Süddeutsche Zeitung

Klimawandel:Führt der Klimawandel zu mehr Hochs?

  • In diesem Sommer folgten vier Hochdruck-Gebiete aufeinander.
  • Was fehlte, waren kräftige Höhenwinde, die sie hätten treiben können.
  • Wissenschaftler finden Belege, dass die Veränderungen in den Luftströmen mit dem Klimawandel zusammenhängen. Doch noch nicht alle Details sind verstanden.

Von Christopher Schrader

Gottfried, Helmut, Ingolf, Johannes - die Hitzewelle dieses Sommers trägt vier deutsche Männernamen. Vier Hochdruck-Gebiete in Folge bummelten Ende Juli und Anfang August drei Wochen lang über Deutschland herum, ohne von Tiefs aus dem Weg geboxt zu werden. Sie ließen die Temperaturen immer wieder auf über 30 Grad steigen, dörrten Äcker und Wälder aus. Was fehlte, waren kräftige Höhenwinde, die sie nach Osten hätten treiben können.

Die vier Hochs waren beispielhaft für ein Phänomen, das Meteorologen immer häufiger beobachten: Blockaden. Wettersysteme, ob Sonnenhochs oder Sturmtiefs, bleiben über einer Region hängen. Schon die Dauer, mit der sie auf die Landmasse einwirken, macht sie zu einem Extremereignis. "Wir haben durch die vom Menschen verursachte globale Erwärmung ohnehin steigende Temperaturen, die Hitzewellen und starke Regenfälle verstärken", sagt Dim Coumou vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. "Jetzt kommen noch die Veränderungen in den Luftströmen und andere Faktoren dazu." Der niederländische Wissenschaftler spricht darum von "extremen Extremen".

Was da am Himmel passiert, diskutieren Wissenschaftler seit Jahren. Coumou und einige Kollegen haben nun die eigene Forschung sowie die Erkenntnisse anderer Gruppen in einem Übersichtsartikel zusammengefasst (Nature Communications). Sie finden darin manche Belege, dass bereits die beobachteten Veränderungen in den Luftströmen mit dem Klimawandel zusammenhängen; allerdings sind etliche Details in den komplizierten Wirkungsketten noch offen. Für die Zukunft ist allerdings mit vermehrten Hitzewellen und anderen Extremereignissen zu rechnen, die auf solche Blockaden im Wettersystem zurückgehen.

Ein gemeinsamer Anfangspunkt ist die sogenannte arktische Verstärkung. Damit ist gemeint, dass sich die Nordpolarregion im Durchschnitt ungefähr dreimal so schnell erwärmt wie die gemäßigten Breiten. Meereis verschwindet, Gletscher in Grönland und Alaska schrumpfen, Permafrost der sibirischen Taiga taut langsam auf. Vieles davon ist geeignet, die eigene Ursache zu verstärken. Verschwindet zum Beispiel weißes Eis, kommt das dunklere Meer zum Vorschein und mehr Sonnenstrahlung wird absorbiert.

Wenn sich aber die Polarregion schneller erwärmt als gemäßigte Breiten, dann schrumpft das Temperaturgefälle dazwischen und bremst einen wichtigen Motor des Wetters. "Es gibt inzwischen klare, robuste Belege, dass sich die Sturmbahnen über dem Atlantik abschwächen", sagt Coumou. "Die Abfolge der Tiefs und Hochs, die auf diesen Bahnen nach Europa ziehen, verlangsamt sich, und es kommt weniger kühle und feuchte Luft nach Europa."

Zwei andere mögliche Mechanismen hingegen sind noch spekulativ. Der sogenannte Jetstream könnte sich zum einen verschieben und zum anderen stärker ausbeulen. Dieses gewundene Band starker Höhenwinde, die von West nach Ost wehen, schiebt Tief- und Hochdruckgebiete normalerweise vor sich her. Sie könnten darum andere Bahnen nehmen - über Skandinavien statt über Deutschland ziehen. Oder sie könnten in den Ausbuchtungen des Jetstream festgehalten werden wie ein Tanzpaar inmitten einer kreisenden Polonaise.

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Quelle:
SZ vom 21.08.2018
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