Klimaschutz:"Es geht ohne Atomenergie"

Wir können mit erneuerbaren Energien und geringerem Verbrauch die Klimaziele erreichen und dabei die Wirtschaft aus der Krise führen. Ohne Atomkraftwerke.

Harry Lehmann

Je mehr die Temperatur auf der Erde steigt, umso wahrscheinlicher ist es, dass es im System Erde zu unumkehrbaren Veränderungen kommt. Steigt die Temperatur bis zum Jahr 2100 um 1,5 bis 2 Grad Celsius an, muss mit dramatischen Auswirkungen gerechnet werden.

Klimaschutz: Deutschland kann die Ziele des Klimaschutzes erreichen - ohne Atomenergie.

Deutschland kann die Ziele des Klimaschutzes erreichen - ohne Atomenergie.

(Foto: Foto: ddp)

Um dies zu verhindern, müssen die Emissionen der Treibhausgase bis zum Jahr 2050 halbiert werden. Für die Industrienationen, die seit jeher die Hauptverursacher dieser Entwicklung sind, bedeutet dies: Sie müssen die Emissionen um 80 Prozent senken, im Vergleich zum Jahr 1990.

In keinem anderen Land ist die Frage der künftigen Energieversorgung so detailliert durch Studien, Szenarien, Enquete-Kommissionen untersucht und öffentlich debattiert worden wie in Deutschland.

Ein wichtiges Ergebnis ist: Deutschland kann mit erneuerbaren Energien und einer effizienteren Nutzung der Energien die Ziele des Klimaschutzes erreichen - und dies ohne Atomenergie.

Langfristig ist es sogar möglich, das Land vollständig mit erneuerbaren Energien zu versorgen. Wie dies funktioniert, zeigen sowohl eine Studie des Umweltbundesamtes als auch zwei Szenarien, die das Prognos-Institut sowie das Energiewissenschaftliche Institut der Uni Köln erstellt haben.

Zunächst geht es darum, bis zum Jahr 2020 die Emissionen um 40 Prozent zu senken und gleichzeitig aus der Kernenergie auszusteigen.

Der Verkehr: Eiliger Handlungsbedarf besteht im Verkehr - der Energie-Einsatz bei Autos ist noch besonders ineffizient. Indem man sparsamere Antriebe entwickelt, den Luft- und den Rollwiderstand der Autos sowie ihr Gewicht reduziert, könnte der Benzinverbrauch zumindest halbiert werden.

Die EU will vom Jahr 2015 an den Kohlendioxid-Ausstoß auf 120 Gramm pro Kilometer senken. Dies kann nur ein erster Schritt sein. Es muss weiter reduziert werden.

Die Wärme: Viel Einsparpotential gibt es auf dem Wärmemarkt. Etwa ein Drittel des gesamten Energieverbrauchs in Deutschland wird eingesetzt, um Räume warm zu halten - überwiegend in privaten Haushalten. Bei einer umfassenden Sanierung der Wohngebäude ließen sich knapp 60 Prozent des derzeitigen Bedarfs an Wärmeenergie einsparen.

Natürlich muss man in Zukunft auch für Neubauten höhere Standards beim Energiebedarf als bisher einhalten. Denn das geltende Klimaschutzprogramm sieht vor, diesen Energiebedarf in den Jahren 2009 und 2012 nochmals um jeweils durchschnittlich 30 Prozent zu verringern. Parallel dazu muss die Nutzung von Solar-Energie massiv ausgebaut werden.

Der Strombedarf: Auch beim Strom kann viel mehr gespart werden als bisher. Würden wir sofort beginnen, alle wirtschaftlichen Stromsparmöglichkeiten in Industrie, Gewerbe und privaten Haushalten konsequent auszuschöpfen, ließen sich innerhalb von zehn Jahren 110 Terawattstunden Jahr für Jahr einsparen - das wären 20 Prozent des jährlichen Stromverbrauchs in Deutschland.

Vieles davon würde sich in weniger als vier Jahren amortisieren. In den vergangenen Jahren ist der Stromverbrauch auch dadurch gestiegen, dass immer mehr Geräte benutzt werden, die Strom brauchen: Handys, Computer, Espressomaschinen, Decoder und so weiter. Selbst wenn die Zahl solcher Geräte künftig noch weiter zunähme, kann der Stromverbrauch bis 2020 um elf Prozent gesenkt werden - wenn die Verbraucher sich dazu entscheiden, besonders energiesparende Geräte zu kaufen.

