Süddeutsche Zeitung

Klimakonferenz auf Bali und die USA:So nah das Ende

Für einen Fortschritt beim Klimaschutz stehen bislang alleine die Europäer. Sie haben als erste das plumpe Eigeninteresse abgelegt. Die Schwellenländer China, Brasilien, Indien sind gefolgt. Die Abwesenheit der USA aber können sie alle nicht ausgleichen. Amerika hat die Klimakonferenz nah ans Scheitern gebracht.

Michael Bauchmüller

Es steht nur eine Fußnote dort, wo eigentlich ein Bekenntnis zum Klimaschutz hingehört hätte. Wer nach all der wissenschaftlichen Erkenntnis dieses Jahres, nach Aufrufen aller möglichen Staats- und Regierungschefs im September in New York, nach der Verleihung des Friedensnobelpreises an Al Gore und den Weltklimarat einen Durchbruch im Kampf gegen die Erderwärmung erwartet hat, bleibt enttäuscht zurück. Die Klimakonferenz auf Bali war ein Treffen der Semantiker, nicht der Weltretter.

Das Ergebnis von Bali, der Aufbruch in neue Klimaverhandlungen, lässt sich aber auch freundlicher interpretieren. Globale Klimapolitik ist eine komplexe, mitunter recht sensible Angelegenheit. Gemessen an den Diskussionen, die die Staaten noch vor einem Jahr in Nairobi geführt haben, hat sich auf Bali eine Menge getan.

Die Tatsache, dass sich knapp 190 Staaten überhaupt darauf verständigen konnten, neue Verhandlungen aufzunehmen, dass sie sich erste Ziele bis 2020 gegeben haben - das ist ein gewaltiger Fortschritt, selbst wenn er nur in einer Fußnote versteckt ist. Auch das Kalkül von Heiligendamm ist aufgegangen: Die USA haben sich, nicht ohne Dramatik, auf den Weg zurück in ein Klimaabkommen gemacht.

Reicht das? Zweifel sind angebracht. Bei genauem Hinsehen enthalten die Verhandlungsdokumente mehr als nur den Fahrplan für neue Klimaverhandlungen. Sie sind voller Ausnahmen, Hintertürchen, Vorbehalte. Im schwierigen Kompromiss von Bali steckt in jeder Zeile mindestens ein Partikularinteresse.

Viele Staaten, vor allem die Schwellenländer, haben sich so ihre Zustimmung abkaufen lassen. Und die sogenannte Bali-Roadmap, der Bauplan für das neue Klimaabkommen, ist die Illusion einer Win-win-Situation, eines Klimaschutzes, der nur Gewinner kennt.

Was aber, wenn diese Illusion zerplatzt? Wenn sich zeigt, dass die Industriestaaten zwar willens sind, ihre eigenen Emissionen zu mindern - aber nicht, den Umbau der saudischen Ölwirtschaft mitzufinanzieren? Wenn erst einmal klar wird, wie viele Milliarden der Norden aufbringen muss, damit Waldbesitzer in den Tropen ihre Bäume stehen lassen?

Noch nie in der Geschichte der Menschheit sind Staaten gemeinsam so weit gegangen, um ein Problem zu lösen. Nur sieht es so aus, als gerieten sie mit jedem Schritt näher an den Punkt, an dem sie mit den bisherigen Methoden nicht weiterkommen; dieser Punkt ist der Zahltag.

Das heißt nicht, dass es keine globale Antwort auf den Klimawandel geben kann. Angesichts der Tragweite des Problems braucht der Klimaschutz nur eine neue, andere Dynamik als bisher. Für diese Dynamik stehen bisher allein die Europäer. Sie alleine beweisen derzeit Mut zur Führung, die Bereitschaft, tatsächlich eine Last zu schultern.

Im Jahr 2007 hat dieser Mut erstaunlich weit getragen. Er hat geholfen, die Zurückhaltung der Schwellenländer aufzubrechen. China, Indien, Brasilien und Südafrika bremsen nicht mehr den Klimaschutz, sie fördern ihn. Legen erste Staaten das plumpe Eigeninteresse ab, fällt dies offenbar auch anderen leichter.

Die Abwesenheit der USA aber können sie alle nicht ausgleichen; sie fehlen nicht nur als größter Treibhausgas-Emittent, sondern auch als Führungsmacht. Das Einlenken der US-Delegation auf Bali, der Verzicht auf ein schon angekündigtes Veto, war ein bemerkenswerter Schritt für ein Land, das in allen anderen Feldern der Weltpolitik eben diese Führungsrolle beansprucht.

Erstmals haben sich die USA damit den restlichen Staaten sichtbar untergeordnet, in Ermangelung jeglicher Alliierter. Für Washington dürfte dieser Umstand dauerhaft schwer erträglich sein; die Post-Bush-Regierung wird diese Isolation kaum dulden wollen. Das nährt Hoffnung.

In dem Moment, in dem sich die USA endlich an die Spitze der Klimabewegung setzen, in dem sie begreifen, dass es hier um die Zukunft des globalen Wohlstands geht, wird auch das Spiel enden, in dem bisher noch jede Klimakonferenz ihre Ergebnisse spiralförmig nach unten geschraubt hat. Dass dieser Prozess das Bali-Mandat nicht in die völlige Beliebigkeit geführt hat, verdankt die Welt den Europäern, übrigens nicht zuletzt der harten Haltung des Umweltministers Gabriel.

Nicht die Beratungen auf Bali, sondern die nächsten zwei Jahre entscheiden über die Zukunft des globalen Klimaschutzes. Gelingt es, die Amerikaner nicht nur ins Boot zu holen, sondern auch auf die Kommandobrücke? Gelingt es, Kohlenstoffen in allen Industrien der Welt einen Preis zu geben, wie es den Europäern mit ihrem Emissionshandel gelungen ist? Dann wäre eine globale Vollbremsung, also die Abkehr von der Verbrennung unseres fossilen Erbes, vielleicht noch machbar.

Gelingt dies nicht, dann steht der multilaterale Klimaschutz insgesamt vor dem Aus. Dann kapitulieren die Vereinten Nationen kollektiv vor der größten Herausforderung, der sich Menschen je gemeinsam stellen mussten. Die letzten Stunden der Klimakonferenz auf Bali haben gezeigt, wie nah dieses Ende ist, die USA hatten es in der Hand. Ein Wort hätte genügt, um die Konferenz zu sprengen. Dass sie es nicht aussprachen, ist womöglich ein ganz guter Anfang.

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SZ vom 17.12.2007/jkr
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