Süddeutsche Zeitung

Klimawandel in den USA:Der Tornado im Hinterhof

Heftige Niederschläge, steigende Temperaturen: Die Folgen der Erderwärmung sind auch in den USA längst spürbar. Ganze Landstriche sind bedroht, warnt ein Bericht der Obama-Regierung.

In den USA sind die Folgen der Erderwärmung einer neuen, umfassenden Studie der US-Regierung zufolge bereits konkret zu spüren. Genannt werden heftige Niederschläge, steigende Temperaturen und Meeresspiegel, schmelzende Gletscher und veränderte Flussläufe. Es handelt sich um die bislang deutlichsten Aussagen des Weißen Hauses zum Thema Klimawandel.

"Eine der wichtigen Botschaften, die wir vermitteln wollen, lautet, dass der Klimawandel nicht nur bereits stattfindet, sondern dass er hier bei uns zu Hause stattfindet", sagte einer der Hauptautoren der Studie, Jerry Melillo, am Dienstag bei der Vorstellung des Berichts. Deshalb konzentriere sich die Studie auch auf die USA, sagte der Wissenschaftler vom Meeresbiologischen Instituts in Massachusetts.

David Doniger vom National Resources Defense Council (NRDC) ergänzte: "Ein Tornado im eigenen Hinterhof gibt mehr zu denken als auf der anderen Seite der Erdkugel."

"Unterm Strich steht fest: Der Klimawandel beeinflusst schon Dinge, die uns wichtig sind", sagte John Holdren, Chef des Büros für Wissenschaftspolitik im Weißen Haus. Darauf deuteten Trends bei extremen Wetterphänomenen, Dürren und Waldbränden hin, heißt es in der Studie.

"Wir beginnen, in jeder Region die Auswirkungen des Klimawandels zu fühlen", sagte Holdren. Die Studie zeige, dass auf die Erderwärmung reagiert werden müsse - sowohl durch eine Verringerung des Ausstoßes klimaschädlicher Gase als auch durch Anpassung an die Veränderungen. "Gegenmaßnahmen sind eher früher als später nötig", sagte er.

Werde umgehend gehandelt, könnten die schlimmsten Folgen noch abgewendet werden, betonte er. Sollte dagegen nichts gegen die drohende Klimakatastrophe unternommen werden, droht dem Bericht zufolge eine Reihe dramatischer Entwicklungen.

Die Florida Keys könnten untergehen

Hitzewellen würden häufiger und intensiver werden. Heftigere Regenfälle führten zu mehr Überschwemmungen, steigende Meerestemperaturen bedrohten Korallenriffe und die damit verbundenen Ökosysteme. Waldbrände nähmen in den USA bereits jetzt zu und kämen bei steigender Erderwärmung noch öfter vor.

Durch steigende Meeresspiegel könnten die Inselgruppe der Florida Keys und die Everglades im Süden Floridas untergehen, sagte Holdren. "Es gibt einige kritische Schwellen, die bereits überschritten sind, und der Anstieg des Meeresspiegels ist ein gutes Beispiel", sagte der Direktor des Nationalen Zentrums für Klimadaten, Thomas Karl.

Ein Schwerpunkt des Berichts liegt auch auf den Problemen im Zusammenhang mit Niederschlägen: Weite Landesteile im Südwesten werden verstärkt unter Trockenperioden leiden, andere mehr Überschwemmungen bekommen. "Dies ist nichts Theoretisches, das in 50 Jahren passieren wird. Die Dinge passieren jetzt", sagte Co-Autor Anthony Janetos von der Universität Maryland der Nachrichtenagentur AP.

Einen Zeitrahmen, wann diese Entwicklungen eintreten könnten, nannte Bürochef Holdren aber nicht. Auch beinhaltet der Bericht keine konkreten politischen Gegenmaßnahmen.

An der Studie arbeiteten Wissenschaftler von rund einem Dutzend staatlicher Forschungseinrichtungen, großen Unis und unabhängigen Instituten mit. Der Bericht enthält keine neuen Forschungsergebnisse, er stützt sich vielmehr auf bekannte Veröffentlichungen in zahlreichen Fachzeitschriften und Studien, die er zu einem Gesamtbild zusammenfasst.

Die Negativereignisse nähmen mit fortschreitender Erderwärmung zu, schreiben die Autoren. So würden ganze Ökosysteme verändert, was Auswirkungen auf das Überleben einiger Arten haben könne.

Der US-Kongress berät derzeit ein umfangreiches Gesetzespaket über ein System zum Emissionshandel, das es in den USA bislang nicht gibt. Danach soll der Ausstoß von Treibhausgasen bis zum Jahr 2020 um 17 Prozent unter das Niveau von 2005 gedrückt werden und danach um 80 Prozent bis zum Jahr 2050. In Europa ist hingegen eine Reduzierung um 20 Prozent unter das Niveau von 1990 bis 2020 angepeilt.

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