Klimaskeptiker:Der Reiz des Gegenwindes

Kaum jemals hat eine von Wissenschaftlern vertretene Meinung die Weltöffentlichkeit so schnell überzeugt wie die Bedrohung durch den Klimawandel. Trotzdem sind die Klimaskeptiker im Aufwind.

Christopher Schrader

Es ist kalt in diesen Tagen. Stundenlang hämmert Regen auf die Erde, tiefe Wolken ziehen über das Land. Es ist Anfang Juli 2007 - eigentlich Hochsommer, das halbe Land hat bereits Sommerferien. Für viele klingt das Wort Klimawandel, das Politiker, Wissenschaftler und Journalisten so häufig benutzen, plötzlich verlockend: Ein bisschen mehr Wärme, das wäre gar nicht schlecht.

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Überschwemmungen hier, Hitzewellen dort - ist das jetzt schon der Klimawandel?

(Foto: Foto: AP)

Moment, worum geht es hier eigentlich: Wetter oder Klima? Beides zu vermischen vermeiden Klimaforscher sorgsam, während ihre Kritiker den Unterschied gern verwischen und zum Beispiel hämisch auf Mängel der Wettervorhersage verweisen, um Simulationen des Klimas bis 2100 lächerlich zu machen. Wer die Diskussion verfolgt, muss sich wundern, dass solche Klimaskeptiker gerade dieser Tage Zulauf haben.

Kaum jemals hat eine zunächst nur von Wissenschaftlern vertretene Meinung die Weltöffentlichkeit so schnell überzeugt. Im Februar 2007 hatte das von den UN beauftragte internationale Wissenschaftlergremium IPCC deutlich wie nie zuvor verkündet, die Erwärmung sei "unbestreitbar". "Mit sehr hoher Sicherheit" heize die Menschheit den Planeten auf.

Auf der Konzertserie "Live Earth" haben Hunderte Musiker für mehr Engagement im Klimaschutz geworben. Und nach dem G8-Gipfel wurde Bundeskanzlerin Angela Merkel dafür gelobt, Präsident George W. Bush eine - wachsweiche - Kampfansage gegen die globale Erwärmung entlockt zu haben.

Dennoch gibt es organisierten, zunehmenden Widerstand gegen die These, die dem zugrunde liegt: Der Mensch mit seinem Verhalten verändert das Klima, besonders mit dem Freisetzen von Kohlendioxid (CO2) trägt er zur Erderwärmung bei. Klimaskeptiker bestreiten entweder ganz, dass Treibhausgase wie Kohlendioxid etwas mit der globalen Temperatur zu tun haben, und machen dafür etwa die magnetische Aktivität der Sonne verantwortlich.

Oder sie behaupten, die Wirkung des CO2 in der Atmosphäre lasse sich nicht mehr steigern; den Ausstoß zu bremsen sei unnötig und irrelevant. Oder sie versuchen mit dem Hinweis auf frühere, natürliche Klimaschwankungen den Einfluss des Menschen zu relativieren. Immer wieder fragen sie: Wie soll man das Klima vorhersagen, wenn schon der Wetterbericht oft falschliegt?

Darauf weiß die Wissenschaft eine Antwort, die Klimaskeptiker gern ignorieren oder für Propaganda erklären. Die zur Berechnung des künftigen Klimas benutzten Supercomputer müssen immer zunächst die Vergangenheit und Gegenwart nachvollziehen - gefüttert nur mit den Messdaten vergangener Jahre und mit Grundprinzipien der Physik und Geographie.

Der Reiz des Gegenwindes

Thesen untermauert mit Manipulation

Das gelingt ihnen gut, wie Graphiken im Bericht des IPCC zeigen; nur darum hat überhaupt ein Klimaforscher Vertrauen in Szenarien, die Rechner für die Zeit bis 2100 ausspucken.

Auch die anderen Einwände hat die Wissenschaft vielfach widerlegt, dennoch stützte sich darauf vor kurzem eine Fernseh-Dokumentation bei RTL namens "Der Klima-Schwindel". Seine Thesen untermauerte der Film mit der Manipulation von Daten und dem Verschweigen von Gegenargumenten.

Trotzdem hat er offenbar Einfluss gehabt. Plötzlich raunen viele, das sei ja wohl doch nicht alles bewiesen mit dem Klimawandel. Auch Umfragen zeichnen kein konsistentes Bild: So stimmten vor kurzem 56 Prozent der Befragten in Großbritannien der Aussage zu, es gebe immer noch viele "führende Experten", die den menschlichen Beitrag zum Klimawandel in Frage stellten. Der englische Channel 4 hatte dort im März das Original der RTL-Dokumentation ausgestrahlt.

In der gleichen Umfrage sagten aber 69 Prozent, die Menschheit beeinflusse das Klima mit ihrem Tun signifikant. Grundsätzlich bestreiten das in Umfragen auch in Deutschland nur zehn bis zwanzig Prozent der Befragten.

Was also treibt die Skeptiker angesichts der globalen Koalition von Menschen und Staaten, die den Klimawandel anerkennen?

Die erste Erklärung ist psychologischer Natur: Wer zur Überzeugung gelangt, seine nur von einer Minderheit vertretene Position sei richtig, lässt davon auch nicht ab, wenn die Zahl der Gegner wächst. Um so dringlicher erscheint es dann ja, einer Phalanx entgegenzutreten, die sich anschickt, Weichen für die Zukunft falsch zu stellen.

