Blitzschnell richtet der Spieler die Waffe auf den Gegner, drückt ab - und beobachtet zufrieden und erleichtert, wie sein Gegenüber blutend zusammenbricht.
Der Mann mit der Klavierseite ist wieder da.
(Foto: Eidos)Wer dabei zusieht, fragt sich, was in einem Menschen vorgehen muss, der sich freiwillig solchen Handlungen und Bildern ausliefert - den Handlungen und Bildern sogenannter Killerspiele.
Tatsächlich fehlt diese Frage in der Diskussion, die nach Emsdetten neu entbrannt ist: Warum spielen Millionen Menschen - junge und auch alte - weltweit überhaupt diese Spiele?
Wenn Politiker von Killerspielen reden, dann sind wohl vor allem Ego-Shooter gemeint. Also 3D-Spiele, bei denen man sich quasi in der ersten Person durch virtuelle Welten bewegt und seine Gegner tötet.
Vermutlich dürften auch Third-Person-Shooter wie Lara Croft betroffen sein, bei denen man eine Spielfigur durch die Räume steuert, die ebenfalls Feinde ausschalten muss. (Ganz sicher darf man sich hier allerdings nicht sein. Die wenigsten Politiker kennen vermutlich den Unterschied zwischen World of Warcraft und Doom 3.)
Es geht um Adrenalin
Wer wirklich an einer Antwort auf diese Frage interessiert ist, der sollte sich an seine Gefühle im Kino erinnern. An Sigorney Weaver im Film Alien als Astronautin Ripley, die durch die engen Gänge der Nostromo hetzt, auf der Flucht vor dem außerirdischen Monster. An das Ziehen im Bauch, als Harrison Ford sich als Blade Runner Rick Deckert hoch über den Straßen von L.A. an die Strebe eines Hochhauses klammert. Oder - für die ältere Generation - an John Wayne als Davy Crockett in Alamo.
Es geht um Adrenalin, um Spannung, um Thrill. Es geht um Todesgefahr und ums Überleben.
Und anders als im Film, wo man sich nur mit den Figuren identifiziert und mitfiebert, wird man im Spiel die Figur. Man selbst handelt, reagiert, siegt oder versagt und muss dann von vorn beginnen.
Alle damit verbundenen Gefühle sind dem objektiven Zuschauer nahezu komplett verwehrt. Er spürt den Erfolg nicht, der damit verbunden ist, selbst einen Bunker erobert zu haben.
Er sieht lediglich, wie Gegner niedergemäht werden - und hat den Eindruck, als bestünde der ganze Spiel-Spaß nur darin, die brutale Handlung möglichst häufig zu wiederholen.
Dem ist nicht so. Es mag Spieler geben, die Freude dabei empfinden, virtuell zu morden. Spieler, denen es bei den Killerspielen tatsächlich um das Killen geht. Aber die sind gestört - und sie waren es bereits, bevor sie begonnen haben, Maus und Joystick als Waffe einzusetzen.
Doch sind die Spiele, die heute auf dem Markt sind, und die häufig bereits ab 16 Jahre freigegeben werden, deshalb harmlos? Ist das alles nur ein großer Spaß, den Politiker, Pädagogen, Psychologen und Eltern den Jugendlichen zu unrecht verbieten wollen?
Wo doch die Spielwarenabteilungen sonst auch voll sind mit martialischen Kampfrobotern aus Legosteinen, bis an die Zähne bewaffneten Playmobil-Piraten und Airfix-Modellen und -Soldaten - dem modernen Äquivalent des Zinnsoldaten? (Über die man übrigens durchaus auch einmal nachdenken sollte.)
Bei allem Verständnis für die eigentliche Motivation der Spieler: Zu behaupten, die Spiele seien harmlos und ein Verbot überflüssig, ist genauso kurzsichtig und ignorant wie die Behauptung der Politiker, gewalthaltige Videospiele trügen einen großen - wenn nicht den größten - Teil der Verantwortung für Amokläufe wie die von Emsdetten, Erfurt und anderswo.
Blicken wir zurück: Der erste Ego-Shooter kam 1992 auf den Markt. In Wolfenstein 3D spielte man einen GI, der sich durch die Reihen böser deutscher Soldaten kämpfte, um schließlich den Finalen Gegner, Adolf Hitler selbst, zu besiegen. Das Spiel und sein Nachfolger Doom ein Jahr später waren für die Spielergemeinde ein Quantensprung hinein in eine virtuelle Welt mit der völlig neuartigen Erfahrung, wirklich selbst der Held zu sein.
Fataler Prozess der Vermenschlichung
Seitdem ist viel passiert. Die Spiele, die Anfang und Mitte der 90er auf den Markt kamen, wirkten wie grotesk überzogene Comics. Inzwischen ist die Grafik soweit entwickelt, dass die Ballerspiele fast fotorealistische Qualität haben. Die Gegner, Monster und Soldaten feindlicher Armeen, besitzen inzwischen eine hohe künstliche Intelligenz, was den Realismus der Spiele weiter erheblich fördert. Und: In den meisten Ego-Shootern wird konsequent die Gnadenlosigkeit des Spielers gefordert.
Da robben zum Beispiel verletzte deutsche Landser in Call of Duty 2 vor Schmerz schreiend über den Boden. Doch sie hören nicht auf, zu feuern. Möchte der Spieler weiterkommen, muss er den Gegner umbringen. Es gibt keinen Weg vorbei am Töten. Ein anderes Spiel rühmt sich sogar eines Headshot Driven Gameplays, bei dem Spieler mit Zusatzpunkten belohnt werden, wenn sie ihre Gegner mit Kopfschüssen umbringen.
Und für den Klassiker Hitman, bei dem der Spieler die Rolle eines Auftragsmörders übernimmt, wirbt der Vertreiber mit dem Spruch "Der Mann mit der Klaviersaite ist wieder da."
Offenbar zeichnet sich in seinen Augen das Spiel gerade dadurch aus, dass man hier unter vielen anderen Mord-Varianten zu einer besonders blutigen greifen kann: dem Opfer mit einem dünnen Draht den Hals zu durchschneiden.