"Es geht ohne Atomenergie"

Die Ressourcen: Die erneuerbaren Energien haben in Deutschland mittlerweile einen Anteil an der Stromerzeugung von 15 Prozent erreicht; bis zum Jahr 2020 dürfte er sich noch einmal verdoppeln. Dies ist im Wesentlichen dem Erneuerbare-Energien-Gesetz zu verdanken.

Klimaschutz: Harry Lehmann leitet beim Umweltbundesamt in Dessau den Fachbereich, der sich mit Umweltplanung und Strategien für eine nachhaltige Entwicklung beschäftigt.

Harry Lehmann leitet beim Umweltbundesamt in Dessau den Fachbereich, der sich mit Umweltplanung und Strategien für eine nachhaltige Entwicklung beschäftigt.

(Foto: Foto: oh)

Gegner dieses Gesetzes kritisieren oft, hierdurch würden die Bürger oft unzumutbar belastet - dabei muss ein Haushalt mit einem Stromverbrauch von 3500 Kilowattstunden pro Jahr im Monat nur rund drei Euro aufwenden, um über dieses Gesetz Sonne-, Wind- und Wasserenergie zu fördern.

Für diesen geringen Preis konnten die Kosten der Nutzung erneuerbarer Energien drastisch gesenkt werden, und es konnten die Technologien für eine nachhaltige Energieversorgung entwickelt werden.

Zugleich war dies die Basis für den Aufbau einer Branche, die heute rund 250.000 Arbeitsplätzen allein in Deutschland stellt. Und die effizienteste Form überhaupt, Brennstoffe zu nutzen, ist die Kraft-Wärme-Kopplung. Sie ist eine weitere Grundlage der künftigen Strom- und Wärmeversorgung. Es ist möglich, bis 2020 ein Viertel des Stroms auf diesem Weg zu erzeugen.

Keine "Stromlücke" zu erwarten

Diese und weitere Schritte können die Kohlendioxid-Emissionen von 841 Millionen Tonnen im Jahr 2007 auf 571 Millionen Tonnen im Jahr 2020 verringern - auch ohne weitere Nutzung der Kernenergie.

Es gibt vereinzelte Stimmen, die vor einer "Stromlücke" im Jahr 2020 warnen, also vor einem Angebot, das geringer als der Bedarf ist. Die Untersuchungen des Umweltbundesamts und ein Bericht des Bundeswirtschaftsministeriums zur Versorgungssicherheit in Deutschland zeigen hingegen, dass auch mit dem Atomausstieg und trotz der Stilllegung alter Kohlekraftwerke keine Engpässe in der Stromversorgung zu erwarten sind.

Da eine sichere und effiziente Energieversorgung ohne Atomstrom möglich ist, sollte man am Atomausstieg festhalten - zu viele Risiken sind damit verbunden, und die Entsorgungsfrage ist nach wie vor ungeklärt. Ganz abgesehen davon, dass auch die Erzeugung von Atomstrom mit der Emission von Klimagasen verbunden ist.

Angesichts der Wirtschaftskrise gibt es nun Forderungen, den Klimaschutz zu verschieben. Wer dies verlangt, ignoriert, dass viele Vorkehrungen zum Klimaschutz wirtschaftlich sinnvoll sind und die Wettbewerbsfähigkeit verbessern. Sie helfen, unsere Infrastruktur und Gebäude zu modernisieren.

Die erneuerbaren Energien sind ein wichtiger Zukunftsmarkt und ihre Förderung in Deutschland erlaubt der deutschen Wirtschaft, die Techniken dazu zu exportieren und Arbeitsplätze zu schaffen. Letztlich hilft die Wende zu einer effizienten Energiewirtschaft auf der Basis erneuerbarer Ressourcen, unabhängiger von Energie-Importen zu werden.

Klimaschutz muss langfristig, geduldig und ohne Zaudern verwirklicht werden, auch in Zeiten einer Wirtschaftskrise. Wirtschaftskrisen kommen und gehen, die Folgen des Klimawandels aber werden bleiben und die Menschen und die Wirtschaft langfristig belasten.

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