Klimaerwärmung:Großer Wandel auf kleinem Raum

Ob zwei oder sieben Grad - das Klima erwärmt sich, der Meeresspiegel steigt: Doch was bedeutet das für die Nordseeküste oder die Alpen?

Barbara Galaktionow

Kurz vor dem Weltklimagipfel in Kopenhagen sind die Warnungen der Klimaforscher deutlich: Wenn die Politik nicht entschlossen handele, könnte bis zum Ende des Jahrhunderts die Durchschnittstemperatur um sieben Grad Celsius und der Meeresspiegel um etwa einen Meter steigen. Ein düsteres Szenario.

Klimaerwärmung: Wie wirkt sich die Klimaerwärmung an der Nordseeküste aus? Müssen die Deiche höher werden, wie kommen Tiere mit Veränderungen klar?

Wie wirkt sich die Klimaerwärmung an der Nordseeküste aus? Müssen die Deiche höher werden, wie kommen Tiere mit Veränderungen klar?

(Foto: Foto: dpa)

Doch was bedeuten eine Erwärmung um zwei, drei oder mehr Grad Celsius oder der Eisschwund am Nordpol? Wie wirken sich Veränderungen des globalen Klimas in Küsten- oder Bergregionen und im Flachland aus - und wie können oder müssen die Menschen diesem Wandel begegnen?

"Für die Bauern in der Lüneburger Heide ist es wichtig zu wissen, ob die Sommer trockener werden", sagt Klimaforscher Peter Lemke vom Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI). Denn dann müssten sie Bewässerungsanlagen bauen. Die Menschen an der Nordseeküste müssten erfahren, ob und um wie viel der Meeresspiegel ansteige. Denn nur dann könnten sie neue Deiche planen.

Solche konkreten Auswirkungen werden nach Ansicht regionaler Klimaforscher in globalen Klimamodellen bislang zu wenig beachtet. Sie halten die Aussagekraft der großen Raster in einzelnen Regionen daher bislang für begrenzt.

Das Wissenschaftszeitschrift Science zitierte vor kurzem mehrere Studien, in denen dargelegt wird, dass globale Klimamodelle das Aussterberisiko von Tieren und Pflanzen massiv überschätzen (26, S. 806/807). Demnach werden in den großskaligen Modellen weder die Vielfalt der regionalen Topographie noch mikroklimatische Vorgänge wie beispielsweise die Auswirkung von Düngernutzung auf Ausstoß von Treibhausgasen ausreichend beachtet, um für die einzelnen Regionen adäquate Klimavorhersagen treffen zu können.

So stellten Forscher unter anderem fest, dass das Risiko Hunderter europäischer Schmetterlingsarten auszusterben, ganz anders eingeschätzt werden müsse, wenn man entgegen globaler Klimamodelle die topographischen Bedingungen in der Region stärker berücksichtige: Für Flachlandregionen sind die Überlebensprognosen danach für zahlreiche Schmetterlingsregionen deutlich schlechter, in bergigen Gegenden dafür deutlich besser als in grobgerasterten Modellen prognostiziert.

Reduzierte Darstellung

"Diese Studien zeigen das Maß an Komplexität auf, mit dem wir konfrontiert sind, wenn wir versuchen, die möglichen Konsequenzen eines künftigen Klimawandels auf die Artenvielfalt zu modellieren und vorherzusagen", heißt es in dem Wissenschaftsmagazin.

Auch Wissenschaftler in Deutschland halten eine bessere Einbindung der Kenntnisse über regionale Klimaentwicklungen in globale Modelle für notwendig. In diesen groben Rastern werde die Erde in verschiedene Kästchen eingeteilt, die meist 200 bis 300 Quadratkilometer groß seien, erläutert Klimaforscher Lemke.

In einem solchen Modell werde die Klimaentwicklung in ganz Norddeutschland dann beispielsweise in zwei Boxen festgehalten. "Das ist nicht gut genug um herauszufinden, ob das Klima in Brandenburg anders aussieht als an der Nordseeküste", sagt Lemke. Um die Lücke zwischen globalen und regionalen Klimaabläufen zu schließen, haben sich acht Helmholtz-Institute, darunter das AWI, kürzlich zum Verbund "Regionale Klimaänderungen" (Reklim) zusammengeschlossen.

