Süddeutsche Zeitung

Umwelt:Klimaschutz darf Tiere nicht gefährden

Windkraftanlagen sind gut fürs Klima - und doch sterben darin jedes Jahr Zehntausende Vögel und Fledermäuse. Dabei gäbe es innovative Lösungen.

Kommentar von Tina Baier

Es stimmt schon: Der Ausbau der Windenergie geht in Deutschland viel zu langsam voran. Insofern haben sich die Vertreter dieses Industriezweigs vergangene Woche zu Recht bei Wirtschaftsminister Peter Altmaier beklagt. Wenn es in diesem Schneckentempo weitergeht, erreicht Deutschland das selbstgesteckte Ziel, bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu werden, tatsächlich nie.

Allerdings ist es verantwortungslos zu fordern, dass bei Zielkonflikten mit dem Artenschutz im Zweifel für die Windenergie entschieden werden muss, wie in Berlin geschehen. Zudem ist es ungeschickt, auf diese Weise kleinzureden, dass jährlich Zehntausende Vögel und Fledermäuse mit Rotoren kollidieren und sterben. Die Vorbehalte der Bevölkerung gegen die Windenergie werden dadurch nur verstärkt.

Das Artensterben zu ignorieren, wäre gefährlich

Immer mehr Menschen wird nämlich bewusst, dass das Artensterben das Überleben der Menschheit genauso bedroht wie der Klimawandel. Beide Krisen haben das Potenzial, die Erde in nicht allzu ferner Zukunft zu einem unwirtlichen Ort zu machen. Klimawandel und Artensterben hängen zusammen und beschleunigen sich gegenseitig. Mag sein, dass mehr Vögel von Hauskatzen getötet werden als von Windkraftanlagen. Tatsache ist aber auch, dass es in Deutschland ein Artensterben gibt. Das zu ignorieren, wäre gefährlich.

In der Natur hat jede einzelne Spezies eine Aufgabe, durch die sie zum Funktionieren eines ganzen Ökosystems beiträgt. Je mehr Arten verloren gehen, umso größer ist die Gefahr, dass das große Ganze irgendwann zusammenbricht. Ein Wald zum Beispiel, der zumindest einen Teil des klimaerwärmenden Kohlendioxids wieder aus der Atmosphäre herausfiltert.

Deshalb ist es wichtig, Klimaschutz und Artenschutz nicht gegeneinander auszuspielen, sondern beides gemeinsam anzugehen. Das ist durchaus möglich. Zum Beispiel ist es vorstellbar, Windräder abzuschalten, wenn Vögel oder Fledermäuse in der Nähe sind. Es gibt mittlerweile sogar Anlagen, die das selbst bemerken und automatisch herunterfahren. Schon klar, dass das einen wirtschaftlichen Verlust bedeutet, aber das sollte es wert sein.

Merkwürdig ist auch, dass es in Deutschland seltsam still um die Photovoltaik geworden ist. Nach allem, was man weiß, ist die Stromerzeugung mithilfe von Sonnenenergie für Tiere und Pflanzen unproblematisch. Warum wird diese Technik, mit der sich Klima- und Artenschutz perfekt miteinander vereinbaren lassen, bei der Energiewende in Deutschland nicht stärker berücksichtigt? Jeder Hausbesitzer sollte sich eine solche Anlage aufs Dach montieren! Das würde das Klima schonen, ohne den Arten zu schaden.

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Quelle:
SZ vom 07.09.2019/fehu
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