Klima - Hamburg:Hamburger Senat steckt mit Klimaplan ehrgeizige Ziele

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Hamburg (dpa/lno) - Mit der Festlegung konkreter C02-Einsparmengen hat sich der rot-grüne Hamburger Senat ehrgeizige Ziele zum Erreichen der Klimaziele gesetzt. In der Fortschreibung des Klimaplans, der am Dienstag verabschiedet wurde, sind mehr als 400 Maßnahmen aufgeführt, mit denen der CO2-Ausstoß bis 2030 gemessen am Wert von 1990 um 55 Prozent gesenkt werden soll - unterteilt in die vier Sektoren "Verkehr", "Private Haushalte", "Gewerbe, Dienstleistung, Handel" und "Industrie". Insgesamt sollen bis 2030 7,1 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden. Bis 2050 soll Hamburg klimaneutral werden.

Ein neues Klimaschutzgesetz, das im Entwurf ebenfalls verabschiedet wurde, verankert die Ziele und deren regelmäßige Überarbeitung rechtsverbindlich. Unter anderem ist dort auch ein Verbot von Ölheizungen und der verpflichtende Bau von Solaranlagen geregelt. Außerdem soll die Begrenzung der Erderwärmung künftig als Staatsziel in der Landesverfassung stehen. Beidem muss die Bürgerschaft zustimmen, im Falle der Verfassungsänderung mit Zweidrittelmehrheit.

Mit der Benennung konkreter Maßnahmen und nachrechenbarer Ziele sei Klimaschutz in Hamburg nicht länger nur abstrakt, sagte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD). "Wir sind damit die ersten, glaube ich, in Deutschland." Schon in den vergangenen sieben Jahren habe sich in Hamburg der CO2-Ausstoß pro Jahr im Schnitt um über 400 000 Tonnen verringert. Durch den von der Bundesregierung angestrebten Ausbau des Anteils der erneuerbaren Energien würden bis 2030 weitere 2,9 Millionen Tonnen eingespart, so dass die Reduktion, die von Hamburg selbst erbracht werden müsse, noch bei 4,1 Millionen Tonnen liege.

Beim Erreichen der Ziele soll der Sektor "Gewerbe, Dienstleistung, Handel" mit einer Reduktion von knapp 1,3 Millionen Tonnen CO2 die Hauptlast tragen. Auf den Verkehr entfallen gut 1,2 Millionen Tonnen, auf die Privathaushalte knapp 1,1 Millionen und auf die Industrie knapp 570 000 Tonnen. "Wir werden mit den jetzt beschlossenen Maßnahmen das 55-Prozent-Klimaschutzziel für 2030 sicher erreichen, dieses vermutlich sogar übertreffen", versprach Tschentscher.

Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) sah das skeptischer, sprach aber von einem "großen Schritt", auch wenn in dem Plan für 600 000 Tonnen CO2 noch Einsparmaßnahmen fehlten. Mit Blick auf das Klimapaket der Bundesregierung werde aber deutlich, "wie groß die Unterschiede sind, wenn eine grüne Partei an einer Regierung beteiligt ist und wenn eine grüne Behörde für den Klimaschutz in einer Regierung verantwortlich ist." Für den Fall, dass die Grünen nach der Bürgerschaftswahl den Senat führen, kündigte Kerstan Nachbesserungen vor allem in den Sektoren Mobilität und Industrie an.

Laut Klimagesetzentwurf soll ab 2023 für Neubauten eine Pflicht zur Installation von Solaranlagen auf Dächern gelten. Bei Dacherneuerungen sind auch Besitzer bestehender Häuser nur davon ausgenommen, wenn dies nicht wirtschaftlich umsetzbar ist. Ölheizungen sollen bei Neubauten ab 2022 nicht mehr zulässig sein, vier Jahre später sollen sie auch in bestehenden Gebäuden nicht mehr ausgetauscht werden dürfen. Auch die Verwendung klimafreundlicher Baustoffe soll vorgeschrieben werden.

Im Bereich der Mobilität setzt der Senat vor allem auf den Ausbau des Nahverkehrs, unter anderem durch den Schnellbahnausbau, zusätzliche Haltestellen und Express-Busse. Umstiegsanreize sollen auch durch autofreie Innenstadtzonen geschaffen werden. Der Radverkehr soll weiter gefördert, die E-Mobilität ausgebaut werden.

Die CDU nannte den Klimaplan eine "vorläufige Einigung" zwischen SPD und Grünen, die nur im Lichte der bevorstehenden Bürgerschaftswahl zustande gekommen sei. "Schlecht ist es um das politische Klima im rot-grünen Senat bestellt", sagte Fraktionschef André Trepoll. "Jetzt soll kurz vor der Wahl plötzlich alles ganz schnell gehen, ohne eine breite Diskussion in der Stadt." Die CDU hatte erst am Montag einen eigenen Klimaplan vorgelegt.

Der Umweltpolitische Sprecher der Linksfraktion, Stephan Jersch, kritisierte eine riesige "Lücke in Sachen soziale Gerechtigkeit", die nur als Fußnote auftauche. "Dafür schont der Senat die Industrie auf Kosten des Klimas – und auch den Haushalt: Lediglich 200 Millionen Euro pro Jahr will er im Kampf gegen den Klimawandel investieren."

FDP-Fraktionschefin Anna von Treuenfels-Frowein forderte "Investitionen in Innovation und Forschung statt weiterer Verbote". Die SPD lasse sich vom grünen Koalitionspartner "auf der Nase herumtanzen". Das werde das Wohnen in Hamburg teurer machen. "Bauherren werden gegängelt, indem ihnen Solardächer oder immer stärkere Dämmung vorgeschrieben werden."

Bezahlbares Wohnen und Klimaschutz dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden, sagte auch der Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen, Andreas Breitner. "Zusätzliche energetische Auflagen und umweltpolitische Sonderwünsche verteuern aber den Bau von Wohnraum."

Durch die Hamburger Maßnahmen könne der Klimawandel nicht aufgehalten werden, sagte AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann. "Klimahysterie wird jetzt in Hamburg zum Gesetz und soll in der Verfassung verankert werden." Globale Probleme sollten global gelöst werden, forderte er.

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