Klimawandel:Die Corona-Pandemie hat gezeigt, was möglich ist

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Funken fliegen bei einem Buschfeuer in den USA aus einer brennenden Palme. Der fortschreitende Klimawandel wird Naturkatastrophen immer öfter aufflammen lassen. (Foto: Noah Berger/dpa)

Schon ein Bruchteil der Corona-Hilfen könnte reichen, um das Zwei-Grad-Ziel im Kampf gegen den Klimawandel in greifbare Nähe zu rücken. Warum die Politik in der einen Krise die andere nicht vergessen darf.

Kommentar von Julian Rodemann

Als im Frühjahr die Bundesregierung das Corona-Hilfspaket verabschiedete, scheute sie keine großen Worte. Von einer "Bazooka" sprach Finanzminister Olaf Scholz, mit der man die Rezession bekämpfen wolle; mit einem "Wumms" aus der Krise, das war das Bild. Nur wenige Monate zuvor - als Corona für die meisten Menschen hierzulande noch eine mexikanische Biermarke war - klang das ganz anders. Damals hatte die Bundesregierung unter dem Druck der "Fridays for Future"-Proteste ein halbherziges Klimapaket beschlossen, das vor allem wegen der Erhöhung der Pendlerpauschale in Erinnerung geblieben ist. Markus Söder, der heute für sein entschlossenes Handeln in der Pandemie gelobt wird, sprach floskelreich vom "Pfad der Vernunft" und der "goldenen Mitte".

Die Corona-Pandemie und der Klimawandel sind die großen Probleme dieser Zeit. Da liegt es in der Natur politischer Debatten, dass die beiden Krisen allenthalben miteinander verglichen werden. Das aber ist nicht immer ziel-, und oft sogar irreführend. Natürlich hinkt der unmittelbare Vergleich zwischen einem sich exponentiell verbreitenden Virus und atmosphärischen Prozessen, die sich über Jahrzehnte hinziehen.

Angela Merkel sei die Lektüre des Artikels in "Science" dringend empfohlen

Und doch kann es hilfreich sein, Klimapolitik und Corona-Krise - als gesellschaftliche Herausforderungen verstanden - gegenüberzustellen, so geschehen in der aktuellen Ausgabe des Fachjournals Science. Forscher haben berechnet, dass schon ein kleiner Teil der weltweit geschnürten Corona-Hilfspakete reichen würde, um das Zwei-Grad-Ziel aus dem Pariser Klimaschutzabkommen in erreichbare Nähe zu rücken. Die Hilfsfonds während der Pandemie "stellen die nötigen Investitionen in erneuerbare Energien in den Schatten", schreiben die Autoren.

Weltweit wurden "Bazookas" im Wert von über 12 Billionen US-Dollar ausgepackt, um dem Abwärtstrend der Wirtschaft in der Pandemie zu bremsen. Bislang wohlgemerkt, es wird wohl noch einiges dazukommen. Für die Einhaltung des Pariser Abkommens wären hingegen bis 2024 Investitionen in Höhe von nur 1,4 Billionen US-Dollar pro Jahr nötig, schätzen die Wissenschaftler. Solche Rechnungen sind stets mit Unsicherheiten behaftet, die Dimension ist davon aber unberührt: Selbst wenn der Umstieg von Kohle, Öl und Gas auf Sonne, Wind und Wasser die Menschheit etwas mehr kosten sollte - neben den Corona-Hilfspaketen verblassen diese Investitionen.

Angela Merkel hat mit einer kleinen Hochrechnung der Infektionszahlen neulich gezeigt, dass sie sich von statistischen Argumenten leiten lässt. Ihr sei die Lektüre des Artikels in Science daher empfohlen. Mit dem programmatischen Satz "Politik ist das, was möglich ist" verteidigte die Bundeskanzlerin vor gut einem Jahr übrigens das Klimapaket. Die Pandemie hat gezeigt, was möglich ist.

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