Klima und Wissenschaft:Ein Planet vor stürmischen Zeiten

Der Klimawandel wird die Lebensbedingungen in vielen Teilen der Welt drastisch verschlechtern. Doch manche Regionen könnten zu den Gewinnern gehören - etwa Skandinavien oder auch Deutschland.

Christopher Schrader

Genaue Vorhersagen sind schwierig, aber dass die Welt vor Veränderungen steht und dass der Mensch diese verursacht hat, wird inzwischen kaum noch bestritten.

Klima und Wissenschaft: Unserem Planeten stehen stürmische Zeiten bevor.

Unserem Planeten stehen stürmische Zeiten bevor.

(Foto: Foto: Reuters/Nasa)

Als Bundeskanzlerin Angela Merkel 25.9.2007 vor die Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York trat, musste sie eines zumindest nicht mehr tun: die wissenschaftliche Basis jeder zukünftigen Klimapolitik verteidigen.

Selbst langjährige Skeptiker der Klimaforschung wie US-Präsident George W. Bush haben inzwischen das öffentliche Zweifeln abgelegt. Auch seine Regierung stimmt zu, dass die Menschheit dabei ist, das Klima der Erde gefährlich zu verändern.

Die Grundlage für diesen Konsens hat ein internationales Forschergremium gelegt, der Weltklimarat IPCC. Er hat viermal seit seiner Gründung 1988 den Stand der Forschung zusammengefasst, zuletzt in diesem Jahr.

Dabei ist Prinzip, dass an jedem Kapitel Dutzende Autoren mitarbeiten, dass der Text durch drei Phasen von Kritik und Überarbeitung geht, dass die Wissenschaftler einen Konsens finden und dass die wichtige "Zusammenfassung für Politiker" schließlich von den beteiligten Staaten abgenommen wird.

Daher genießen die Grundaussagen des IPCC "die Akzeptanz aller Regierungen der Welt", sagt dessen Präsident Rajendra Pachauri - also jenen, die vertreten durch ihre Botschafter vor Merkel in New York im Plenum sitzen.

Der globale Konsens umfasst zunächst einige qualitative Aussagen: Es ist "unbestreitbar", dass sich die Erde erwärmt, das Ausmaß des Temperaturanstiegs ist "beispiellos", heißt es im jüngsten Bericht.

Mit "sehr hoher Sicherheit" hat die Menschheit durch ihre Emissionen und die Veränderungen bei der Landnutzung die Entwicklung ausgelöst.

"Sehr wahrscheinlich" geht sie auf die Freisetzung von Treibhausgasen wie Kohlendioxid oder Methan zurück.

Als Folge ist es "praktisch sicher", dass die meisten Länder im 21. Jahrhundert mehr heiße Tage und Nächte und weniger Frostperioden erleben.

Bei diesen Aussagen benutzt der IPCC geeichte Formulierungen: "Sehr wahrscheinlich" dürfen die Autoren nur schreiben, wenn die berechnete Wahrscheinlichkeit über 90 Prozent liegt. Martin Claußen, Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg, sagt daher: "Es gibt kaum noch Zweifel am menschengemachten Klimawandel."

Der Bericht enthält aber auch viele Zahlen: Bis zum Jahr 2100 steigt die globale Durchschnittstemperatur demnach um 1,1 bis 6,4 Grad Celsius, verglichen mit dem Mittelwert der Jahre 1980 bis 1999.

Diese breite Spanne klingt zunächst so, als wüssten es die Klimaforscher doch nicht so genau. Doch dahinter stecken einfach verschiedene Annahmen über die Zukunft.

Sechs Szenarien zum Klimawandel

Sechs verschiedene Szenarien, wie sich die Welt entwickeln könnte, haben Forscher in Supercomputer auf der ganzen Welt eingespeist. Sie beginnen beim Szenario B1, sozusagen der heilen, vernünftigen Welt, die sich schnell auf Maßnahmen gegen den Klimawandel einigt und konsequent Energiespartechnik nutzt.

Am anderen Ende des Spektrums steht das Szenario A1FI, bei dem mit der Wirtschaft auch der Verbrauch von fossilen Brennstoffen wie Erdöl oder Kohle beständig wächst, was viele Treibhausgase freisetzt.

Der zweite Grund für die Spanne sind Abweichungen zwischen den Computermodellen, mit denen Forscher verschiedener Institute die sechs Szenarien durchgerechnet haben. Ganz sicher sei aber, dass schon in den kommenden beiden Jahrzehnten unabhängig von aller Politik die Temperatur um 0,4 Grad Celsius steigt, sagt Susan Solomon.

Die Atmosphärenchemikerin von der amerikanischen Wetterbehörde Noaa war Leiterin der Arbeitsgruppe 1 des IPCC, die die wissenschaftlichen Daten über den Klimawandel zusammengestellt hat.

Selbst wenn die Treibhausgase seit dem Jahr 2000 konstant gehalten worden wären, was ja vollkommen unrealistisch ist, würde sich das Klima um 0,2 Grad erwärmen. "Das zeigt, wie sehr wir jetzt schon auf einen weiteren globalen Wandel festgelegt sind." Und um 0,76 Grad hat sich die Atmosphäre seit Beginn der industriellen Revolution schon erwärmt.

