In Deutschland gibt es sie schon lange, jetzt attackieren Kriebelmücken offenbar auch die Menschen am Gardasee. Vor allem in dessen südlichem Teil greifen Berichten zufolge seit gut einer Woche große Schwärme kleiner schwarzer Blutsauger an. Zu Beginn war die Rede von Sandmücken; mutmaßlich handelt es sich bei den lästigen Insekten aber um Kriebelmücken. Italienischen Medien zufolge soll es mancherorts so schlimm gewesen sein, dass die Menschen sich nicht mehr im Freien aufhalten konnten.
Erst kürzlich haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Goethe-Universität und des Senckenberg-Biodiversität-und-Klima-Forschungszentrums in Frankfurt am Main vor einer Ausbreitung der zwei bis sechs Millimeter kleinen Blutsauger gewarnt. Grund dafür sei unter anderem der Klimawandel, schreiben die Forschenden in der Fachzeitschrift Science of the Total Environment. Vor allem medizinisch relevante Arten könnten in Deutschland häufiger auftreten, warnen die Forschenden in ihrer Untersuchung.
„Durch die von den Mücken in die Wunde eingetragenen gerinnungshemmenden und betäubenden Substanzen können die Stiche schwerwiegende allergische Reaktionen auslösen, oder es kann zu bakteriellen Sekundärinfektionen kommen“, sagt Sven Klimpel vom Senckenberg-Forschungszentrum laut einer Presseerklärung der Goethe-Universität. Viele Arten übertragen beim Blutsaugen zudem Erreger verschiedener Infektionskrankheiten. Am bekanntesten ist der Fadenwurm Onchocerca volvulus, der aber weder in Deutschland noch in Italien überlebensfähig ist. Er verursacht die als „Flussblindheit“ bekannte Onchozerkose, aufgrund derer nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bereits mehr als eine Million Menschen erblindet sind. In Europa sind bislang keine Fälle bekannt, in denen Kriebelmücken schwere Krankheiten übertragen haben.
Nur die Weibchen beißen
In Deutschland sind knapp 60 Arten von Kriebelmücken bekannt, aber nicht alle greifen Menschen an. Blutsauger sind ohnehin nur die Weibchen, da sie Bestandteile des Blutes für die Entwicklung der Eier brauchen. Die Männchen saugen in der Regel Nektar verschiedener Pflanzen. Die Weibchen entdecken ihre menschlichen Opfer, weil sie das Kohlendioxid in der Atemluft wahrnehmen, außerdem können sie ihre „Wirte“ sehen.
Wenn sich die Tiere auf der Haut niedergelassen haben, machen sie zunächst einen Probebiss, um zu testen, ob es sich um ein geeignetes Opfer handelt. Als sogenannte Poolsauger raspeln die Insekten mit ihren winzigen scharfen Zähnen die Haut auf und schlürfen dann das austretende Blut. Die Wunde juckt stark, und der betroffene Bereich ist oft größer als ein normaler Mückenstich. Trotz des starken Juckreizes sollte man aber möglichst nicht kratzen: Dadurch kann sich die Wunde infizieren, weil Bakterien hineingelangen. Im schlimmsten Fall kann es zur Blutvergiftung kommen. Statt zu kratzen, sollte man die Stelle deshalb besser kühlen oder ein antiallergisches Gel auftragen.
Die im englischen Sprachraum als Blackflies bekannten Kriebelmücken sind aber nicht nur wegen ihrer Bisse unangenehm. Manche Arten sind auch aufgrund ihres massenhaften Auftretens eine Plage. Wer in einen Kriebelmückenschwarm gerät, verschluckt oder inhaliert die Insekten, die in Mund oder Nase kriechen, fast zwangsläufig.
Sarah Cunze von der Goethe-Universität Frankfurt, Erstautorin der Studie, weist darauf hin, dass der Klimawandel nicht nur zur Folge hat, dass sich Kriebelmücken immer weiter ausbreiten, sondern auch, dass sie in immer größerer Zahl auftreten. Höhere Temperaturen hätten verkürzte Entwicklungszeiten, mehr Generationen pro Jahr und damit insgesamt mehr Kriebelmücken zur Folge, erklärt sie in der Pressemitteilung zu ihrer Untersuchung. Die gute Nachricht ist, dass Kriebelmücken mit ihren Zähnchen nicht durch Kleidung dringen können. Lange Ärmel und Hosen sind also ein wirkungsvoller Schutz. Anders als viele andere Mückenarten fliegen sie auch nicht in Häuser oder Wohnungen.