Ziele der regionalen Klimaforscher

Die einzelnen Forschungsinstitute bringen dabei zum einen ihre Spezialkenntnisse in verschiedenen Zweigen der Klimaforschung wie Atmosphären- oder Bodenforschung ein. "Die Wechselwirkung zwischen den einzelnen Klimakomponenten Atmosphäre, Eis, Ozean und Landoberflächen ist wichtig, um Klimatrends zu bestimmen", sagt Lemke.

Zudem tauschen die Institute ihr Wissen über unterschiedliche, zum Teil auch größere Regionen aus: Neben der Arktis, dem Mittelmeerraum oder dem Himalaya werden auch die Alpen oder einzelne Regionen in Deutschland ins Auge gefasst.

Regionale Spielwiese

"Wir konzentrieren uns auf Gebiete, in denen das Klima sich sehr empfindlich auswirkt oder in die der Mensch viel investiert hat, einfach, weil er dort lebt, also auf Regionen, von denen der Mensch besonders abhängig ist", sagt Hans-Peter Schmid vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT), der den Bereich atmosphärische Umweltforschung in Garmisch-Partenkirchen leitet und außerdem an der Münchner TU den gleichnamigen Lehrstuhl innehat.

Schmids wissenschaftliche Spielwiese sind die Voralpen, ein durch seine topographische Vielfalt und die Höhenunterschiede klimatisch interessanter Raum. "Vegetation, Böden, die ganze Landnutzung, das alles beeinflusst das Klima und wird aber auch vom Klima beeinflusst", legt Schmid dar.

Der Forscher betont jedoch, dass es ihm und seinen Kollegen am KIT letztlich nicht nur um dieses begrenzte geographische Gebiet geht, sondern darum, verallgemeinerbare und übertragbare Kenntnisse zu erlangen, die sich auch in einem Klimamodell abbilden lassen.

Wenn ein Modell gewisse Prozesse in einer durch bestimmte Kennzeichen geprägten Region abbilden könne, müsse man das eigentlich auch in anderen, topographisch ähnlich Regionen anwenden können, sagt Schmid. "Sonst machen wir etwas falsch." Denn es sei zwar wünschenswert, aber einfach nicht möglich, in allen Regionen der Erde so genaue Untersuchungen durchzuführen, die - je nach örtlichen Gegebenheiten - bis auf etwa zehn Quadratkilometer genau sein könnten.

Verbesserung der globalen Modelle

Mit der Vernetzung und Verallgemeinerung ihrer Forschung wollen die Wissenschaftler Politikern und Betroffenen Hilfestellung für ihre Entscheidungen geben. Dass Städte und Regionen daran interessiert sind, zeigt das Beispiel Hamburg. Für die Hansestadt wurden unter Federführung des KlimaCampus an der Universität Hamburg gerade ein regionaler Bericht erarbeitet, der Klimaveränderungen in der Region im Hinblick auf die Aspekte Küstenschutz, Artenvielfalt, Landwirtschaft und Tourismus ausgewertet hat.

"Das ist sicher ein großer Schritt vorwärts, was da jetzt in Hamburg geschehen ist", bewertet Klimaforscher Schmid die Arbeit der Kollegen. Denn es sei in Deutschland wohl das erste Mal, dass eine regionale Klimauntersuchung so stark mit wirtschaftlichen und politischen Aspekten verknüpft worden sei.

Die Forscher der Helmholtz-Institute wollen indes nicht nur Tipps für einzelne Regionen geben, sondern streben noch etwas anderes an. "Wir wollen unsere speziellen Ergebnisse, die wir hier für die Regionen erarbeiten, den Klimamodellierern zur Verfügung stellen, damit sie ihre globalen Modelle verbessern können", sagt Reklim-Projektleiter Lemke. Künftig sollen mikroklimatische Vorgänge und ihre Auswirkungen nicht mehr durch das grobe Raster der globalen Klimamodelle fallen.

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