Intensivmedizin:Jede zweite Kinderklinik muss Patienten wegschicken, weil sie kein freies Bett mehr hat

Pro Kinder-Intensivstation gibt es durchschnittlich weniger als ein freies Bett, so das Ergebnis einer aktuellen Umfrage. Die akute RSV-Welle baue sich immer weiter auf.

In deutschen Kinderkliniken gibt es aktuell kaum noch freie Betten. Das zeigt eine Umfrage des Verbands Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI). "Von 110 Kinderkliniken hatten zuletzt 43 Einrichtungen kein einziges Bett mehr auf der Normalstation frei. Lediglich 83 freie Betten gibt es generell noch auf pädiatrischen Kinderintensivstationen in ganz Deutschland - das sind 0,75 freie Betten pro Klinik, also weniger als eines pro Standort", teilte die DIVI mit. Für die Umfrage habe der Verband 130 Kinderkliniken angeschrieben. 110 Häuser hätten ihre Daten vom Stichprobentag 24. November, also vor einer Woche, bereitgestellt.

Die Situation sei katastrophal, sagt Professor Florian Hoffman, Generalsekretär der DIVI. "Deshalb fordern wir die sofortige Optimierung von Arbeitsbedingungen in den Kinderkliniken, den Aufbau telemedizinischer Netzwerke zwischen den pädiatrischen Einrichtungen und den Aufbau von spezialisierten Kinderintensivtransport-Systemen. Wir müssen jetzt endlich handeln", wird der Kinder-Intensivmediziner aus München zitiert. Jede zweite Klinik berichtet davon, dass ihre Kinderintensivmediziner bereits Patienten wieder weg schicken mussten. "Diese Situation verschärft sich von Jahr zu Jahr und wird auf dem Rücken kritisch kranker Kinder ausgetragen", so Hoffmann.

Zusätzlich verschlimmert der Personalmangel die Situation in den Kinderkliniken erheblich: Zwar gäbe es theoretisch über 600 Betten in den 110 Kliniken, die sich an der Umfrage beteiligt haben. Es können aber nur rund 370 belegt werden, weil zu wenig Personal zur Verfügung steht.

RSV-Welle früher und heftiger als in den Vorjahren

Grund für die momentan hohe Auslastung ist die aktuelle RSV-Welle. Das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) führt zu schweren Atemwegsinfektionen, besonders bei Null- bis Vierjährigen. Zwar müssen die meisten Kinder nicht stationär aufgenommen werden. Trotzdem bleiben viele, die auf eine Behandlung mit Atemunterstützung angewiesen seien, sagt Professor Sebastian Brenner, Kinderintensivmediziner der Uniklinik Dresden. "Wir können Stand heute davon ausgehen, dass es zu dieser Behandlung nicht genügend Kinder-Intensivbetten gibt."

Das Virus befällt zunächst die oberen Atemwege, wo es zu einem trockenen Reiz führen kann. Gerade bei Kleinkindern greift der Erreger dann häufig auf die unteren Atemwege über, wo das Virus die Bronchiolen, die kleinsten Lungenbläschen, befällt. Die folgende Entzündung kann sehr schmerzhaft sein und mit durch Sauerstoff angereicherte Luft etwas gelindert werden. In diesem und im letzten Jahr begannen die gehäuften Infektionen deutlich früher als sonst. Viele Kleinkinder würden die Krankheit nach den Pandemie-Schutzmaßnahmen nun laut Experten zum ersten Mal durchmachen. Deshalb erkranken deutlich mehr Kinder schwer und müssen im Krankenhaus behandelt werden.

Bei der Umfrage wurden laut DIVI alle Kinderkliniken angeschrieben, die am bundesweiten "Kleeblattkonzept" zur Patientenverlegung teilnehmen. Dabei arbeiten jeweils bestimmte Bundesländerkombinationen zusammen und teilen sich Neupatienten untereinander auf.

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