Klimawandel:Echt aggro

Klimawandel: Protest am Ende der Autobahnabfahrt in Fürstenried: Zwei Männer und eine Frau blockieren die vielbefahrene Straße und fordern mit Plakaten eine klimafreundlichere Politik.

Protest am Ende der Autobahnabfahrt in Fürstenried: Zwei Männer und eine Frau blockieren die vielbefahrene Straße und fordern mit Plakaten eine klimafreundlichere Politik.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)

Radikaler Klimaprotest nimmt in Kauf, andere Menschen aggressiv zu machen und gegen den Umbau der Erde aufzubringen. Kann das der richtige Weg sein?

Kommentar von Vera Schroeder

Die Frage, wie radikal man für eine bessere Welt kämpfen darf, ist wahrscheinlich so alt wie die Idee von einer besseren Welt an sich. Und womöglich gehört es zum Prinzip dieser Idee, zu meinen, dass es diesmal nun aber wirklich um alles geht.

Ist ja auch so: Der Planet brennt. Kaum eine Woche, in der nicht neue Studien zu Rekordtemperaturen, Verschmutzungen, Biodiversitätsverlusten, möglichen Kipppunkten der Ökosysteme des Planeten veröffentlicht werden. Erst vor wenigen Tagen meldete die UN-Organisation für Meteorologie (WMO), dass 2021 gleich vier Indikatoren für den Klimawandel neue Rekordwerte erreichten. Dazu ein Krieg (und andere menschengemachte Gründe), durch den das so dringende Ende der fossilen Energien plötzlich wieder in weite Ferne zu rücken scheint.

Manche zu verlieren, ist ein Preis, den die Protestierenden zu zahlen bereit sind

Wer würde sich in Anbetracht all dieser Nachrichten nicht am liebsten auf die Straße legen und einfach nur ganz laut schreien? Also im Prinzip genau das tun, was die Aktivistinnen und Protestler radikaler Klimaschutzbewegungen wie "Letzte Generation" oder "Extinction Rebellion" derzeit mal mehr, mal weniger medienwirksam umsetzen?

Ziemlich viele Menschen wollen das allerdings auch nicht. Zum Beispiel all jene, die man nun auf viral gehenden Videoschnipseln von den Protestaktionen sieht, wie sie Demonstrierende von der Straße zerren und abscheulich bis justitiabel beschimpfen. Aber es sind eben nicht nur die SUV-Fahrer, die man mit Sitzblockaden so wütend machen kann, dass beim Demonstranten-Wegschleifen ihr geschlecktes Hemd aus der Hose rutscht. Proteste, in die auch unbeteiligte Dritte hineingezogen werden, machen auch viele andere Menschen aggressiv, vielleicht sogar panisch. Menschen, die gleichzeitig ahnen, dass der geforderte Umbau der Welt auch für ihr kleines, einziges Leben hohe Kosten haben wird. Und die auch deshalb wenig Lust darauf haben, sich von denen, die es jetzt schon besser wissen und alle anderen der Verdrängung bezichtigen, diesen Umbau von Null auf gleich und ohne Rücksicht auf die träg-starke Kraft gesamtgesellschaftlichen, demokratisch ausgehandelten Wandels aufzwingen zu lassen.

Diese Menschen für den Umbau am Ende womöglich zu verlieren oder noch schlimmer, sie dagegen aufzubringen, ist ein Preis, den die Protestierenden für die Währung Aufmerksamkeit zu zahlen bereit sind. Was bleibt, ist Abwägung.

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