Klimawandel:Den Seen bleibt die Luft weg

Satellitenmessungen der vergangenen 25 Jahre zeigen, dass sich die Binnengewässer weltweit rapide erwärmen. Die Folgen für die Ökosysteme der Seen sind schwer abzuschätzen.

Marlene Weiss

Auf das größte deutsche Binnengewässer ist Herbert Löffler fast ein bisschen stolz. "Der Bodensee ist gut auf die anstehenden Herausforderungen vorbereitet", sagt der Leiter des Sachgebiets Hydrophysik am Institut für Seenforschung im Baden-Württembergischen Langenargen.

Es bleibt wechselhaft

Auch der Bodensee tritt gegen einen mächtigen Gegner an; gegen den Klimawandel. Aus Satellitenmessungen der vergangenen 25 Jahre haben US-Forscher abgelesen, dass die größten Seen der Welt sich durchschnittlich um ein halbes Grad Celsius pro Jahrzehnt erwärmen.

(Foto: ddp)

Es klingt, als rede er von einem Sportler. "Er ist gesund, die Nährstoffkonzentration war zuletzt in den Fünfzigerjahren so natürlich." Doch der See tritt gegen einen mächtigen Gegner an; gegen den Klimawandel.

Welchen Einfluss der hat, zeigen aktuelle Ergebnisse von Philipp Schneider und Simon Hook vom Jet Propulsion Laboratory der Nasa in Kalifornien: Aus Satellitenmessungen der vergangenen 25 Jahre haben die US-Forscher abgelesen, dass die größten Seen der Welt sich durchschnittlich um ein halbes Grad Celsius pro Jahrzehnt erwärmen - ein Ende des Trends ist nicht abzusehen (Geophysical Research Letters, online).

Für ihre Studie betrachteten Schneider und Hook 167 möglichst runde Binnengewässer ab 500 Quadratkilometer Größe. Für diese Seen werteten sie Infrarotbilder aus, die mit Satelliten seit dem Jahr 1985 aufgenommen wurden - so bestimmten sie die nächtliche Oberflächentemperatur der Seen.

Das Ergebnis ist besorgniserregend: Durchschnittlich stieg die Wassertemperatur pro Jahrzehnt um etwa 0,5 Grad Celsius, bei einzelnen Seen sogar um bis zu 1,3 Grad. Damit erwärmten die Seen sich teilweise schneller als ihre Umgebung. "Das weist darauf hin, dass weitere Faktoren wie Veränderungen der Eisdecke oder der Sonneneinstrahlung wichtig sind", schreiben die Autoren.

Während tropische Seen nur geringfügig wärmer wurden und die Binnengewässer der Südhalbkugel gar keine Erwärmung zeigten, war Nordeuropa von der Erwärmung besonders stark betroffen. Die Temperaturen des Vänern-Sees in Schweden sowie der russischen Gewässer Onega und Ladoga stiegen um fast ein Grad pro Jahrzehnt.

Die Folgen für die Ökosysteme der Seen sind schwer abzuschätzen.

Kaum jemand weiß das besser als Karsten Rinke: Der Leiter der Abteilung Seenforschung am Magdeburger Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung simuliert die Auswirkungen einzelner Veränderungen auf die Dynamik im See am Computer. "Die Temperaturerhöhung alleine ist erstmal nicht so schlimm", sagt er.

Gefährliche indirekte Effekte

Für viel gefährlicher hält er die indirekten Effekte. Etwa auf die Durchmischung der Wasserschichten: Normalerweise wird das Wasser an der Oberfläche im Sommer warm und dadurch leichter, so dass das kühle, schwerere Wasser am Grund des Sees bleibt. Erst wenn der See im Winter abkühlt, vermischen sich die Schichten.

See Temperatur

Die globalen Trends der nächtlichen Oberflächentemperatur von Seen im Zeitraum 1985 bis 2009.

(Foto: Nasa/JPL-Caltech)

Je nach Größe wälzt sich der See ein- oder zweimal im Jahr um. Heizt er sich jedoch auf, dauert es länger, bis dieser Austausch beginnt, oder er fällt ganz aus. Für die Lebensgemeinschaften in der Tiefe kann das fatal sein, denn erst das Wasser von der Oberfläche transportiert Sauerstoff zum Grund des Sees.

"Dann kann es passieren, dass dort irgendwann kein Sauerstoff mehr übrig ist", sagt Rinke. "Manche Fische kommen damit klar, aber andere nicht." Junge Felchen beispielsweise schlüpfen am Grund des See; wenn sie dort keinen Sauerstoff bekommen, erstickt die neue Generation.

Und dann sind da die Algen: Wenn das Wasser zu warm wird, können giftige Blaualgen blühen - wie zum Beispiel vielerorts im Hitzesommer 2003. "Auch eingewanderte Arten sind ein Problem", sagt Rinke. So habe sich in den vergangenen Jahren die aus Südostasien stammende Körbchenmuschel auch in deutschen Seen ausgebreitet. Solche Migranten, die die Nahrungskette verändern und andere Arten verdrängen, könnte es in Zukunft häufiger geben.

Und schließlich ist das Timing heikel: Die Organismen im See haben ihre Jahreszyklen so aufeinander eingestellt, dass beispielsweise Fische genau dann laichen, wenn der Nachwuchs das richtige Futter bekommt. "Viele dieser Zyklen sind temperaturgesteuert, andere eher lichtabhängig", sagt Rinke, "wenn sich die Wassertemperatur ändert, passt vieles nicht mehr zusammen."

Die meisten dieser Probleme betreffen auch den Bodensee. Dass der wärmer wird, beobachten Bodensee-Experte Löffler und seine Kollegen seit den 1960er-Jahren ganz ohne Satelliten, um durchschnittlich 0,3 Grad pro Jahrzehnt steige die Temperatur. Aber die gute Wasserqualität gleicht einiges aus: "In den Jahren 2007 und 2008 hat er sich nicht umgewälzt, aber der Sauerstoff hat trotzdem gereicht", sagt Löffler.

Doch nicht alle Seen sind so fit wie das größte deutsche Gewässer. Im Arendsee in Sachsen-Anhalt etwa wird der Sauerstoff immer häufiger knapp.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: