Klima - Leipzig:Energiewende im Osten: Zwischen Chance und Vertrauensbruch

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Leipzig (dpa) - Tausende Menschen demonstrieren in diesen Tagen für Klimaschutz - aber gerade dem Osten Deutschlands macht der Verlust des Wirtschaftszweigs Braunkohle zu schaffen. Eine Energiewende wird nicht von allen herbeigesehnt. Trotz der vorgesehenen Hilfen von 40 Milliarden Euro für den Strukturwandel bis 2038. Andererseits ist gerade im Osten viel Platz für Wind- und Solarparks, die Infrastruktur für nachhaltige Energien ist gegeben. Mit ausgetüftelten Formaten bemühen sich Unternehmen um die Gunst der Anwohner.

"In Ostdeutschland ist die Energiewende schon deutlich weiter fortgeschritten als in den alten Bundesländern", sagt Christian Growitsch, stellvertretender Leiter des Fraunhofer-Instituts für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen in Halle der Deutschen Presse-Agentur. Im Westen Deutschlands werde die Energiewende-Debatte teils sehr ideologisch geführt. "Meinem Eindruck nach gehen die Ostdeutschen pragmatischer mit Fragen der Energie- und Klimapolitik um."

Diese Sachlichkeit sieht Growitsch als Chance, spricht mit Blick auf die ausgebaute Energieinfrastruktur rund um Tagebaue sogar von einer möglichen Vorreiterrolle der ostdeutschen Reviere für neue Technologien. Gerade in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen-Anhalt sei der Anteil erneuerbarer Energien wegen zahlreicher Windkraftanlagen sehr hoch.

Planung, Bau und Betreuung von Wind- und Solarparks übernimmt seit zehn Jahren auch die UKA-Gruppe. Zu den Aufgaben des Unternehmens zählt es, Anwohner von erneuerbaren Energien zu überzeugen. Das ist nicht immer einfach.

"Obwohl die Energiewende von einer deutlichen Mehrheit der Bürger akzeptiert wird, waren die Gegner nachhaltiger Energien in den letzten Jahren sichtbarer", beobachtet Guido Hedemann, Geschäftsführer der UKA-Gruppe am Standort Cottbus. Gleichzeitig ergriffen die Befürworter der Energiewende seit etwa einem Jahr aktiv das Wort. "Ich habe das Gefühl, dass sich die Befürworter durch die von Fridays for Future angetriebene Klimaschutzdebatte ermutigt fühlen."

Der Unternehmer kann den von Growitsch beschriebenen Pragmatismus bestätigen: Braunkohle stelle für die Menschen in der Lausitz hauptsächlich Arbeitgeber dar, weniger eine bevorzugte Energieform. Da die Region historisch von Energiewirtschaft geprägt ist, sind erneuerbare Energien Hedemann zufolge akzeptierter als etwa in der Uckermark.

Die Unternehmerverbände zeichnen ein etwas anderes Bild: In wenig betroffenen Regionen wie Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen werde der Ausstieg aus der Braunkohle begrüßt, im Mitteldeutschen Revier und in der Lausitz, wo Kohle abgebaut wird, stünden Risiken im Fokus.

Denn nicht alle Unternehmen profitieren wie Windparkplaner direkt von der 2011 beschlossenen Energiewende und stehen den Entwicklungen positiv gegenüber.

"Viele Unternehmen sehen bei der Energiewende große Defizite, gerade mit Blick auf die Planbarkeit und Verlässlichkeit", sagt Kristian Kirpal, Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Leipzig. Es sei viel Vertrauen verspielt worden. Um es zurückzugewinnen, müssten Neuerungen müssten auf eine "wirtschaftlich tragfähige Grundlage" für Unternehmen gestellt werden, fordert Kirpal.

Mit dem Thema wollen sich ab Dienstag Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik beim achten Ostdeutschen Energieforum beschäftigen. In den vergangenen Jahren hat sich viel getan: Nach dem Atomausstieg sei der Kohleausstieg in den Fokus gerückt, so Lars Schaller, Geschäftsführer des Unternehmerverbands Sachsen. Mittlerweile besäßen die Diskussionen zur Energiewende eine gesellschaftliche Relevanz, nicht mehr nur eine wirtschaftliche.

Darauf reagierten auch die Veranstalter des Ostdeutschen Energieforums: Auch eine Vertreterin der Klimabewegung Fridays for Future sitze dieses Jahr auf dem Podium der Tagung.

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