Klimagipfel Kopenhagen:Nicht unsere Schuld, doch unser Schaden

Die Industrieländer verursachen den Klimawandel, der Afrika am härtesten trifft. Sie sollten dafür bezahlen.

Meles Zenawi

Der Klimawandel wird zuerst und am härtesten Afrika treffen - einen Kontinent, der praktisch nichts zu dessen Entstehung beigetragen hat.

Meles Zenawi

Meles Zenawi, 54, ist Premierminister von Äthiopien. Er leitet die afrikanische Delegation bei der Klimakonferenz in Kopenhagen.

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Abgesehen von der Antarktis ist Afrika der einzige Kontinent auf der Welt, der nicht industrialisiert ist. Tatsächlich wurde die Industrialisierung, die es in Afrika gegeben hat, seit den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts im Großen und Ganzen wieder rückgängig gemacht. Somit hat Afrika nichts zu der historischen Anreicherung von Treibhausgasen durch die auf Kohlenstoff basierende Industrialisierung beigetragen. Zudem ist auch der derzeitige Beitrag zu vernachlässigen, der praktisch zu hundert Prozent aus Abholzung sowie der Schädigung von Wäldern und Ackerland stammt.

Dennoch wird der Klimawandel Afrika am härtesten treffen, da er die anfällige Landwirtschaft des Kontinents lähmen wird, von der 70 Prozent der Bevölkerung abhängig sind. Alle Schätzungen über die möglichen Auswirkungen der Erderwärmung deuten darauf hin, dass ein Großteil des Kontinents trockener wird und dass der Kontinent insgesamt größere klimatische Schwankungen erleben wird.

Wir wissen, welche Auswirkungen regelmäßige Dürreperioden auf das Leben vieler Millionen von Afrikanern hatten. Wir können uns daher vorstellen, welche Auswirkungen ein trockeneres Klima wahrscheinlich auf die Landwirtschaft haben wird. Die Bedingungen in diesem lebenswichtigen Wirtschaftssektor werden noch unsicherer, als sie es derzeit sind.

Afrika wird nicht nur am härtesten getroffen, es wird auch zuerst getroffen. Tatsächlich spüren wir bereits jetzt die seit langem befürchteten Folgen des Klimawandels. Die aktuelle Dürre, die einen großen Teil Ostafrikas im Griff hält und wesentlich schlimmer ist als vergangene Dürreperioden, wird von Fachleuten direkt mit dem Klimawandel in Verbindung gebracht.

Bei den Klimaverhandlungen sollte auf die spezifischen Probleme Afrikas und ähnlich gefährdeter armer Regionen der Welt eingegangen werden. Dazu muss zunächst vor allem die Erderwärmung auf den anscheinend unvermeidlichen Anstieg von zwei Grad Celsius reduziert werden; was darüber hinaus geht, könnte zu einer Umweltkatastrophe führen, die für arme und gefährdete Länder nicht mehr zu bewältigen ist. Zweitens, armen und gefährdeten Regionen und Ländern sollten tatsächlich angemessene Mittel zur Verfügung gestellt werden, um ihnen eine Anpassung an den Klimawandel zu ermöglichen.

Der größtenteils durch die Aktivitäten der Industrieländer verursachte Klimawandel hat es armen und gefährdeten Ländern schwergemacht, die Armut zu bekämpfen. Er hat ein feindlicheres Umfeld für Entwicklung geschaffen. Kein Geldbetrag wird ausreichen, um den zugefügten Schaden zu beheben. Doch könnten angemessene Investitionen in die Schadensminderung das Problem teilweise lösen. Die Industrieländer sind somit moralisch dazu verpflichtet, armen und gefährdeten Ländern und Regionen eine Teilentschädigung zu zahlen, um einen Anteil der Investitionskosten abzudecken, die zur Anpassung an den Klimawandel gebraucht werden.

Wer Banker rettet, muss auch den Ärmsten helfen

Es gibt verschiedene Schätzungen für den Investitionsumfang, der von diesen Ländern benötigt wird. Eine vorsichtige Schätzung - die eine realistische Chance hat, allgemein akzeptiert zu werden, gerade weil sie vorsichtig ist - fordert einen Betrag von 50 Milliarden US-Dollar pro Jahr, und zwar von 2015 an. Dieser Betrag muss sich 2020 auf 100 Milliarden Dollar pro Jahr erhöhen. Für den Zeitraum davor, von 2010 bis 2015, wird ein Plan für eine Übergangsfinanzierung gebraucht.

Einige behaupten, die Industrieländer könnten derartige Beträge nicht aufbringen, insbesondere angesichts ihrer gegenwärtigen wirtschaftlichen Herausforderungen. Doch hat bislang niemand behauptet, die Schäden, die für die armen Länder und Regionen entstehen, seien geringer als die Entschädigung, die zur Deckung der daraus resultierenden Kosten angeboten wird. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Die verursachten Schäden sind um ein Vielfaches höher als die geforderte Entschädigung.

Trotzdem wird argumentiert, dass die Industrieländer es sich derzeit nicht leisten können, so viel Geld bereitzustellen, wie hoch die realen Kosten des Schadens auch sein mögen. Doch wissen wir alle, dass diese Länder und ihre jeweiligen Nationalbanken innerhalb weniger Monate Billionen von Dollar ausgeben konnten, um ihre Banker zu retten, die in guten Zeiten übermäßige Gewinne verdienten. Als die guten Zeiten zu Ende gingen, waren die Steuerzahler und Regierungen bereit, sie zu retten - und sicherzustellen, dass sie weiterhin ihre außergewöhnlich hohen Boni bekamen.

Wenn die Industrieländer in der Lage sind, mehrere Billionen Dollar zu bezahlen, um das Schlamassel ihrer Banker zu bereinigen, wie ist es dann möglich, dass sie es sich nicht leisten können, einige Milliarden zu zahlen, um ein Schlamassel zu bereinigen, das sie verursacht haben und welches das Überleben ganzer Kontinente bedroht?

Es geht hier eindeutig nicht darum, ob Mittel vorhanden sind. Es geht um unangemessene Prioritäten und darum, wofür Mittel verwendet werden. Es geht um moralische Werte, die es einerseits angemessen erscheinen lassen, Banker zu retten - Menschen, die von allen (außer von sich selbst) erwarten, für das von ihnen verursachte Schlamassel aufzukommen. Und andererseits sind es moralische Werte, die es unangemessen erscheinen lassen, die ärmsten Menschen der Welt zu entschädigen, deren Überleben gerade auf Grund des Schlamassels gefährdet ist, das die Industrieländer verursacht haben.

Ich kann nicht glauben, dass die Menschen in den Industrieländern, wenn sie über diese Themen informiert werden, die Rettung der Banker unterstützen und sich einer teilweisen Entschädigung der armen Länder und Regionen entgegenstellen würden. Ich kann nicht glauben, dass sie eine derartige Ungerechtigkeit geschehen lassen würden. Wenn sie ihrer Empörung über diese Ungerechtigkeit keinen Ausdruck verleihen, kann das nur daran liegen, dass sie unzureichend informiert sind.

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