Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aus der vergangenen Woche ist historisch, und ein Detail ist besonders bemerkenswert: Die jungen Menschen, die vor dem obersten Gerichtshof des Landes geklagt haben, dass die Klimapolitik der Bundesregierung ihre Freiheitsrechte gefährde, kamen nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus Nepal und Bangladesch.
Nur konsequent. Die Klimakrise kennt schließlich keine Grenzen.
Die Klimabewegung ist deshalb auch weltweit vernetzt, dank Internet und Social Media, aber natürlich unterscheiden sich die lokalen Bedingungen enorm. Wenn es um die Sicherheit von Umweltschützern und Umweltschützerinnen geht, bekommen Grenzen doch wieder große Bedeutung: In Deutschland oder Schweden können Aktivisten und Aktivistinnen ohne Repressionen zu befürchten auf die Straße gehen und ihre Regierungen für ihre Umweltpolitik kritisieren. In Brasilien oder auf den Philippinen gefährden sie damit womöglich ihr Leben. Und dieses Risiko wird immer größer.
Der neueste Report der NGO "Global Witness" hat ergeben, dass 2019 weltweit mindestens 212 Umweltschützer und Umweltschützerinnen getötet wurden. Das sind im Schnitt mehr als vier Morde pro Woche und mehr als in jedem anderen Jahr seit dem ersten Report für das Jahr 2012.
Die meisten Morde wurden in drei Ländern verübt: in Kolumbien (64), auf den Philippinen (43) und in Brasilien (24).
In der traurigen Rangliste folgen süd- und mittelamerikanische Länder: Mexiko, Honduras, Guatemala und Venezuela. Indigene in Südamerika oder Südostasien, die sich gegen Umsiedlungen und Landnahme wehren, sind besonders oft betroffen. Auch in Indien, Burkina Faso oder Rumänien wurden Menschen umgebracht, die sich für den Naturschutz einsetzten.
Im Mai 2019 habe ich für jetzt, das junge Magazin der SZ, mit fünf jungen Klimaaktivistinnen und -aktivsten aus dem globalen Süden - unter anderem aus Costa Rica und von den Philippinen - über ihre Arbeit gesprochen. Damals waren sie alle motiviert, um ihre Sicherheit waren sie nicht besorgt. Fast zwei Jahre später, im März 2021, habe ich einige von ihnen erneut interviewt - und nun war da nicht mehr nur Enthusiasmus, sondern auch Angst.
Jefferson Estela von den Philippinen etwa war 2019 noch voller Elan, diesmal sprach er vor allem über die Repressionen durch die Regierung. Im Dezember 2020 wurden neun Indigene in der Provinz Iloilo, die sich gegen den Bau eines Staudamms auf ihrem Land gewehrt haben, von der Polizei ermordet, weil sie als "Aufständische" galten. Im März 2021 sind neun politische Aktivistinnen und Aktivisten umgebracht worden. Im vergangenen Sommer wurde außerdem das sogenannte "Anti-Terror-Gesetz" verabschiedet, das vor allem dazu dienen soll, Kritiker und Kritikerinnen von Präsident Duterte mundtot zu machen: "Das ist der Unterschied zwischen Aktivisten und Aktivistinnen hier in Südostasien oder Südamerika und im globalen Norden", sagte Jefferson bei unserem Videotelefonat. "Ihr habt die Freiheit, auf die Straße zu gehen, vielleicht sogar Regierungen, die euch unterstützen. Aber wir haben es hier mit einem autoritären Regime zu tun und bringen mit unseren Forderungen unsere Leben in Gefahr."
Auch darum ist weltweite Solidarität der Akteure und Akteurinnen der Klimabewegung untereinander so wichtig.
Zudem werden Klimaaktivistinnen und -aktivisten auch in Ländern, in denen sie sich zum Glück keine Sorgen machen müssen, verhaftet zu werden, beleidigt und bedroht - allen voran Greta Thunberg. "Warum bringt die junge Frau nicht nur, aber vor allem Rechte und KlimaskeptikerInnen so in Rage?", fragte die Journalistin Anja Krüger in einem Beitrag für die taz. Und gab die Antwort gleich selbst: "Ganz einfach: Weil sie recht hat."
Das ist vermutlich auch einer der Gründe dafür, dass der Protest gegen die Zerstörung der Umwelt und des Klimas für viele Menschen weltweit immer gefährlicher wird: Sie haben die Fakten auf ihrer Seite. Nicht wenige unter jenen, die die Macht in unserem auf fossilen Energien und Ausbeutung der Natur beruhenden System innehaben, fühlen sich von dieser Entwicklung bedroht - und schlagen mit aller Härte zurück. Was man sich dabei immer wieder bewusst machen sollte: Wenn sie gewinnen, verlieren wir am Ende alle.
(Dieser Text stammt aus dem wöchentlichen Newsletter Klimafreitag, den Sie hier kostenfrei bestellen können.)