Klimawandel:Meeresspiegel steigt schneller als befürchtet

Klimawandel: Abschmelzendes Eis im Osten Grönlands

Abschmelzendes Eis im Osten Grönlands

(Foto: John McConnico/AP)

Die Erderwärmung nimmt weiter zu und der Meeresspiegel wird stärker ansteigen als bislang angenommen. Und auch wenn die Temperaturen, die der Weltklimarat IPCC in seinem neuen Bericht vorstellt, sehr weit auseinanderliegen: Damit die optimistischsten Vorhersagen eintreten, muss sich die Weltgemeinschaft anstrengen.

Der Weltklimarat IPCC warnt in seinem neuen Sachstandsbericht vor einem um gut ein Drittel höheren Anstieg des Meeresspiegels als bislang prognostiziert. Demnach wird er bis 2100 - je nach Szenario - um 26 bis 82 Zentimeter steigen.

"Während sich die Ozeane erwärmen und Gletscher und Eisdecken schmelzen, wird der globale Meeresspiegel weiter steigen, aber schneller, als wir es in den vergangenen 40 Jahren erlebt haben", erklärte einer der Co-Vorsitzenden der zuständigen IPCC-Arbeitsgruppe 1, Qin Dahe.

Und bis zum Ende dieses Jahrhunderts wird sich die Atmosphäre im Vergleich zum Referenzzeitraum 1986 bis 2005 um 0,3 bis 4,8 Grad erhöhen. Die breite Spanne, die zwischen diesen Zahlen liegt, darf nicht missverstanden werden. Sie ist kein Zeichen dafür, dass sich die Wissenschaftler uneinig seien.

"Es gibt keine berechtigten Zweifel daran, dass die globale Mitteltemperatur auf Dauer steigt", erklärte etwa Ottmar Edenhofer vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und Leiter der Arbeitsgruppe 3 des IPCC kürzlich der SZ. Auch sind die Wissenschaftler sich einig, dass die Menschen die Hauptverantwortlichen für die globale Erwärmung sind. Es könne davon ausgegangen werden, dass die seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts gestiegenen Temperaturen zu 95 Prozent auf die Menschheit zurückzuführen seien, sagten Delegierte des UN-Gremiums namhafter Klimaforscher. 2007 hatte das Gremium die Wahrscheinlichkeit noch mit 90 Prozent angegeben.

Sea level rise in the Netherlands

Ein Anstieg des Meeresspiegels würde zum Beispiel die Küste der Niederlande verändern. Diese Karte zeigt die Folgen eines Anstiegs von 0,65 und 1,3 Metern.

(Foto: ESA/EAPRS/De Montfort University)

Aber die Veränderungen der Temperatur und des Meeresspiegels hängen davon ab, welche Mengen an Treibhausgasen noch in die Atmosphäre gelangen. Geschieht zu wenig, wird die Temperatur deutlich stärker steigen als um die zwei Grad, auf die die Weltgemeinschaft die Zunahme bis 2100 eigentlich beschränken will. Bei einem Temperaturanstieg um mehr als zwei Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter fürchten Wissenschaftler kaum beherrschbare Umweltfolgen.

Im Vergleich zum letzten Bericht von 2007 deuten die Zahlen auf eine größere Ungewissheit in Bezug auf die Erderwärmung hin. So könnte sie etwas weniger zunehmen als damals befürchtet wurde, aber sie könnte auch stärker steigen. Ein Grund zur Beruhigung ist das nicht. Die Weltgemeinschaft hatte bisher große Schwierigkeiten, die globalen Emissionen einzuschränken. Klimaschützer befürchten deshalb, dass die Temperatur eher den pessimistischen Prognosen entsprechend zunehmen wird.

Auch dass die Temperatur seit einigen Jahren nicht weiter zugenommen hat, sei kein Grund zur Beruhigung, sagen die Wissenschaftler. Inzwischen gibt es gute Erklärungen für dieses Phänomen. So nehmen derzeit die Ozeane viel Wärme auf. Aber damit wird es irgendwann vorbei sein, und dann werde die Temperatur der Atmosphäre wieder messbar steigen.

In Bezug auf den Meeresspiegel liegt die Vorhersage für den minimalen Wert deutlich höher als 2007, als die IPCC-Experten noch von 18 Zentimetern ausgingen. Und die damals schlimmsten Befürchtungen von 59 Zentimetern liegen deutlich unter der neuen Prognose von 0,82 Metern. Das liegt daran, dass diesmal - anders als vor fünf Jahren - die schmelzenden Eisschilde auf Grönland und in der Antarktis berücksichtigt wurden. Und wie Beobachter berichten, hat der IPCC einige Studien von Experten, die einen noch stärkeren Anstieg des Meeresspiegels vorhersagen, sogar ausgeklammert.

