Klimagipfel in Durban:Willkommen in der warmen Welt

Der Klimagipfel in Südafrika hat noch kein Problem gelöst, aber er stellt eine Lösung in Aussicht: Erstmals in der Geschichte der Klimadiplomatie wollen sich alle Staaten auf ein rechtlich verbindliches Abkommen einlassen - aber es soll erst im Jahr 2020 in Kraft treten. Doch damit wird die Erderwärmung nicht aufzuhalten sein.

Michael Bauchmüller, Durban

Erfolg, zumal im Klimaschutz, ist Ansichtssache. Misst man den Fortschritt am Notwendigen, gerät auch die Klimakonferenz in Durban zur großen Enttäuschung. Die Erderwärmung wird dieser Gipfel nicht aufhalten.

COP17/CMP7 United Nations Climate Change Conference 2011 in Durba

Die Erderwärmung werden die Beschlüsse des Klimagipfels von Durban nicht stoppen - aber ein wichtiges Zeichen ist gesetzt.

(Foto: dpa)

Nach einem Jahr wie 2010, in dem weltweit so viel Kohlendioxid ausgestoßen wurde wie nie zuvor, haben die Staaten auch in Südafrika nichts besseres zu vereinbaren gehabt als einen Fahrplan in ein neues Abkommen, das im Jahr 2020 in Kraft treten soll. 2020: nach neun weiteren Jahren massiver Emissionen. Willkommen in der warmen Welt.

Wird es dem Klima helfen?

Klimapolitik ist ein zähes Geschäft. Gerade weil das Klimaproblem alle Grenzen überschreitet, in zeitlicher wie auch räumlicher Hinsicht, gewinnt der gemeinsame Kampf gegen die Erderwärmung eine Komplexität, die sich kaum noch bewältigen lässt. Er tangiert Verteilungs- und Gerechtigkeitsfragen zwischen der entwickelten und der weniger entwickelten Welt; er bestimmt, allein durch die Begrenzung von Treibhausgasemissionen, die Wettbewerbsfähigkeit von Volkswirtschaften; er wirft Fragen von historischer Verantwortung und globaler Solidarität auf. Nichts davon lässt sich einfach lösen.

Das macht die Klimakonferenz von Durban so besonders. Erstmals in der Geschichte der Klimadiplomatie wollen sich alle Staaten auf ein rechtlich verbindliches Abkommen einlassen. Es ist das Ende jener verhängnisvollen Freiwilligkeit, mit der sich der Großemittent USA bisher stets aus der Verantwortung ziehen konnte. Es bedeutet Pflichten auch für aufstrebende Staaten wie China, Brasilien oder Südkorea - wenn auch erst 2020.

Das Kyoto-Protokoll, das einzig zählbare, was die Staatengemeinschaft bisher an Klimapolitik auf die Beine gestellt hat, läuft weiter; wenngleich ohne Japan, Kanada und Russland. Wo der Fortschritt selten geworden ist, gibt sich die Welt schon mit wenig zufrieden. Und es steht nun einiges in Aussicht.

Wird es dem Klima helfen? Erst einmal kaum. Bis zum Jahr 2020 sind weiterhin 85 Prozent aller globalen Emissionen keiner festen Begrenzung unterworfen. Auch ist längst nicht ausgemacht, dass ein verbindliches Klimaabkommen auch ein anspruchsvolles sein wird. Die Debatten der letzten Verhandlungsnacht, in der Staaten wie Indien, China und die USA versuchten, die rechtliche Form eines künftigen Abkommens zu verwässern, lassen für die Arbeit daran nichts Gutes ahnen.

Wasser bis zum Hals

Dass es nicht schlimmer kam, ist einzig dem Einsatz der EU zu danken. In einer zuletzt selten gewordenen Geschlossenheit und mit hohem Risiko hat sie den Deal von Durban erst möglich gemacht.

Doch etwas Besseres als diese Konferenzen wird die Staatengemeinschaft nicht bekommen. Zum einen, weil nur unter dem Dach der Vereinten Nationen auch diejenigen eine Stimme bekommen, die am stärksten von dem Klimawandel betroffen sind. Rein formal hat die versinkende Inselrepublik Kiribati in Klimaverhandlungen dieselben Rechte wie die Vereinigten Staaten. Zum anderen lassen sich nur unter diesem Dach auch die verschiedenen Facetten der Klimapolitik organisieren.

Mit der Verminderung der Emissionen allein ist es eben nicht getan, wenn erste Staaten schon hilflos den Folgen des Klimawandels ausgesetzt sind. Viele schöne Windräder in Europa nutzen eben nichts, wenn Entwicklungsländer keine Unterstützung für ihre Energiewende erhalten. Das alles findet sich in den Stapeln Papier, die in Durban beschlossen wurden.

Nur wird all das Papier noch nicht reichen, um 2015 ein anspruchsvolles Klimaabkommen zu erreichen. Vieles hängt nun von der Europäischen Union ab. Sie hatte sich in Durban mit jenen Staaten verbündet, die am ehesten unter dem Klimawandel leiden werden: mit Inselstaaten, Entwicklungsländern, afrikanischen Staaten. Sie alle treten für möglichst viel Klimaschutz ein - zum Teil, weil ihnen das Wasser buchstäblich bis zum Hals steht. Diese Allianz wird wichtiger werden, um auch andere in ein möglichst ehrgeiziges Abkommen zu drängen.

Das gleiche gilt für den Umbau der Energieversorgung. Ohne erneuerbare Energien wird sich die Treibhausgas-Bilanz kaum bessern können. Ob dieser Umbau für andere nachahmenswert wird, hängt damit auch davon ab, ob das Experiment Energiewende in Deutschland gelingt. Es könnte zum besten Beispiel dafür werden, dass sich mit Klimaschutz auch Geld verdienen lässt. Und das verleitet ganz sicher mehr Staaten zum Handeln als manche abstrakte Zusage aus den Fußnoten der Verhandlungsdokumente.

Durban hat noch kein Problem gelöst, es stellt nur eine Lösung in Aussicht. 2015, wenn die Entscheidung über ein neues Abkommen fallen muss, ist in China eine neue Regierung im Amt, die Präsidentschaftswahl in den USA liegt drei Jahre zurück. Der Weltklimarat IPCC wird seinen nächsten Sachstandsbericht abgegeben haben, und nichts spricht dafür, dass die Wissenschaftler Entwarnung geben, ganz im Gegenteil. Auch die globalen Treibhausgasemissionen werden, wenn eine Wirtschaftskrise das nicht vereitelt, weiter anwachsen.

All das wird den Druck erhöhen. Und mit viel Glück kommt das Abkommen 2020 zwar spät. Aber noch nicht zu spät.

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