Klima - Berlin:Mega-Demo für mehr Klimaschutz in Berlin

Berlin (dpa/bb) - Menschen im Eisbär- oder Schneemannkostüm, auf schmelzendem Eis oder über der Autobahn schwebend: Mit zahlreichen Aktionen und einer mächtigen Demonstration in Sichtweite von Bundestag und Kanzleramt haben Zehn-, wenn nicht Hunderttausende in Berlin mehr Klimaschutz gefordert. Während die Bewegung Fridays for Future die Teilnehmerzahl am Freitagnachmittag auf 270 000 bezifferte, sprach die Polizei von knapp 100 000.

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Berlin (dpa/bb) - Menschen im Eisbär- oder Schneemannkostüm, auf schmelzendem Eis oder über der Autobahn schwebend: Mit zahlreichen Aktionen und einer mächtigen Demonstration in Sichtweite von Bundestag und Kanzleramt haben Zehn-, wenn nicht Hunderttausende in Berlin mehr Klimaschutz gefordert. Während die Bewegung Fridays for Future die Teilnehmerzahl am Freitagnachmittag auf 270 000 bezifferte, sprach die Polizei von knapp 100 000.

Die Großdemo führte nach einer Kundgebung über mehr als drei Stunden auf einer Route rund um das Brandenburger Tor. Etliche Straßen im Herzen Berlins waren voller Menschen, die S-Bahn hielt wegen des riesen Andrangs zeitweise nicht mehr an der Station Brandenburger Tor.

"Diese Gesellschaft ist beim Klimaschutz so viel weiter als ihre Regierung", twitterte die von Schülern und Studenten getragene Bewegung Fridays for Future als Mitveranstalter. "Wir sind keine "ungeduldigen jungen Menschen", wie Frau Merkel gerade sagt. Sondern eine Gesellschaft, die sich wie nie zuvor aufmacht und echte Klimapolitik einfordert", erklärte Luisa Neubauer, eines der bekanntesten deutschen Gesichter der Bewegung, ebenfalls bei Twitter.

Und diese "Gesellschaft" hatte sich zum weltweiten Klimastreik einiges einfallen lassen, um auf die Gefahren der Erderwärmung hinzuweisen. So standen etwa drei Menschen auf schmelzenden Eisklumpen unter einem Galgen - mit Schlinge um den Hals. Andere trugen einen abgestorbenen Baum durch die Stadt. Ein Demonstrant forderte im Eisbär-Look "Stop Climate Change".

"Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut", skandierte die Menge in Richtung der politisch Verantwortlichen. Auf Transparenten waren teils fantasievolle Slogans zu lesen: "Klimaschutz statt Kohleschmutz", "Dieser Planet wird heißer als mein Freund" oder "Grünkohl statt Braunkohle". Plötzlich hüpften die Massen auch und riefen: "Wer nicht hüpft, der ist für Kohle."

Auf der Kundgebung forderten diverse Redner die Politik auf, energischer gegen die Erderwärmung vorzugehen und das Klima zu retten. Eine davon: Carola Rackete, jene Kapitänin, die im Sommer mit einem Rettungsschiff voller Migranten unerlaubt in einen italienischen Hafen einfuhr und mit dieser humanitären Aktion weltweit Schlagzeilen machte.

Vehement forderte sie stärkere Proteste gegen die aktuelle Klimapolitik - obwohl die Groko nach einem Verhandlungsmarathon gerade ein neues Klimapaket schnürte. "Nicht zu handeln, hat dramatische Folgen", mahnte Rackete. "Und trotzdem müssen wir ehrlich sein: Wir können die globale Erwärmung nicht verhindern, dazu ist es nämlich durch die Jahrzehnte der Untätigkeit zu spät." Die Welt werde sich drastisch verändern. "Das Ziel ist nicht, eine perfekte Welt zu schützen, wie sie einmal war. Das Ziel ist, die Treibhausgase sofort zu reduzieren."

Für viele fängt Klimaschutz im Kleinen an: "Wir versuchen, alles in Maßen zu genießen", erklärte etwa Michael (42), der mit seinem zwölfjährigen Sohn Leo aus Berlin-Friedrichshain zu Demo kam. "Wir haben seit drei Jahren kein Auto mehr, waren mit dem Zug im Toskana-Urlaub."

Bereits am Vormittag gab es in Berlin einen Fahrradkorso und diverse andere Demonstrationen, zu denen unter anderem Ärzte und Unternehmer aufgerufen hatten. Die Folge: Autofahrer mussten sich immer wieder in Geduld üben. An der Kreuzung Holzmarkt-/Alexanderstraße nahe der Jannowitzbrücke in Mitte blockierten Aktivisten kurzzeitig die Straße mit Absperrband.

Auf einer Überführung über die Stadtautobahn 100 in Tempelhof seilte sich ein Aktivist der Umweltschutzorganisation Robin Wood ab und brachte dort Banner an: "Saubere Autos sind ein dreckige Lüge", stand darauf. Am Mittag um fünf vor 12.00 Uhr läuteten zudem viele Kirchenglocken in Berlin für das Klima. Vom Nachmittag bis zum späten Abend war noch ein Party-Protestzug Berliner Clubbetreiber vom Potsdamer Platz zum Alex im Gange.

Im Zuge dieser Demo sorgten Hunderte am Potsdamer Platz für Verkehrsbehinderungen. Auch an anderen Kreuzungen in der Stadt ließen sich immer wieder Gruppen kurzzeitig nieder, wie ein Polizeisprecher sagte. Die Aktionen blieben den Angaben zufolge aber friedlich.

Am Potsdamer Platz blockierten auch spät am Abend noch Demonstranten den Straßenverkehr. Die Polizei rief zunächst über Lautsprecher dazu auf, die Straße zu räumen. Man habe auch eine Ausweichfläche angeboten, sagte eine Polizeisprecherin. Als die Polizei erste Maßnahmen zur Räumung ergreifen wollte, schlossen sich plötzlich zahlreiche Protestierende auf Fahrrädern an und umstellten die Sitzblockade, wie eine dpa-Reporterin berichtete. Die Sprecherin erklärte am späten Abend, in der Folge werde nun abgewartet und zunächst nicht eingegriffen. Die Demonstranten seien friedlich.

Bundesweit gingen beim Klimastreik am Freitag nach Angaben der Bewegung Fridays for Future mehr als 1,4 Millionen Menschen in mehr als 500 Orten auf die Straße. Auch in vielen anderen Staaten gab es Streik- und Protestaufrufe: Für die internationale Streikwoche, die am Freitag beginnt, hatten Aktivisten Proteste in mehr als 2600 Städten in fast 160 Staaten angekündigt.

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