Süddeutsche Zeitung

Klimawandel:Heizkissen unter Grönland

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In der Mitte von Grönland ist der Eispanzer 3000 Meter hoch. Klingt nach Kälte. Die Felsen darunter sind allerdings deutlich wärmer als gedacht.

Von Christopher Schrader

Grönland ist ein ganz besonderer Ort, auch und gerade unter dem Eispanzer, der sich in der Mitte der Insel 3000 Meter hoch über der Erdoberfläche auftürmt. Die Felsen dort sind offenbar deutlich wärmer als erwartet, hat ein internationales Forscherteam um Alexey Petrunin vom Geoforschungszentrum in Potsdam erkannt. Diese Werte seien auch wichtig, um die Reaktion des Eispanzers auf den Klimawandel zu verstehen ( Nature Geoscience, online).

Die unerwartete Wärme dringt aus dem Erdinneren hervor, weil die äußerste Schicht unter Grönland relativ dünn ist, wie Messungen der Forscher ergaben. Die sogenannte Lithosphäre ist nur 65 bis 100 Kilometer stark. In anderen Teilen der Welt, wo der Untergrund wie in Kanada ein ähnliches Alter hat, ist er teilweise viermal so dick. Zudem wird die oberste Schicht von Nordost nach Südwest immer dünner. Hier sei vermutlich vor 50 Millionen Jahren in der Tiefe eine Aufwellung heißen Gesteins durchgezogen, die heute unter Island steht, sagt Petrunin.

In der Folge erreichen die Temperaturen an manchen Stellen Werte, die das Eis von unten zum Schmelzen bringen. "Die Reibung zwischen Eis und dem darunterliegenden Gestein hängt stark von der Temperatur ab", sagt der Forscher. Sie verändere sich unter dem Eispanzer - auf einer nur 300 Kilometer langen Strecke zum Beispiel steigt sie um acht Grad Celsius. Unter dem dicksten Teil Grönlands heizt die Erde das Eis damit mit einer Leistung von etwa 60 Milliwatt pro Quadratmeter auf; an der Ostküste hingegen seien auch schon 100 Milliwatt pro Quadratmeter gemessen worden, sagt Petrunin. Sein Team nimmt daher an, dass sich die dünne Gesteinsschicht nach Osten hin, außerhalb des Messgebietes unter Zentralgrönland, weiter fortsetzt.

Die eigentliche Heizleistung ist dabei relativ klein im Vergleich zu der Sonneneinstrahlung von oben und dem Effekt der wärmeren Luft durch den Klimawandel.

Erstere wird in Hunderten Watt pro Quadratmeter gemessen, wovon aber das meiste vom Eis ins All reflektiert wird. Zweitere gibt der Weltklimarat IPCC im Entwurf zu seinem kommenden Bericht mit 2,4 Watt pro Quadratmeter an.

Wenn aber die Wärme aus der Tiefe das Tempo verändert, mit dem Gletscher in Grönland zum Meer fließen, müsste dieser Einfluss in Simulationen des Eisverlustes berücksichtigt werden, argumentieren Petrunin und seine Kollegen. Grönland verliert zurzeit etwa 230 Milliarden Tonnen Eis pro Jahr und trägt damit zu einem Viertel zum jährlichen Meeresspiegelanstieg von drei Millimeter bei.

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Quelle:
SZ vom 12.08.2013
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