Bequem gegen den Strom

Beispiele aus der Popkultur für das Gefühl des umzingelten Helden gibt es genug, aber vielleicht beschreiben die ersten Worte der Asterix-Bände das Selbstbild der Klimaskeptiker am besten: "Wir befinden uns im Jahr 50 vor Christus. Ganz Gallien ist von den Römern besetzt. Ganz Gallien?"

Manche Wissenschaftler bevorzugen hingegen eine andere Erklärung für die starre Haltung der Skeptiker: Für sie sind die Medien schuld. Weil die Klimapolitik im politischen Mainstream angekommen sei, befasse sich eine neue Gruppe von Journalisten mit dem Thema. I

m Gegensatz zu Wissenschaftsredakteuren seien sie noch nie mit Argumenten der Klimaskeptiker in Berührung gekommen, fänden diese daher frisch und aufklärerisch. Da mag etwas dran sein. Ohnehin bürsten Journalisten die Dinge auf der Suche nach einem originellen Blickwinkel ja gern gegen den Strich.

Über das Klima zu berichten, ist für Journalisten in mancher Hinsicht ungewöhnlich. Zum einen sind einzelne Erkenntnisse der Klimawissenschaft weniger präzise als in anderen Fachgebieten. Im IPCC-Bericht wird das mit dem Losu-Wert gekennzeichnet, dem "Level of scientific understanding" (Niveau des wissenschaftlichen Kenntnisstands). Bei manchen Fragen ist er hoch, bei anderen niedrig.

Erst die große Zahl verschiedenartiger Ergebnisse, die alle in die gleiche Richtung deuten, geben der Grundthese vom menschengemachten Klimawandel starken Rückhalt. Doch das macht die Berichterstattung schwierig, wenn es um konkrete Ergebnisse geht.

Der Reiz des Gegenwindes

Zum anderen sind es Journalisten gewöhnt, Gegenmeinungen einzuholen. Bei der Klimaforschung jedoch stehen die Vertreter von Gegenmeinungen oft weit außerhalb der wissenschaftlichen Gemeinde: Es sind Menschen, die ihre Kritik als Hobby neben ihrem Beruf formulieren oder bei denen man Interessenkonflikte, zurückhaltend formuliert, nicht ausschließen kann: Die RTL-Dokumentation zum Beispiel zitierte einen Experten, der nur als Meteorologe vorgestellt wurde, aber beim Lobbyverband der Steinkohleindustrie angestellt ist.

Auch die britische Wissenschafts-Organisation Royal Society hat bereits den Ölkonzern Exxon-Mobil dafür gerügt, Klimaskeptiker zu finanzieren. Diese Kritiker gleichberechtigt zu zitieren hieße also, die Debatte zu verzerren.

"Eine unbequeme Wahrheit"

Dennoch ist es ein Fehler, die Ergebnisse der Klimaforschung apodiktisch zu verkaufen. Hier findet sich die dritte Erklärung für das Verhalten der Skeptiker. Womöglich bewegt sie eine Art Abscheu vor der nach außen getragenen, übertriebenen Gewissheit angesichts schwächerer Fakten. Wer daran Schuld trägt, darüber kann man streiten.

Manche Forscher haben die Journalisten dafür gescholten, sie hätten Zwischentöne der wissenschaftlichen Debatte über den Klimawandel zugunsten von zugespitzten Aussagen ausgeblendet. Andererseits sind manche Forscher dazu übergegangen, Reportern die klaren Sätze ins Mikrophon zu sprechen oder in den Block zu diktieren, die diese in ihren Geschichten schätzen. Sie fürchten offenbar, die Öffentlichkeit zu verunsichern, wenn sie verbliebene Zweifel diskutieren.

Sekundärquellen spitzen die Aussagen dann noch weiter zu. Das gilt auch für Al Gore und dessen Oscar-prämierten Film "Eine unbequeme Wahrheit". Er sagt jetzt, die Erde könne durch den Klimawandel unbewohnbar werden. Das ist eine Übertreibung, mit der er Widerspruch herausfordert.

Teile der Erde werden vielleicht unbewohnbar, Bangladesch, Inselreiche in Ozeanien, Regionen in Afrika, Küstenstreifen in Nordamerika und Europa. Das ist schlimm genug. Aber die Menschheit und ihre Zivilisation werden es überstehen, und viele Landstriche, auch in Deutschland, können vom Klimawandel sogar profitieren.

Zwischen Hysterie und Irrtum

Nun entwertet keine Zuspitzung, selbst wenn manche darin Hysterie erkennen, den wissenschaftlichen Konsens der Klimaforscher. Auch die Sorge der Wissenschaftler um ihr Bild in der Öffentlichkeit ist unbegründet.

Der IPCC-Bericht schildert schließlich, was die Forscher genau wissen und wo es noch Lücken gibt. Wer nur die "Zusammenfassung für Politiker" liest, übersieht das leicht. Trotz des weiteren Forschungsbedarfs kommt der Weltklimarat zu einer eindeutigen Aussage: Der Klimawandel ist real, die Verantwortung des Menschen in hohem Maß gesichert.

Das ist eine wissenschaftliche Schlussfolgerung, man muss sie klar von der politischen Entscheidung trennen. Es wäre unehrlich zu behaupten, dass jeder Irrtum ausgeschlossen ist. Daraus resultiert oft eine Frage wie: Wenn ihr euch heute irrt, wie erklärt ihr das einst euren Enkeln?

Heutige Politiker, aber auch Forscher und Journalisten können dann antworten, dass ein Gefühl der Vorsorge Entscheidungen auf Basis der heute vorliegenden Erkenntnisse nötig gemacht habe. Von Klimaskeptikern ist auf die gleiche Frage zu hören: "Wir irren uns nicht."

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