Klimakonferenz in Durban:"Es ist Zeit, sich vorwärts zu bewegen"

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Die bangen Stunden werden immer länger. Mittlerweile sitzen die Delegierten im Plenum der Klimakonferenz, sie verhandeln über die Feinheiten des Kyoto-Protokolls. Ob die Klimakonferenz in Durban ein gutes Ende nehmen wird, ob es überhaupt eine Fortsetzung des Kyoto-Protokolls geben wird - keiner weiß es.

Michael Bauchmüller, Durban

Die bangen Stunden werden immer länger. Mittlerweile sitzen die Delegierten im Plenum der Klimakonferenz, sie verhandeln jetzt seit nahezu 48 Stunden nonstop. Ob die Klimakonferenz in Durban ein gutes Ende nehmen wird, ob es überhaupt eine Fortsetzung des Kyoto-Protokolls geben wird - keiner weiß es in dieser Nacht.

Die Umweltorganisation Greenpeace protestiert beim Klimagipfel in Durban - gleichzeitig geht es um kniffelige Feinheiten der Klimapolitik. (Foto: dpa)

Das Drama hatte am Freitagabend begonnen. Südafrikas Außenministerin Maite Nkoana-Mashabane den Delegationen hatte einen ersten Kompromissentwurf vorgelegt. Er sollte einen Weg bahnen für die Verlängerung des Kyoto-Protokolls einerseits und für den Einstieg in ein neues, rechtlich verbindliches Abkommen andererseits. Es ist die Schlüsselfrage dieser Konferenz: Schon im nächsten Jahr laufen die gegenseitigen Verpflichtungen aus dem Kyoto-Protokoll aus. Dann droht ein klimapolitisches Vakuum.

Vor allem kleine Inselstaaten und Entwicklungsländer drängen darauf, dass am Ende beides herauskommt: Eine Verlängerung des Kyoto-Protokolls, damit zumindest der einzige globale Klimavertrag erhalten bleibt; und ein neues Klimaabkommen, das dann auch andere Industriestaaten und große Schwellenländer zum Klimaschutz verpflichtet. Auch solche, die davon bisher nichts wissen wollen, etwa die USA oder China. Die Europäer wiederum, die im Kyoto-Protokoll die Hauptlast tragen, wollen nur verlängern, wenn die USA und China in den nächsten Jahren in den verbindlichen Klimaschutz einsteigen.

Eine explosive Mischung.

Schon in der ersten Sitzung geht die Ladung hoch. Den Entwicklungsländern, auch den Europäern, ist der Vorschlag der Südafrikanerin zu schwach. Nach knapp drei Stunden endet die Sitzung: Mit dem Auftrag an Nkoana-Mashabane, einen neuen Entwurf vorzulegen, einen besseren. Der kommt kurz vor Mitternacht. Und seitdem wird, mit einer Unterbrechung, verhandelt. Schon jetzt ist es die längste Konferenz in der Geschichte der internationalen Klimadiplomatie.

"Dieses multilaterale System bleibt fragil, es wird keinen weiteren Schock verkraften", appelliert Nkoane-Mashabane am Samstagabend noch einmal - mit Blick auf die gescheiterte Klimakonferenz in Kopenhagen. Zu diesem Zeitpunkt hatte eine kleine Runde von Ministern gerade einen Kompromisstext fertig, nach fast fünf Stunden Verhandlung: Kyoto wird fortgesetzt, ein neues Klimaabkommen bis 2015 ausgehandelt. "Wir alle wissen, dass diese Texte nicht perfekt sind", sagte Nkoane-Mashabane. "Aber wir sollten das Perfekte nicht zum Feind des Guten und Möglichen sein lassen."

Seit dem Samstagabend verhandeln nun die Staaten im Plenum, sie sind schon einen Tag über die Zeit. Noch in der Nacht müssen sie eine Einigung finden. Doch schon gärt es. Venezuela fühlt sich übergangen, Saudi-Arabien möchte stärkere Formulierungen, Russland will mehr Treibhausgas-Kredite, die noch aus dem Zusammenbruch der sowjetischen Industrie herrühren. Gibt es aber keine Einigung auf die Fortsetzung des Kyoto-Protokolls, wird es auch keinen Fahrplan für ein neues Klimaabkommen geben. Dann scheitert die ganze Konferenz. "Wir sind in einem sehr schwierigen Moment", sagt Brasiliens Chef-Unterhändler Luiz Alberto Figueiredo am Samstagabend. "Es ist Zeit, sich vorwärts zu bewegen."

Möglich sind im Wesentlichen drei Varianten.

[] Die Staaten schaffen den Durchbruch. Dann würde einerseits das Kyoto-Protokoll verlängert, voraussichtlich bis Ende 2017. Gleichzeitig aber würden sie vereinbaren, bis spätestens 2015 ein neues Klimaabkommen auszuhandeln, und zwar für alle Staaten.

[] Die Staaten geben fürs erste auf. Können sie sich nicht einigen, dann kann die Konferenz auch "die Uhr anhalten". Die Verhandlungen würden unterbrochen und könnten im Sommer fortgesetzt werden, etwa in Bonn. So eine Situation gab es schon einmal, Ende 2000 in Den Haag. Ob dann noch einmal der Druck entsteht, der in diesen Stunden auf den Staaten lastet, ist allerdings fraglich.

[] Die Staaten schließen einen faulen Kompromiss. Um die Schwierigkeiten etwa mit den USA zu umschiffen, könnten sie zwar ein neues Klimaabkommen vereinbaren, aber Form und Zeitpunkt offen halten. Damit wäre nicht einmal klar, ob sich alle Staaten daran halten müssen, geschweige denn, ob es irgendwem nutzt. Allerdings haben die Europäer schon angekündigt, da nicht mitzumachen - siehe Variante zwei.

Selbst die wenigen Erfolge der Konferenz stünden dann in Frage: So hatten die Minister immerhin schon eine Einigung über den "Green Climate Fund" gefunden, der in Zukunft Entwicklungsländern helfen soll, mit den Folgen des Klimawandels klarzukommen. Ob der noch verabschiedet wird, wenn alles andere scheitert? Das weiß in diesen bangen Stunden kein Mensch.

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