Süddeutsche Zeitung

CO₂-Verschmutzung:Klimawandel lässt Bäume schneller wachsen

Nebeneffekt der Treibhausgase: Bäume wachsen schneller, weil die Konzentration von CO₂ in der Atmosphäre steigt. Dadurch verbrauchen sie aber auch mehr Wasser.

Von Christopher Schrader

Mehr Kohlendioxid in der Luft - das sollte für Bäume eigentlich eine gute Nachricht sein. Sie nutzen schließlich, wie alle Pflanzen, das Treibhausgas CO₂ als Rohstoff für die Fotosynthese. Und nun stellt eine internationale Forschergruppe auch noch fest, dass die Gewächse besser mit ihrem Wasser haushalten können, wenn mehr Treibhausgase in der Luft liegen.

Den Messungen der Wissenschaftler zufolge ist daher die Effizienz von Laubbäumen in der Nutzung von Wasser über das 20. Jahrhundert hinweg um 14 Prozent gestiegen, Nadelhölzer zeigen gar ein Plus von 22 Prozent. Aber ganz so einfach ist es dann doch nicht. Die Zahlen gelten nur auf der Ebene einzelner Bäume. Bezogen auf ganze Wälder oder den gesamten Kontinent Europa könnte der Wasserverlust sogar leicht gestiegen sein, wie Modellrechnungen zeigen.

Die Bäume nutzen also ihre Chance - und wachsen

"Das liegt nach unserer Auffassung an den sich stetig verlängernden jährlichen Wachstumsperioden, verstärkter Verdunstung in einer wärmer werdenden Umgebung und an größer gewordenen Blattoberflächen", erklärt einer der Autoren, Gerhard Helle vom Deutschen Geoforschungszentrum in Potsdam, den scheinbaren Widerspruch. Die einzelnen Bäume nutzen also ihre Möglichkeiten, wachsen besser und länger, und brauchen trotz höherer Effizienz im Kleinen mehr Wasser im Großen (Nature Climate Change).

Zur Reaktion der Bäume auf den Klimawandel gibt es noch viele Fragen. Sie drehen sich vor allem um einen zentralen physiologischen Mechanismus. Bäume können nämlich den Gasaustausch in ihren Blättern oder Nadeln regulieren. Verengen sie die Spaltöffnungen im Grün ("Stomata"), gelangt zwar nicht mehr so viel CO₂ in die Zellen wie möglich; sie verlieren aber auch nicht mehr so viel Wasserdampf, der durch die Poren ins Freie strömt. Diese Fähigkeit brauchen Pflanzen zum Beispiel, um bei Hitzewellen nicht auszutrocknen.

Mehr CO₂ in der Luft macht Pflanzen effizienter, aber auch durstiger

Doch im Laufe des 20. Jahrhunderts ist der Anteil von Kohlendioxid in der Luft um ein Viertel angestiegen, von knapp 300 auf 370 ppm (Anteile pro Million). Von dieser Zunahme seien 44 ppm in den Blättern angekommen, stellen die Forscher fest. Sie haben den Kohlenstoff in Baumringen analysiert; ihre Daten stammen aus 23 Wäldern zwischen Finnland und Marokko. "Die Bäume nutzen also das neue CO₂-Angebot nur zum Teil und verengen gleichzeitig ihre Stomata, um den Wasserverlust zu begrenzen", sagt David Frank von der Universität Bern, der Erstautor der Studie.

"Im Inneren der Blätter muss die Konzentration an CO₂ kleiner sein als draußen in der Luft", sagt Hans Peter Schmid vom Karlsruher Institut für Technologie. "Sonst könnte überhaupt kein Kohlendioxid hereinströmen." Allerdings geht die Debatte in der Wissenschaft zurzeit darum, wie die Pflanzen diese Differenz steuern. Schmid hatte 2013 an einer Studie mitgearbeitet, wonach die Gewächse den inneren CO₂-Spiegel eher konstant halten und den Zuwachs an Rohstoff quasi komplett zum Wassersparen nutzen.

Der neuen Studie zufolge stehen äußerer und innerer Kohlendioxid-Anstieg hingegen im festen Verhältnis; sie grenzt sich von Schmids Auswertung ab. Auch dessen Projekt hatte einen leichten Anstieg der inneren CO₂-Werte festgestellt, die Zahl war aber nicht statistisch signifikant. Schmid sieht den Widerspruch daher nicht so dramatisch.

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Quelle:
SZ vom 12.05.2015/fehu
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