Süddeutsche Zeitung

Klimaforschung:Allein, es fehlt der Glaube

Ob jemand am Klimawandel zweifelt, hängt kaum davon ab, ob er die Fakten kennt - umso mehr dafür von der politischen Einstellung.

Von Christopher Schrader

Wie Menschen auf Berichte über den Klimawandel reagieren, ist oft eine Frage der politischen Einstellung. Wer konservativ denkt, die Leistung von Individuen statt von Gemeinschaften betont, Hierarchien gutheißt und die freie Marktwirtschaft idealisiert, der hält die globale Erwärmung eher für unbedeutend. Geschlecht, Alter, Bildung oder Einkommen spielen kaum eine Rolle, zeigt eine Auswertung von 25 Umfragen und 171 Studien aus 56 Ländern. Auch Wissen, zum Beispiel über Temperaturrekorde, oder persönliche Erfahrungen mit Extremwetter geben demnach selten den Ausschlag. "Die Aussichten, Skeptiker allein durch Fakten oder Erklärungen zu ,bekehren', sind begrenzt", erklären Matthew Hornsey von der University of Queensland in Brisbane und seine Kollegen (Nature Climate Change, online).

Aber auch wer "an den Klimawandel glaubt", wie es die Forscher ausdrücken, handelt nicht unbedingt danach. Es gibt den Daten zufolge höchstens einen mittelmäßigen Zusammenhang zwischen der Überzeugung und dem Vorhaben, sich umweltfreundlich zu verhalten - und nur einen kleinen Effekt auf die wirklichen Taten. Dabei reden Menschen häufig über Veränderungen im Privatleben, spenden dann aber eher Geld für Umweltgruppen oder unterschreiben Petitionen.

Selbst wer die Erwärmung nicht bestreitet, beschränkt sich beim Handeln oft auf Mülltrennung

Manche der Aussagen von Hornseys Studie gelten nur eingeschränkt für Deutschland. Schließlich stammte fast die Hälfte der Daten aus den USA, ein großer Teil des Rests aus Australien. Hierzulande gibt es wenige Menschen, die die Realität des Klimawandels bestreiten. Nach einer repräsentativen Studie der Universität Hamburg waren es 2013 sieben Prozent der Befragten, in den USA oder Australien sind es drei- oder viermal so viele. "Dennoch haben auch die Deutschen ein großes Problem damit, ihr Verhalten zu ändern und Klimaschutz umzusetzen", sagt Silke Beck vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig. Laut der von der EU-Kommission in Auftrag gegebenen Umfrage Eurobarometer fangen die meisten mit kleinen Schritten an: 81 Prozent der Deutschen trennen ihren Müll, 60 Prozent kaufen regionale Produkte. Aber nur 20 Prozent haben ihr Haus besser gedämmt und nur 15 Prozent kaufen ein sparsames Auto.

Ohnehin kommt es bei der Frage nach dem "Glauben an den Klimawandel" auf die Umstände an: Während einer Hitzewelle zweifeln weniger Menschen daran als in einer Kältephase. Wichtig ist auch, ob nur nach der Erwärmung gefragt wird oder auch nach Verantwortung der Menschheit. Letzteres legt staatliches Umsteuern nahe, ein Tabu für viele Konservative. "Viele Menschen in Amerika bezweifeln gar nicht die Erwärmung an sich", sagt Silke Beck. "Aber sie mögen eben keine aktive Klimapolitik." Aus dieser oft ideologisch begründeten Abneigung heraus leugnen sie die an sich unstrittigen Ursachen des Klimawandels. Die Forscher um Matthew Hornsey schlagen daher vor, mit der Ideologie zu arbeiten und das Eintreten für Umweltschutz als "eine Art von Patriotismus" darzustellen.

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Quelle:
SZ vom 24.02.2016
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