtigstes Treibhausgas übertreffen, warnt ein anderer Artikel in Science (online).

Im schlimmsten Fall, zeigen Modellrechnungen, könnten alle Wälder des Planeten für Plantagen abgeholzt werden. Die betroffenen Länder dürften sich das dann auch noch als Wohltat für das Klima anrechnen lassen, warnt Searchinger.

Auch im europäischen und dem geplanten amerikanischen Handelssystem für Emissionsrechte sei der Buchhaltungsfehler enthalten. Biokraftstoffe würden dort freigestellt, aber niemand rechne die möglichen Veränderungen in der Landnutzung dagegen. Das bestätigt eine Sprecherin der deutschen Emissionshandelsstelle in Berlin; allerdings gelte das System in Europa nicht für Biokraftstoffe für Autos.

Mehrarbeit kommt womöglich auch auf Klimapolitiker zu, die glauben, ein Abkommen über Kohlendioxid sei die Lösung des Klimaproblems. "Kurzlebige Schadstoffe wie Ruß und Ozon machen in den kommenden 20 Jahren die Hälfte des Klimaproblems aus", sagt Stacy Jackson. Verhandlungen über diese Schadstoffe dürften kompliziert sein, räumt die Klimaforscherin ein.

Zum einen heizen manche der Stoffe das Klima auf, während andere für Kühlung sorgen. Zum anderen werden die kurzlebigen Substanzen nicht über die ganze Welt verteilt wie CO2. Ein globaler Vertrag müsste daher regional ausgerichtet sein.

Malte Meinshausen vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung ist allerdings nicht begeistert von dem Vorstoß der Kollegin aus Berkeley. Er hält den Einfluss der kurzlebigen Substanzen für geringer und warnt vor allem davor, einen Nebenschauplatz aufzumachen. Die Diskussion über Ruß und Ozon reduziere den politischen Druck, das wichtigere Abkommen zu CO2 abzuschließen.

Frances Moore von der Yale University hingegen sagt, ein Abkommen über kurzlebige Schadstoffe könne die Erwärmung der Erde verringern, während ein CO2-Vertrag die Aufheizung zunächst nur bremst.

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