Klimagipfel Kopenhagen:Von CO2penhagen bis Hopenhagen

Der Klimagipfel könnte ein Spiel voller Bluffs und verborgener Trumpfkarten werden. Doch noch wird die Einigkeit beschworen.

Christopher Schrader, Kopenhagen

Die ganze Stadt hat sich auf die Konferenz vorbereitet, an Fassaden hängen Banner, auf den großen Plätzen im Stadtzentrum sind Ausstellungen und Informationsbuden installiert. Der englische Name der dänischen Hauptstadt, Copenhagen, muss für allerlei Wortspiele herhalten, von CO2penhagen bis Hopenhagen - bei denen das wichtigste Klimagas Kohlendioxid und das englische Wort für Hoffung (hope) in den Namen eingeflossen ist. Letzteres ist sogar der offizielle Name für eine Art Jahrmarkt auf dem Rathausplatz.

Klimagipfel Kopenhagen

Globen in Kopenhagen symbolisieren die weltweite Bedeutung des Gipfels.

(Foto: Foto: Reuters)

Am anderen Ende der Fussgängerzone, auf dem Platz vor dem Königlichen Theater, dem Kongens Nytorf, sind anderthalb Meter große Globen installiert, die von Künstlern gestaltet wurden. Einer hat die Kugel mit einem gestrickten, meerblauen Pullover eingekleidet, um auf die Überhitzung aufmerksam zu machen, ein anderer hat das Motiv von Edvard Munchs Gemälde Der Schrei auf die Kugel gemalt, auf den Pazifik, also genau zwischen China und die USA, die wohl wichtigsten Länder auf der Konferenz.

Schon am Flughafen Kopenhagens begrüßt eine Anzeigen-Kampagne von Greenpeace die Delegierten. Die wichtigsten westlichen Regierungschefs erscheinen darauf, wie sie - gealtert und von Gram gezeichnet - im Jahr 2020 ihre Reue darüber bekennen, dass sie 2009 ihre Chance vertan haben: Angela Merkel mit tiefen Falten und geschwollenen Tränensäcken, Barack Obama und Nicolas Sarkozy mit grauen Haaren.

Damit es nicht soweit kommt, haben am ersten Tag der Klimakonferenz die Politiker an die Delegierten appelliert, ihre Differenzen zu überwinden.

"Nach den Konferenzen in Bonn, Barcelona und Bangkok ist nun das C an der Reihe", sagte die per Akklamation ernannte Präsidentin der Konferenz, Connie Hedegaard, die ehemalige dänische Klimaministerin und designierte Klimakommissarin der EU. Das "C" steht für sie nicht nur für den englischen Namen ihrer Hauptstadt, sondern auch für Kooperation, konstruktives aufeinander zugehen, Konsens und Verpflichtung, lauter Begriffe, die im Englischen auch mit C beginnen.

Argumente für die Delegierten, in Kopenhagen einen wirksamen Vertrag zum Klimaschutz zu beschließen, präsentierten die Politiker zur Eröffnung des Kongresses genug. Rajendra Pachauri übernahm dabei den rationalen Part. Der Leiter des Weltklimarats IPCC erinnerte die Delegierten an die Ergebnisse der Klimaforschung. Sollte die Erwärmung der Erde ungebremst weitergehen, werde das mit großer Wahrscheinlichkeit dazu führen, dass Eiskappen auf den Polarmeeren noch in diesem Jahrhundert und später womöglich auch die Gletscher in Grönland abschmelzen und in einigen Jahrhunderten eventuell einen Meeresspiegelanstieg von sieben Metern auslösen.

Außerdem erwarten die Klimaforscher zunehmenden Wassermangel am Mittelmeer, in manchen Ländern Afrikas könnten die Erträge der Landwirtschaft um 50 Prozent zurückgehen. Andererseits könne die Umstellung vor allem der Energiewirtschaft, wie das Beispiel des Gastgebers Dänemark und Deutschlands zeige, den Ländern viele Vorteile bieten, die von neuen Arbeitsplätzen bis zu sauberer Luft reichen.

Die Geschichte des Jungen Nyi Lay

Der Leiter des UN-Klimasekretaritats Yvo de Boer hingegen wählte zunächst einen eher emotionalen Zugang zum Thema. Er erzählt die Geschichte des sechsjährigen Jungen Nyi Lay, der in einem tropischen Wirbelsturm von Vater, Mutter und Geschwistern getrennt wurde, und die Flut nur an einen schwimmenden Baum geklammert überlebte, während der harte Regen auf seinen Rücken prasselte. Seine Eltern und ein Bruder blieben nach der Katastrophe verschollen. Dieses Schicksal müsse die Welt möglichst vielen Kindern ersparen. "Mit dieser Konferenz haben wir schon Geschichte geschrieben. Und wir werden weiter Geschichte schreiben, wir müssen nur aufpassen, dass es die richtige Geschichte ist."

Spiel mit Bluffen und Trumpfkarten

In der Tat hat die Konferenz in Kopenhagen ein enormes Pensum vor sich. Die offiziellen Regierungsvertreter verhandeln in sechs verschiedenen Foren. Die Namenschilder der Delegationen sind entweder schwarz auf weiß oder weiß auf schwarz gehalten, je nachdem zu welcher Gruppe ein Staat gehört. Und bei allem müssen die Staaten Einstimmigkeit erreichen.

