Klimawandel:Inseln mit Rettungsring

Die Malediven könnten aufgrund des Klimawandels untergehen. Doch gesunde Korallenriffe und Mangrovenwälder wären für die Atolle eine Überlebensgarantie.

Reinhold Leinfelder

Der neue Präsident der Malediven, Mohammed Nasheed, sucht ein Exil für die 360.000 Bewohner seines Inselreichs. Er befürchtet, dass die Malediven aufgrund des Klimawandels untergehen könnten.

Klimawandel: Die Malediven aus dem All betrachtet. Korallenriffe könnten die Inseln retten.

Die Malediven aus dem All betrachtet. Korallenriffe könnten die Inseln retten.

(Foto: Foto: Nasa)

Der Meeresspiegel steigt global um circa drei Zentimeter pro Jahrzehnt an, wie man aus Satellitenmessungen weiß. Allerdings ist es durchaus möglich, dass es in Zukunft schneller geht. Immer öfter überfluten Hochseewellen die nur zwei Meter hohen Inselchen vor der Südspitze Indiens.

Gesunde Korallenriffe und gesunde Mangrovenwälder wären für die Malediven eine Überlebensgarantie. Die Erdgeschichte zeigt, dass Korallenriffe bei steigendem Meeresspiegel besonders stark wachsen. So war es vor 400 Millionen Jahren im Devon, vor 150 Millionen Jahren in der Jura-Zeit und auch in den vergangenen 8500 Jahren, in denen das schmelzende Eis der letzten Eiszeit den Wasserpegel anhob.

Tatsächlich verdanken die Malediven dem steigenden Meeresspiegel sogar ihre Entstehung. Zu Beginn wuchsen die Korallenriffe in der Region um mehr als 15 Meter in 1000 Jahren. Seit etwa 6000 Jahren allerdings werden sie bedeutend langsamer höher, weil sich der Anstieg des Meeresspiegels verlangsamt hat.

Dennoch produzierten Steinkorallen und Kalkalgen Kalk im Überschuss. Dieser wurde zu Sedimentanhäufungen zusammengeschwemmt und bildet die heutigen Inseln der Malediven, die vor etwa 4000 Jahren entstanden sind.

Mangroven befestigten die neuen Strände und halfen, den Kalksand festzuhalten. Korallenriffe und Mangroven schützten die neu geschaffenen Inseln gemeinsam vor Erosion. Diesen Mechanismus gibt es auch heute noch: Wenn der Meeresspiegel steigt, wachsen die Korallenriffe einfach mit, die Mangroven fangen den Sturmsand ein, der Inseln am Rand sogar vergrößert. Pazifische Korallenriffe können deshalb aller Wahrscheinlichkeit nach mit jedem denkbaren Meeresspiegelanstieg mithalten.

Flughafen und Hotels aus Kalk

Doch auf den Malediven sind Korallenriffe und Mangroven geschädigt. Mit zunehmendem Tourismus in den sechziger und siebziger Jahren wurden die traditionellen Palmhütten durch feste Häuser ersetzt. Als Baumaterial benutzte man Korallenskelette aus den Riffen.

Der Flughafen der Hauptstadt Malé wurde fast komplett aus Riffkalk gebaut; noch immer werden für den Bau von Hotels und Straßen enorme Mengen Kalk aus den Riffen oder von unbewohnten Inseln abgebaut. Nach Schätzungen sind es jedes Jahr zwischen 200.000 und einer Million Kubikmeter. Auch wurden viele Mangrovenwälder abgeholzt, um Unterkünfte für Touristen zu bauen.

Dazu kommt, dass der Klimawandel die Wassertemperaturen ansteigen lässt, was die Korallenriffe direkt schädigt. Im Jahr 1998 stiegen die Wassertemperaturen vor den Malediven wegen ungewöhnlicher Ozean-Strömungen auf mehr als 40 Grad. Im flachen Wasser starben zwischen 70 und 98 Prozent aller Korallen ab. Inzwischen sehen die Riffe zwar wieder bunt aus, in Teilen sogar bunter als je zuvor.

Doch das Bild täuscht. An vielen Orten haben sich Weichkorallen, Weichschwämme und Algen angesiedelt, die zum Küstenschutz nichts beitragen. Auch die für das Riffwachstum wichtigen Steinkorallen erholen sich zwar in ungestörten Regionen - aber nur langsam.

Um den Untergang der Malediven und anderer Inselstaaten zu verhindern, müsste der globale Temperaturanstieg gebremst werden. Fast ebenso wichtig wäre aber der natürliche Küstenschutz vor Ort. Riffverträglicher Tourismus sowie die Einrichtung und vor allem die Überwachung mariner Schutzgebiete könnten die Korallenriffe der Malediven und andernorts wieder gesunden lassen.

Der neue Staatspräsident sollte sich für die nachhaltige, umweltverträgliche Nutzung seines Naturparadieses einsetzen. Dafür sollte er seinen aus Tourismusgeld gespeisten Staatsfonds verwenden, nicht für Reisetickets seiner Bevölkerung in andere Länder.

Prof. Dr. Reinhold Leinfelder ist Generaldirektor des Museums für Naturkunde Berlin. Der Riffwissenschaftler hat die Sonderausstellung "abgetaucht" organisiert, die noch bis 7.12.2008 im Berliner Museum zu sehen ist; im nächsten Jahr kommt sie nach Stuttgart und München.

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