Klimawandel:Lässt sich die Erderwärmung auf 1,5 Grad bremsen?

Lesezeit: 3 Min.

Der Weltklimarat fordert ein beispielloses Handeln, um die Klimaziele noch zu erreichen. Wie kann das gelingen? Und was droht im Fall eines Misserfolgs? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Von Christoph von Eichhorn

Bei der UN-Klimakonferenz in Paris haben sich die Staaten 2015 dazu verpflichtet, die Erderwärmung bis 2100 auf zwei Grad zu begrenzen - mit einem wichtigen Zusatz: Es solle alles dafür getan werden, dass die Erwärmung niedriger ausfällt, nämlich nur um 1,5 Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit. Doch was dafür getan werden müsste, war bislang nicht eindeutig. Der Weltklimarat (IPCC) hat in seinem neuen Bericht nun Handlungsoptionen für die Politik vorgelegt. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:

Warum ist das 1,5-Grad-Ziel so wichtig? Würde eine Begrenzung auf zwei Grad nicht auch reichen?

Vor allem ärmere Staaten und Inselnationen wollen die Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzen. Der Klimawandel bedroht sie durch steigende Meeresspiegel, mehr Dürren und Extremwetter. Der Sonderbericht macht klar, dass es auf einem um zwei Grad erhitzten Planeten nicht einfach nur ein bisschen wärmer wäre. Vielmehr hätte die Menschheit mit deutlich größeren Risiken zu kämpfen, etwa durch sinkende Erträge aus der Landwirtschaft, Hitzewellen oder schwindende Artenvielfalt.

Bericht zur Erderwärmung
:Weltklimarat hält "nie dagewesene Veränderungen" für nötig

Die Erderwärmung lässt sich noch auf 1,5 Grad Celsius begrenzen, sagen Forscher. Doch den Staaten bleibt nicht mehr viel Zeit.

Von Michael Bauchmüller

Was wäre nötig, um das Ziel noch zu erreichen?

Im Vergleich zum 19. Jahrhundert hat sich die Erde schon um etwa ein Grad erwärmt. Bleibt es bei dem Tempo, wird die Marke 1,5 Grad spätestens im Jahr 2052 überschritten, möglicherweise schon 2030. Zwei Grad Erwärmung wären ungefähr 2065 erreicht. Momentan ist die Welt von beiden Zielen weit entfernt. Die Selbstverpflichtungen, die sich die Staaten auferlegt haben, würden bis 2100 wohl zu einer Erwärmung um drei Grad führen. Es ist dem Weltklimarat zufolge aber noch nicht zu spät, das Ruder herumzureißen. Die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, würde aber "schnelle und weitreichende Veränderungen" erfordern, in praktisch allen wirtschaftlichen Bereichen wie der Energieerzeugung, Landwirtschaft, in Verkehr und Industrie. "Notwendig wäre nicht weniger als eine technologische Revolution", sagt Mojib Latif vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. "Weg von den fossilen Energieträgern hin zu den erneuerbaren Energien, und das innerhalb weniger Jahrzehnte." Technologisch sei das vergleichbar mit dem Übergang vom Pferd zum Automobil. Die Größe des Unterfangens wäre einmalig in der Geschichte.

Kann Kohlenstoffdioxid (CO₂) wieder aus der Atmosphäre entfernt werden?

Damit das 1,5-Grad-Ziel überhaupt noch realistisch ist, rechnet der Weltklimarat damit, dass bis zu 1000 Gigatonnen CO₂ wieder aus der Atmosphäre zurückgeholt werden müssen. Solche "negativen Emissionen" sind umstritten. Man müsste beispielsweise schnell wachsende Pflanzen in großem Stil anbauen, sie in Kraftwerken verfeuern, das entstehende Kohlendioxid auffangen und unter die Erde pressen. Abgesehen davon, dass solche Technologien noch kaum erforscht sind, wären Konflikte etwa bei der Landnutzung absehbar.

Welche Folgen hat die Erderwärmung für Mensch und Umwelt?

Schon bei einer Erwärmung von 1,5 Grad werden Hitzewellen in vielen Regionen wahrscheinlicher. Mit jedem Zehntelgrad mehr wird es ungemütlicher. Bei zwei Grad Erwärmung müssten der Nahe Osten und Nordafrika mit bis zu 46 Grad Celsius an den heißesten Tagen rechnen. Auch in Europa läge die Zahl der Hitzetoten jährlich wohl um etwa 20 Prozent höher. Ein halbes Grad weniger würde außerdem zehn Millionen Menschen weniger den Gefahren eines steigenden Meeresspiegels aussetzen.

Bei einer Erwärmung um zwei Grad würde das Meereis in der Arktis wohl mindestens einmal in zehn Jahren komplett abschmelzen. Wird das 1,5-Grad-Ziel erreicht, würde das wahrscheinlich nur einmal im Jahrhundert passieren. Zudem sind viele Tier- und Pflanzenarten durch den Klimawandel bedroht. Wird die Erwärmung gestoppt, ließe sich der Verlust verringern, wenn auch nicht ganz aufhalten.

Muss sich Deutschland künftig auf mehr solch heiße Sommer wie in diesem Jahr einstellen?

Für Deutschland sagen einige Prognosen bis zum Jahr 2100 eine Erwärmung um etwa vier Grad im Vergleich zum 20. Jahrhundert voraus. Damit werden auch lange, trockene Sommer wie in diesem Jahr wahrscheinlicher. Klimaforscher beobachten, dass sich Luftströme auf der Nordhalbkugel seit einigen Jahren abschwächen, vermutlich ausgelöst durch eine wärmere Arktis. Damit wechseln sich weniger Hochs und Tiefs über Mitteleuropa ab. Einzelne Hochs können dann wochenlang über einem Fleck hängen bleiben, und es fällt kein Regen mehr.

Warum sind Korallenriffe besonders gefährdet?

Für Korallenriffe gibt es kaum noch Hoffnung. Schon bei einer um eineinhalb Grad wärmeren Erde würden zwischen 70 und 90 Prozent aller Korallen bis 2100 verloren gehen. Noch ein halbes Grad mehr, und sie wären vollständig verschwunden. Die Organismen können sich nicht schnell genug an steigende Temperaturen und die Versauerung der Meere anpassen, die ebenfalls durch CO₂-Emissionen ausgelöst wird.

© SZ vom 09.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Klima
:Umweltpolitik findet in dieser Koalition nicht statt

Immer nur kneifen und der Wirtschaft nicht wehtun: Die Bundesregierung agiert in der Klimapolitik verantwortungslos.

Kommentar von Michael Bauchmüller

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: