Immer wieder ist davon die Rede, wie sehr der Klimawandel ein Gerechtigkeitsproblem ist. Ökonomische Ungleichheiten, so betonen viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, verstärken sich unter heißeren Lebensbedingungen. Menschen aus ärmeren Ländern sind von den ansteigenden Temperaturen und ihren Auswirkungen stärker betroffen, als Menschen, die in reicheren Ländern leben und sich auch besser schützen können. Gleiches gilt für ärmere und reichere Menschen innerhalb eines Landes. Und auch was das Thema Geschlechtergerechtigkeit angeht, kann der Klimawandel bereits bestehende Ungleichheiten weiter verstärken.
Eine neue Studie, die im Fachmagazin Nature Climate Change veröffentlicht wurde, zeigt nun, wie die Zusammenhänge konkret aussehen können. Forschende des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) haben dafür Wohlstandsverluste ermittelt, die sich speziell für Frauen ergeben könnten, weil sie mehr Zeit brauchen, um Trinkwasser zu holen.
Weltweit haben derzeit zwei Milliarden Menschen keinen direkten Zugang zu fließendem Trinkwasser, sie müssen also Wasser von einer Quelle außerhalb des Haushalts holen. Die Verantwortung für das Wasserholen liegt in der Regel bei Frauen und Mädchen. Im Durchschnitt verbrachten Frauen in Haushalten ohne fließendes Wasser im Zeitraum von 1990 bis 2019 weltweit täglich 22,84 Minuten mit dem Wasserholen, wobei die Spanne von 4 Minuten in Teilen Indonesiens bis zu 110 Minuten in Regionen Äthiopiens reicht.
Der Zeitverlust belastet Frauen nicht nur physisch und psychisch
Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen errechneten nun, welchen Einfluss verschiedene Klimaszenarien auf die Zeit haben könnten, die Frauen für die Trinkwasserbeschaffung aufwenden müssen. Die Erderwärmung führt zu veränderten Niederschlagsmustern und damit zu einer veränderten Verfügbarkeit von Wasser. Vielerorts sinken die Grundwasserspiegel. Der Zugang zu Frischwasser wird erschwert und die Wege können wegen Hitzestress unangenehmer werden und länger dauern.
Das Ergebnis der PIK-Autoren: Die Zeit, die Frauen in Haushalten ohne Trinkwasseranschluss mit Wasserholen verbringen, könnte in einem Klimaszenario mit weiterhin hohen Emissionen bis 2050 um bis zu 20 bis 40 Prozent steigen. In manchen Regionen Südamerikas und Südostasiens könnte sich der Zeitaufwand für das Wasserholen sogar verdoppeln. „Dieser Anstieg kann auf 19 Prozent reduziert werden, wenn die globale Erwärmung unter zwei Grad Celsius gehalten wird“, so PIK-Autor Robert Carr in einer Pressemeldung zur Studie.
Als Einschränkung der Ergebnisse weist Studienautorin und Komplexitätsforscherin Leonie Wenz darauf hin, dass die Studie mit Durchschnittswerten arbeitet und die Auswirkungen auf die einzelne Frau noch größer sein können. Die Daten wurden aus Haushaltsbefragungen in 347 Regionen erhoben, allerdings sind nicht alle Regionen abgebildet. Es sei mit der Arbeit dennoch gut gelungen, eine Messgröße für die Kosten des Klimawandels hinzuzufügen, die normalerweise eher in abstrakten Kategorien wie dem Bruttoinlandsprodukt benannt werden.
Durch diese Zeitverluste würden Frauen nicht nur physisch und psychisch belastet. Sie führen auch dazu, dass ihnen weniger Zeit für Bildung, Lohnarbeit und Freizeit bleibt. Bildungsunterschiede sind in vielen Ländern noch immer ein entscheidender Grund dafür, dass Frauen ökonomischer schlechter gestellt sind als Männer.