Süddeutsche Zeitung

Hitzewelle:Ein weiterer Klima-Weckruf, der verhallen wird

Nach einer Woche mit beispielloser Hitze und verheerenden Bränden in weiten Teilen Europas kann man hoffen, dass die Bereitschaft zur Veränderung zunimmt. Oder auch nicht.

Kommentar von Marlene Weiß

Man kann schon daran verzweifeln, wie sehr Menschen in der Lage sind, Probleme voneinander zu dissoziieren. Für den flexiblen menschlichen Geist ist es eine Leichtigkeit, sich in einer Minute wegen der Klimakrise zu sorgen, die in dieser Woche in Europa zu einer beispiellosen Hitzewelle und verheerenden Waldbränden beigetragen hat. Und in der nächsten über das unzumutbare Chaos an den Flughäfen zu zetern.

Dass die fröhliche Fliegerei eine der besten Methoden ist, die man als Einzelner so hat, um den Planeten weiter aufzuheizen? Weiß man, klar, ist aber irgendwie auch egal, machen Müllers von nebenan doch auch, und man muss sich jetzt echt mal erholen von dem ganzen Mist, kann ja nicht immer nur Krise sein.

Doch, kann es. Und es wird noch viel schlimmer, wenn sich am Umgang mit eindeutigen Alarmsignalen nicht bald etwas ändert. Bis heute wird der Sommer 2003 als Jahrhundertsommer bezeichnet, aber das 21. Jahrhundert kann damit längst nicht mehr gemeint sein. Es ist gut möglich, dass die Dauerhitze von 2003, damals ein extremes Ausnahmephänomen, schon bald von einem neuen Rekordsommer abgelöst wird. Aber auch der dürfte seinen Titel kaum ewig behalten - und immer so weiter, bis die Treibhausgasemissionen aufhören und sich das Klima stabilisiert.

"Ihr steht nicht im Stau, ihr seid der Stau" - das gilt noch immer

Wochen wie diese mit geradezu apokalyptischen Bildern aus Großbritannien und von der Autobahn nach Kassel könnten dazu beitragen, dass wirklich alle alles tun, um diese Krise in den Griff zu bekommen. Das kann man hoffen. Aber warum sollte man? Nach jedem Dürrejahr, nach jedem schweren Hochwasser, zu jedem Bericht des Weltklimarats und natürlich nach der verheerenden Flut im Ahrtal im vergangenen Jahr heißt es, das sei jetzt aber wirklich ein Weckruf. Nur drückt dann offenbar immer schnell jemand auf die Schlummertaste, und alle drehen sich dankbar seufzend noch mal um.

Das ist leider im Wesentlichen auch in der Energiekrise so. Natürlich muss Klimaminister Robert Habeck jetzt irgendwie Gas zusammenkaufen, schmutzige Kohlekraftwerke aus der Reserve holen und zum Einsparen aufrufen, um für den Winter das Schlimmste abzuwenden. Aber wenn das Land wie geplant 2045 klimaneutral sein soll, darf nicht anderes oder weniger, sondern überhaupt kein fossiles Gas mehr verbraucht werden, auch keine Kohle und kein Öl. Dieses Ziel rückt momentan nicht näher, im Gegenteil.

"Ihr steht nicht im Stau, ihr seid der Stau", lautet eine schon etwas angegraute Weisheit. Das gilt bis auf Weiteres auch für die Klimakrise.

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