Medizin:Klimakrise bedroht Gesundheit von Kindern weltweit

Dürre in Somalia

Ein Junge, der vor der Dürre in Somalia geflohen ist.

(Foto: dpa)
  • Kinder seien besonders anfällig für Gesundheitsrisiken durch den Klimawandel, weil sich ihr Körper und ihr Immunsystem noch in der Entwicklung befinden, so die Experten.
  • Besonders Infektionskrankheiten, Luftverschmutzung und Unterernährung werden zum Problem.

Von Tina Baier

Ein Kind, das heute zur Welt kommt, wird sein ganzes Leben lang mit Gesundheitsrisiken zu kämpfen haben, die der Klimawandel mit sich bringt. 120 Wissenschaftler haben in The Lancet eindrücklich zusammengefasst, wie sich die Situation künftig verschärfen wird. "Kinder sind besonders anfällig für Gesundheitsrisiken durch den Klimawandel, weil sich ihr Körper und ihr Immunsystem noch in der Entwicklung befinden", sagt Nick Watts, Geschäftsführer des als "Lancet Countdown" bekannten Berichts. Die größten Gefahren im Überblick.

Infektionskrankheiten

Am stärksten werden Kinder unter Infektionskrankheiten leiden, die sich aufgrund der höheren Temperaturen ausbreiten. Vibrio-Bakterien, Erreger von Durchfallerkrankungen, gedeihen in feucht-warmem Klima besonders gut. Bereits heute gibt es im Schnitt mehr als doppelt so viele Tage im Jahr wie in den frühen 1980ern, an denen die Bedingungen für die Erreger optimal sind. Besonders betroffen sind die Baltischen Staaten und der Nordosten der USA. Am meisten gefürchtet ist das Bakterium Vibrio cholerae, der Erreger der Cholera: Der Klimawandel mache Ausbrüche in Ländern wahrscheinlicher, in denen diese Krankheit sonst nicht vorkommt, so die Autoren des " Lancet Countdown". Ähnliches gilt für Viren, die von Mücken übertragen werden, wie etwa den Erreger des Dengue-Fiebers. Die Klimaerwärmung ermöglicht es den Mücken, sich in den Norden auszubreiten. Mittlerweile muss laut Bericht fast die Hälfte der Weltbevölkerung mit dem Risiko leben, an Dengue zu erkranken. In Deutschland wurden 2019 erste Infektionen mit dem West-Nil-Virus registriert.

Unterernährung

Die steigenden Temperaturen mindern schon jetzt die Ernteerträge. Weltweit werden vier Prozent weniger Mais, sechs Prozent weniger Winterweizen, drei Prozent weniger Soja und vier Prozent weniger Reis geerntet als vor 30 Jahren. Die gesundheitlichen Folgen von Unterernährung sind bei Kindern besonders drastisch und können sich in einem Wachstumsstopp, einem geschwächten Immunsystem und Entwicklungsstörungen äußern.

Luftverschmutzung

Kinder, die heute zur Welt kommen, werden als Jugendliche mehr "vergiftete" Luft einatmen als Heranwachsende im Jahr 2019, wenn weiterhin fossile Brennstoffe genutzt werden. Verschmutzte Luft beeinträchtigt die Funktion der Lunge, verschlimmert Asthma und erhöht das Risiko für Herzinfarkt oder Schlaganfall.

Allergien

Durch den Klimawandel verlängern sich die Blütezeiten von Pflanzen, was den Pollenflug verstärkt. "Allergien sind die häufigste chronische Erkrankung und haben einen hohen negativen Effekt auch auf die Leistungsfähigkeit in Schule und Beruf", sagt Torsten Zuberbier, der die Folgen von Allergien an der Berliner Charité erforscht.

Hitze

"Mehrere Hitzewellen in den vergangenen 20 Jahren in Deutschland haben gezeigt, dass Hitze ein Faktor bei der Erhöhung der Mortalität ist", sagt Andreas Matzarakis vom Deutschen Wetterdienst in Freiburg. Speziell für Deutschland habe eine Studie gezeigt, "dass wir in den Hitzesommern 2003, 2006 und 2015 in Deutschland zwischen 6000 und 7000 hitzebedingte Todesfälle zu verzeichnen hatten", sagt Alina Herrmann, Guest Researcher am Heidelberger Institut für Global Health. Die Hitze hat damit ähnlich viele Todesopfer gefordert wie die jährliche Grippewelle. Ein Kind, das im Jahr 2019 geboren wird, hat also nicht nur ein hohes Risiko, im Lauf seines Lebens krank zu werden. Die Klimakrise könnte auch der Grund dafür sein, dass es vorzeitig stirbt.

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