Das hat gleich nach den einstimmenden Worten zur Einigkeit den Delegierten des Inselstaates Papua-Neuguinea veranlasst, in der Debatte über die Geschäftsordnung einen explosiven Antrag zu stellen. Bei einem Patt solle auch eine 75-prozentige Mehrheit der Regierungen entscheiden können, forderte er hartnäckig - so lange bis ihm Delegierte aus Brasilien und Sierra Leone widersprachen. Kein Land will schließlich leichtfertig seine Vetomacht in den komplizierten Verhandlungen aufgeben.

Die wichtigsten Themen in Kopenhagen sind einerseits Verpflichtungen, den Ausstoß von Klimagasen wie Kohlendioxid deutlich zu reduzieren. Andererseits geht es um finanzielle Hilfen der reichen für die armen Länder. Das Geld soll es letzteren ermöglichen, nicht nur die Folgen des Klimawandels zu bewältigen, sondern auch ihre Armut mit einer wirtschaftlichen Entwicklung zu überwinden, die auf umweltfreundlicher Technologie beruht. Dieses zweite Ziel nannte Connie Hedegaard "fast schwieriger zu erreichen als das erste".

Zunächst einmal scheint der Gipfel in finanzieller Hinsicht aber gut zu beginnen. Yvo de Boer vermeldete stolz, dass Europa, Amerika, Japan und Australien bereits im Prinzip zugesagt hätten, ihren Beitrag zu einem Fonds für die kurzfristige Hilfe an ärmste Staaten zu leisten, der zehn Milliarden Dollar für jedes der drei kommenden Jahre enthält (zusammen etwa 20 Milliarden Euro).

Der amerikanische Verhandlungsführer Jonathan Pershing bestätigte, sein Land werde einen "fairen Beitrag" dazu leisten, das sei ein "zentrales Element der Klimapolitik" der Regierung Obama. Nach SZ-Informationen aus Brüssel will ein Gipfel der Regierungschefs am Donnerstag beschließen, bis 2012 jährlich "zwei bis drei Millionen Euro", so EU-Diplomaten, beizusteuern; aus Washington soll offenbar eine ähnliche Summe kommen. "Ohne Soforthilfen würde die Klimakonferenz vorzeitig scheitern", sagte ein hoher EU-Diplomat.

Schwieriger dürften die Verhandlungen über langfristige Zahlungen werden, zumal es hier um Summen weit über 100 Milliarden pro Jahr geht. Umwelt- und Bürgerrechtsgruppen mahnten in Kopenhagen, die reichen Staaten sollten dafür frisches Geld aufbringen und es nicht mit ihren Ausgaben für Entwicklungshilfe verrechnen, wie es unter anderem Deutschland plant. "Die Hilfe muss auf lange Dauer zuverlässig sein, das darf kein Geld sein, was die Industriestaaten irgendwo in ihren Haushalten finden", sagt Antonio Hill von Oxfam.

Der Leiter der EU-Delegation, der schwedische Umweltminister Andreas Carlgren, sagte hingegen, Europa habe sich auf langfristige Hilfen eingestellt: "Wir haben das Verhandlungsmandat, das wir brauchen". Beschlüsse des EU-Gipfels hingegen wünschte er sich eher nicht, wohl weil sie die kommende Pokerrunde beeinflussen könnten.

Ein Spiel mit Bluffen und spät gezogenen Trumpfkarten steht womöglich auch bei den Gesprächen bevor, in denen es darum geht, welche Nation ihre Emissionen wie weit senkt. Hier hat die EU ein doppeltes Angebot gemacht: Allein reduziert sie den Ausstoß bis 2020 um 20 Prozent unter die Werte von 1990. Aber wenn andere Länder auch gute Angebote machen, geht Europa auf 30 Prozent. "Wir wollen gern auf 30 gehen", sagte Carlgren, "und ich wäre enttäuscht, wenn am Ende die Zusagen der anderen Länder nicht dafür ausreichen. Aber wir dürfen das erst im Endspiel kurz vor dem Ende der Konferenz entscheiden. Sonst laufen wir Gefahr ein Abkommen abzuschließen, das zu wenig ehrgeizig ist."

Bleibt es bei politischen Absichtserklärungen?

Eine Koalition von Umweltgruppen unter dem Namen Tck Tck Tck übergab Connie Hedegard und Yvo de Boer bei einer Pressekonferenz symbolisch die Unterschriften von mehr als zehn Millionen Menschen, die sich für ein "faires, ehrgeiziges und bindendes Abkommen" in Kopenhagen einsetzen. Besonders über die Vokabel "bindend" dürfte es dabei noch viele Debatten geben.

Zurzeit erscheint es nämlich möglich, dass die Staatschefs, die zum Ende der Konferenz anreisen, lediglich ein politisches, aber noch kein rechtlich bindendes Abkommen unterschreiben. Das sei nicht genug, kritisiert zum Beispiel Tove Ryding von Greenpeace: "Wer ein Haus kauft, dem reicht ein politischer Vertrag nicht, er braucht einen legalen. So ist das auch bei den vielen Menschen der Welt, deren Häuser der Klimawandel bedroht."

Connie Hedegaard will nun auf der Konferenz immerhin darauf drängen, dass der Gipfel auch ein verbindliches Datum beschließt, bis zu dem ein eventuelles politisches Abkommen zum völkerrechtlichen Vertrag werden muss. Sie bedankte sich ausdrücklich bei den jungen Leuten von Tck Tck Tck, die ihr die Unterschriften gebracht hatten. "Ihr Engagement erhöht den politischen Preis, den die Führer der Welt zahlen müssen, wenn sie das hier nicht hinbekommen."

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