"Die Herausforderung ist noch größer und dringender als gedacht"

Am Donnerstag hatte die Chefin des UN-Klimasekretariats in New York, Christiana Figueres, bereits erklärt, der neue Klimabericht werde ein Weckruf sein. "Er wird zeigen, dass alles, was wir bisher wussten, das Problem unterschätzt hat. Es geht schneller, als wir dachten, und die Effekte sind stärker, als wir dachten."

Es gebe "keinen Zweifel daran", dass der Bericht der Klimaexperten "allen zeigen werde, dass die Herausforderung noch größer und dringender als gedacht" sei, sagte Figueres am Donnerstag am Rande der UN-Vollversammlung in New York.

Entscheidend sei, wie die Regierungen mit dieser Herausforderung umgingen. Die bislang getroffenen Maßnahmen zur Verringerung des Treibhauseffekts reichten nicht aus. Internationales Ziel ist es, die Klimaerwärmung bis Ende des Jahrhunderts auf maximal zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen.

Nach den Erfahrungen mit dem vorherigen IPCC-Bericht, der für einige Fehler heftig kritisiert worden war, hatten die Fachleute diesmal alle Studien, die berücksichtigt wurden, noch sorgfältiger geprüft.

"Die Erwärmung des Klimasystems ist eindeutig, und seit den 1950er Jahren wurden viele Veränderungen beobachtet, die ohne Beispiel sind in den vergangenen Jahrzehnten und Jahrtausenden", fasst der IPCC-Bericht seine Erkenntnisse zusammen. "Atmosphäre und Ozeane haben sich erwärmt, die Schnee- und Eismengen haben sich verringert, der Meeresspiegel und die Konzentration der Treibhausgase sind angestiegen."

Als letzter Stand der Erkenntnisse gilt nun, dass die durchschnittliche Lufttemperatur im Vergleich zum vorindustriellen Niveau (1880) bis 2012 bereits um 0,85 Grad zugenommen hat. "In jedem der vergangenen drei Jahrzehnte war es an der Erdoberfläche wärmer als im jeweils vorherigen und in jedem dieser Jahrzehnte war es wärmer als in jedem vorherigen seit 1850", heißt es im IPCC-Beicht. "Auf der Nordhalbkugel war die Zeit von 1983 bis 2012 wahrscheinlich die wärmste 30-Jahres-Periode der vergangenen 1400 Jahre."

Der Meeresspiegelanstieg sei "in der Zeit von 1901 bis 2010 weltweit im Schnitt um 0,19 (0,17 bis 0,21) Meter gestiegen", schreiben die Experten in ihrem Bericht.

Darüber hinaus gehen die Experten davon aus, dass etwa Hitzewellen sehr wahrscheinlich öfter auftreten und länger anhalten", teilte der Weltklimarat IPCC mit, dessen Abkürzung für Intergovernmental Panel on Climate Change steht. Im Zuge der Erderwärmung erwarten die Wissenschaftler, dass feuchtere Regionen auf der Welt mehr Niederschläge und trockenere noch weniger abbekommen - auch wenn es Ausnahmen geben werde.

Die am Bericht des Weltklimarats beteiligten Forscher und Regierungsvertreter haben seit Montag um den genauen Wortlaut wichtiger Kernaussagen im inzwischen fünften Weltklimabericht gerungen. Die Verhandlungen bildeten die letzte von vielen Prüfungsstufen, denen sich der Report des Weltklimarates IPCC unterziehen muss.

Über sechs Jahre haben Hunderte Wissenschaftler Zehntausende Studien gesichtet. Schließlich ist das aus insgesamt drei Teilen bestehende und 2000 Seiten umfassende Dokument wichtige Grundlage für die politischen Verhandlungen über ein weltweites Klimaschutzabkommen. Etwa 200 Staaten haben sich dazu verpflichtet, bis Ende 2015 eine UN-Vereinbarung mit dem Ziel auszuarbeiten, dem Klimawandel entgegenzusteuern.

Während der jetzt vorgestellte erste Teil des Reports wissenschaftliche Grundlagen des Klimawandels behandelt, konzentrieren sich Teil zwei und drei auf dessen Auswirkungen und die politischen Möglichkeiten, den Wandel zu bremsen. Diese Teile werden im Frühjahr 2014 in Japan und Berlin vorgestellt.

Zum IPCC-Webcast

In einer früheren Fassung war hier zu lesen, es wäre ein Temperaturanstieg von 0,3 bis 4,8 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Niveau zu erwarten. Der Referenzzeitraum für diese Zahlen ist allerdings die Zeit von 1986 bis 2005.

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