SZ-Klimakolumne:Warum ist es so schwer, aus Naturkatastrophen zu lernen?

Lesezeit: 2 Min.

Renaturierte Flussauen, wie hier die Reschenbachaue an der Würmmündung, können viel Wasser halten und sind auch wertvolle Biotope. (Foto: Niels P. Joergensen/joergensen.com)

Vernünftige Lösungen, um die Erderwärmung zu stoppen und sich ihr gleichzeitig anzupassen, sind seit Langem bekannt. Warum die Umsetzung schwierig bleibt.

Von Vera Schroeder

„Das Land muss trocken sein“ ist so ein Glaubenssatz, der über Jahrhunderte in der Landwirtschaft in Europa galt. Schließlich war der Feind einer guten Ernte in diesen Breiten stets eher zu viel feuchte und damit schlecht nutzbare Fläche. Deshalb wurden Flüsse begradigt und in enge Deiche gepackt, Moore und Feuchtgebiete entwässert. Doch heute braucht es einen neuen Glaubenssatz. „Das Land muss das Wasser in der Fläche halten“ wäre ein guter.

Auch wenn es in diesen Tagen erstmal kontraintuitiv klingt: Das viele Wasser, dass nun unter verzweifelter Anstrengung allerorts abgepumpt und über die großen begradigten Flusssysteme möglichst schnell einfach nur weg, Richtung Meer gewünscht wird, könnte in ein paar Monaten fehlen.

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Höhere Temperaturen bedeuten eben nicht nur mehr Feuchtigkeit in der Luft, die sich dann mit mehr Energie kräftig entlädt. Warum genau derlei Wetterlagen in ihrer Stärke und Häufigkeit durch den Klimawandel zunehmen, beschreibt Christoph von Eichhorn in dieser Geschichte. Gleichzeitig kommt es auch in Deutschland immer öfter zu langen Dürreperioden, in denen das Wasser im Boden fehlt. Die Sache ist aus dem altbekannten Gleichgewicht geraten, aus dem leider nicht nur viele Glaubenssätze, sondern auch unsere blaue Infrastruktur stammt.

Was sich ändern müsste, ist seit Jahren bekannt, zum Teil sogar gesetzlich verankert. Flüsse und Auen müssen renaturiert werden, entwässerte Feuchtgebiete gehören wiedervernässt. Nicht nur, weil naturnahe Auenlandschaften oder nasse Moore große Retentionsflächen sind, also im Falle eines drohenden Hochwassers viel Wasser schadlos aufnehmen und die Pegelstände damit insgesamt niedriger halten können. Sondern auch, um dieses Wasser länger im Land zu behalten und anschließend über neu gedachtes Wassermanagement schlau dorthin zu verteilen, wo es gebraucht wird. Uwe Ritzer erklärt die aktuelle Situation des Wassermanagements in Deutschland in diesem lesenswerten Text.

Solche naturnahen Lösungen werden aber selten umgesetzt. Von wenigen Einzelprojekten abgesehen kommen die Renaturierungspläne derzeit nicht in die Fläche. Zu viele Fragen sind offen: Die Verwaltungsstrukturen fehlen, die Förderrichtlinien für Landwirte, die auf Flächen verzichten oder sie anders nutzen müssten, sind unklar, das EU-Renaturierungsgesetz steht seit Monaten auf der Kippe und schrumpft dabei auf ein Gerippe zusammen. Das groß verkaufte Aktionsprogramm „Natürlicher Klimaschutz“ wird wegen dieser strukturellen Herausforderungen wenig abgerufen.

Und so bleibt das letzte Fünkchen Hoffnung, dass die schrecklichen, zerstörerischen Fluten der vergangenen Tage wenigstens in manchen Köpfen doch ein Umdenken anregen und die Klimakrise noch ernster genommen wird. Aus vergangenen Flutkatastrophen wie dem Ahrtal ist jedoch auch bekannt, wie schnell Menschen wieder in ihre alten Bedürfnismuster verfallen und dann doch hoffen, dass sie so ein Unglück ja schließlich nicht noch einmal treffen kann. Viele Häuser wurden dort just an dem Ort wieder aufgebaut, an dem sie geflutet wurden. In Umlauf ist der Begriff „Hochwasserdemenz“.

Andererseits: Auch in Bezug auf psychologische Mechanismen wie Verdrängung und Wunschdenken müsste man dazulernen. Um so die oft kontraproduktiven inneren Reflexe reflektieren und dann überlisten zu können. Hoffentlich bleibt dafür genug Zeit.

(Dieser Text stammt aus dem wöchentlichen Newsletter Klimafreitag , den Sie hier kostenfrei bestellen können.)

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