Ein Planet vor stürmischen Zeiten

Aussagen macht der IPCC auch über den Anstieg des Meeresspiegels. Er wird zum einen dadurch ausgelöst, dass sich erwärmtes Wasser ausdehnt. Vor allem daraus gewinnt der Weltklimarat die Aussage, dass die Ozeane bis zum Ende des Jahrhunderts um 18 bis 59 Zentimeter ansteigen.

Dagegen hat das Gremium den zweiten Faktor weitgehend ausgeklammert: das Abschmelzen von Gletschern in Bergregionen und vor allem in Grönland. Dieser Prozess beschleunigt sich offenbar gerade, doch dem IPCC waren die Berichte darüber noch zu frisch, um sie zu berücksichtigen. Ersten Berechnungen zufolge könnte der Anstieg des Meeresspiegels die angegebene Spanne daher um zwei Drittel übertreffen.

Ziemlich schwierig ist es für Klimaforscher auch, die Veränderung bei Niederschlägen und Stürmen zu quantifizieren. Generell sei eine Verstärkung von tropischen Stürmen wie Hurrikanen immerhin "wahrscheinlich", so der IPCC.

"Wasser wird auf der ganzen Welt zu einem großen Problem", ergänzt Tobias Fuchs vom Deutschen Wetterdienst. Das bestätigen die jüngst veröffentlichten Berichte des Weltklimarats.

Feuchte Gebiete in höheren Breiten werden demnach noch feuchter, trockene Regionen näher am Äquator trockener. Zudem verlagern sich die Niederschläge vom Sommer in den Winter, und statt Schnee fällt dann Regen. Die Wahrscheinlichkeit extremer Wetterereignisse werde deutlich zunehmen, erwarten die Klimaforscher.

Dabei könnte Deutschland zunächst noch recht glimpflich davonkommen. Regionale Wettermodelle, die jedoch noch mit großen Unsicherheiten behaftet sind, sehen zum Beispiel im Nordosten sowie Südwesten Deutschlands für das Ende dieses Jahrhunderts ein Drittel weniger Sommerregen voraus, als Ende des vorigen gefallen ist.

In Freiburg im Breisgau soll die Zahl der sogenannten Tropennächte, in denen die Temperatur nicht unter 20 Grad Celsius sinkt, von fünf auf 13 pro Jahr steigen; in Berlin gäbe es womöglich nur noch sieben statt 21 Frosttage pro Jahr. Für manche zählt Deutschland damit sogar eher zu den Gewinnern des Klimawandels.

Skandinavien profitiert

Profitieren dürfte vor allem aber Skandinavien, das bei milderen Temperaturen und mehr Regen zur Kornkammer Europas avancieren könnte. Die Mittelmeerländer hingegen dürften dermaßen von der Hitze geplagt werden, dass Landwirtschaft dort zunehmend weniger möglich ist. Große wirtschaftliche Verschiebungen und Wanderbewegungen schon innerhalb des reichen Europas wären die Folge.

Noch gravierender aber wären die Folgen des Klimawandels in vielen Entwicklungsländern. Sie könnten - wie Bangladesch oder manche Südseestaaten - große Teile ihres Staatsgebiets an das steigende Meer verlieren. Auch die Lage etwa in Ostafrika wird sich verschärfen, erwartet Petra Döll von der Universität Frankfurt am Main.

Der Region steht den IPCC-Prognosen zufolge zwar eine Zunahme der Regenmenge um etwa 20 Prozent bevor. Doch weil die Niederschläge als Wolkenbrüche fallen, profitieren allenfalls Krankheitserreger; der Zugang zu sauberem Wasser bleibt schwierig. Einen Ausblick auf die Verhältnisse zeigen zur Zeit die Fernsehnachrichten: Quer durch Afrika sind ein Dutzend Staaten von Fluten betroffen.

Solche aktuellen Kapriolen des Wetters eindeutig dem Klimawandel anzulasten - damit tun sich Wissenschaftler allerdings schwer. Prinzipiell ist nicht zu beweisen, dass dieses oder jenes Extremereignis niemals stattgefunden hätte, wenn die Menschheit nicht dermaßen viele Treibhausgase wie Kohlendioxid oder Methan freigesetzt hätte.

Doch zunehmend legen Forscher Daten vor, die einen Einfluss des Menschen auf die Rahmenbedingungen zeigen, aus denen Stürme, Hitzewellen oder Regenfronten entstehen. In Simulationsrechnungen per Supercomputer lassen sich nämlich die Einflussgrößen auf das Klimageschehen einzeln ein- oder ausschalten.

Und das Klima der jüngsten Vergangenheit können die Maschinen regelmäßig nur dann nachvollziehen, wenn sie die Veränderungen der Sonnenstrahlung sowie Vulkanausbrüche genauso berücksichtigen wie die seit Jahrzehnten stetig ansteigende Menge der Treibhausgase in der Atmosphäre.

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