Süddeutsche Zeitung

Klimawandel:Die Ostsee wird wärmer

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Das baltische Meer wird zur Badewanne: Die Ostsee erwärmt sich stärker als andere Regionen der Erde. Dadurch werden die Sommer trockener und die Winter feuchter.

AXEL BOJANOWSKI

Die Ostseeregion erwärmt sich besonders schnell. Im vergangenen Jahrhundert ist es an der Ostsee um 0,85 Grad wärmer geworden, im weltweiten Durchschnitt hingegen nur um 0,75 Grad.

Das berichtet das GKSS-Forschungszentrum in Geesthacht in einem Ostsee-Klimareport. Bis Ende des Jahrhunderts könnte sich die Luft um weitere drei bis sechs Grad erwärmen, sofern der Ausstoß an Treibhausgasen nicht deutlich eingeschränkt werde, heißt es in dem Bericht. Auch das Wasser erwärme sich.

Seit 1990 ist es durchschnittlich knapp ein Grad wärmer als in den Jahrzehnten zuvor, berichtet das GKSS. Gleichzeitig hebe sich der Meeresspiegel. Auch der Fischbestand der Ostsee dürfte sich ändern, prognostiziert der Report.

Insbesondere im Frühjahr und Winter sei es wärmer als früher, berichtet das GKSS. Seit 20 Jahren sei die Klimaveränderung an der Ostsee besonders im Winter deutlich spürbar, bestätigt der Ozeanograph Jürgen Holfort vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie BSH.

Auf der südlichen Ostsee trieben weitaus weniger Eisschollen als früher. Die Schifffahrt würde somit weniger behindert. Wenn sich überhaupt Meereis bilde, dann erst tief im Winter, berichtet Holfort.

Die nördliche Ostsee hingegen gefriere weiterhin regelmäßig für mehrere Wochen. Die Erwärmung der Region sei vermutlich auf die weltweite Klimaänderung zurückzuführen, die wesentlich von Kohlendioxid aus Abgasen angetrieben werde, meint der Klimatologe Hans von Storch vom GKSS.

Zusammenhang mit Klimaveränderung ist "plausibel"

Allerdings sei der Zusammenhang für die Ostsee-Region nicht nachgewiesen worden. Möglicherweise unterliege das Klima Nordeuropas bedeutenden natürlichen Klimaschwankungen. Außerdem sei denkbar, dass die Verringerung der Luftverschmutzung die Erwärmung der Region beschleunigt habe: Seit Fabriken mit Rußfiltern und Autos mit Katalysatoren ausgestattet sind, ist der Himmel über Europa klarer, mehr Sonnenlicht dringt ein.

Ein Zusammenhang der Ostsee-Erwärmung mit der globalen Klimaveränderung sei aber "plausibel", meint von Storch. Dass sich die Ostseegegend noch ein wenig stärker aufgeheizt habe als die Welt im Durchschnitt, liege vermutlich daran, dass sie von Landmassen umgeben ist. Kontinente erwärmen sich schneller als Ozeane.

In den vergangenen drei Jahrzehnten habe es in der Ostsee-Region mehr geregnet als zuvor, berichtet das GKSS. Vor allem in Schweden und im Baltikum falle mehr Niederschlag. In der gesamten Ostseeregion sind Frühjahr und Winter feuchter geworden. Sommerurlauber hingegen mussten unter der allgemeinen Regenzunahme nicht leiden - während der wärmsten Jahreszeit fiel in den vergangenen drei Jahrzehnten weniger Regen als zuvor.

Insbesondere an der deutschen Ostseeküste ist es im Sommer trockener als früher. Regenprognosen seien indes äußerst unsicher, erklärt Hans von Storch. Die jährlichen Schwankungen der Niederschlagsmengen seien hoch. Gleichwohl prophezeit der GKSS-Report für die Ostsee, dass in Zukunft im Sommer eher weniger, im Winter mehr Regen fällt.

Ansteigender Meeresspiegel

Vermehrter Regen würde dazu führen, dass das Ostseewasser weniger salzhaltig werde, warnt der GKSS-Report. Folglich würde sich die Tierwelt verändern. Bereits jetzt seien manche Änderungen festzustellen: Plankton blühe früher, Arten seien nach Norden gewandert, Vegetation gedeihe üppiger.

Außerdem gebe es weniger Fische in der Ostsee. Ob die Abnahme der Bestände mit der Erwärmung zusammenhänge, sei aber unklar, sagt von Storch. Schließlich wirkten sich auch andere Faktoren auf die Tierwelt aus, etwa Fischfang und das Einspülen von Dünger.

Der Meeresspiegel steige in der südlichen Ostsee um gut zwei Millimeter pro Jahr, berichtet Jürgen Holfort. Die Hälfte des Anstiegs sei darauf zurückzuführen, dass sich die deutsche Ostseeküste absenke - eine Folge der Eiszeit: Seit die kilometerdicken Gletscher Skandinaviens geschmolzen sind, hebt sich dort das Land. Die Hebung kompensiert in Finnland den Anstieg des Meeres. Die deutsche Küste hingegen senkt sich wie das andere Ende einer Schaukel.

Die Deiche sollen entsprechend vergrößert werden. Schleswig-Holstein will seine Schutzwälle bis Ende des Jahrhunderts um 50 Zentimeter erhöhen, Mecklenburg-Vorpommern kalkuliert mit mindestens 15 Zentimetern.

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SZ vom 22.01.2008/mcs
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