Kolumne "Klimafreitag":Wo werden wir in fünf Jahren sein?

Weltweite Proteste von Fridays for Future

Ein Hilferuf für den Planeten beim globalen Klimastreik der Klimaschutzbewegung Fridays for Future in Stuttgart.

(Foto: dpa)

Zum fünften Geburtstag des Klimaabkommens von Paris denkt Dirk von Gehlen im Klimafreitag darüber nach, was sich in fünf Jahren alles ändern kann.

Von Dirk von Gehlen

Fünf Jahre, heißt es, habe die Gesellschaft durch die Corona-Krise übersprungen: Innerhalb kürzester Zeit habe das Leben sich in einer Weise digitalisiert, wie es im gewohnten Tempo erst im Jahr 2025 gelungen wäre. Dienstreisen fallen aus, Menschen arbeiten außerhalb des Büros und Videokonferenzen werden zum Standard - all das ist Ergebnis der Fünfjahres-Beschleunigung, die wir in den vergangenen Monaten erlebt haben.

Fünf Jahre ist es in diesen Tagen her, dass über 150 Staats- und Regierungschefs in Paris die Weltklimakonferenz eröffneten. Nach zwei zähen Verhandlungswochen brachte die "COP 21" eine Einigung zustande, die am 12.12.2015 unterzeichnet wurde: Das Pariser Klimaabkommen feiert an diesem Wochenende also Geburtstag. Al Gore sagte damals: "Unsere Enkel werden einmal über die menschliche Zivilcourage zur Lösung der Klimakrise nachdenken. Und dann werden sie auf den 12. Dezember 2015 schauen als den Tag, an dem die Weltgemeinschaft endlich die Entscheidung traf, zu handeln."

Von der Euphorie der Dezembertage 2015 ist fünf Jahre später nicht mehr allzu viel übrig. Die Welt ist eine andere als damals, sie kämpft aktuell mit den Herausforderungen der Corona-Pandemie, die vieles andere überdeckt. Man sollte aber zum Beispiel nicht vergessen, dass seit dem 12.12.2015 eine neue weltweite Umweltbewegung entstanden ist. Fridays for Future hat das Thema mit Wucht auf die politische Agenda gehoben und damit bewiesen: Veränderung ist möglich.

Robert Musil schreibt in seinem "Mann ohne Eigenschaften" vom Möglichkeitssinn. Ich mag diesen Begriff (ich habe vor längerer Zeit auch diesen Essay in der SZ dazu geschrieben). Er bezeichnet die Fähigkeit, in Chancen zu denken, die Möglichkeiten zu sehen. Manchmal geht das unter den Herausforderungen der Gegenwart verloren. Man flüchtet sich dann in eine glorifizierte Vergangenheit und droht darüber zu vergessen, dass Zukunft kein unveränderliches Schicksal ist, sondern ein gestaltbarer Ort sein kann. Dafür muss man den Möglichkeitssinn trainieren, man kann den Blick dafür schärfen, Gestaltungsräume zu erkennen und zu sagen: Fünf Jahre nach Paris besteht auch Hoffnung. Mit trainiertem Möglichkeitssinn kann man im Dezember 2020 viele Gründe dafür sehen. Die USA wollen doch wieder zurück auf die Vereinbarungen von Paris, China will vor 2060 klimaneutral werden und die EU einigt sich auf eine verschärftes Klimaziel.

Reicht das? Vermutlich nicht, aber vielleicht ist es ein Anfang. Und vielleicht kann in Bezug auf die Klimakrise ja das passieren, was in der Corona-Krise mit der Digitalisierung geschah: Wir haben innerhalb weniger Monate fünf Jahre aufgeholt.

(Dieser Text stammt aus dem wöchentlichen Newsletter Klimafreitag.de)

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