Killerspiel-Debatte:Gewaltspiele verstärken die Aggression

Noch immer streiten Forscher über die Frage: Machen Ego-Shooter und andere Gewaltspiele aggressiv oder neigen aggressive Jugendliche zu brutalen Spielen? Eine Langzeitstudie der Universität Potsdam an Schülern zeigt: Beides trifft zu.

Markus C. Schulte von Drach

Es gibt inzwischen massenhaft Studien zur Wirkung von Gewaltspielen auf die Aggressivität junger Spieler. Und etliche Forscher schließen aus ihren Untersuchungen, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Konsum dieser Spiele und einer erhöhten Gewaltbereitschaft gibt.

Medal of Honour

Ego-Shooter Medal of Honour. Freigegeben ab 18 Jahre. Gespielt wird es auch von Kindern.

(Foto: screenshot: EA)

Doch welchen? Machen die Spiele aggressiv, oder, wie viele Wissenschaftler vermuten, tendieren Kinder und Jugendliche mit stärkerer Neigung zur Aggression einfach eher dazu, gewalthaltige Spiele zu konsumieren?

Eine neue Studie der Universität Potsdam an Schülern zeigt: Beides trifft zu. Wie Ingrid Möller vom Institut für Psychologie jetzt berichtet, fühlen sich tatsächlich vor allem jene Kinder, die bereits als besonders aggressiv eingeschätzt werden, zu Gewaltspielen hingezogen.

Aber langfristig zeigen die Spiele auch einen Effekt auf die Schüler: Je mehr sie solche Spiele spielen, umso größer wird ihre Aggressionsbereitschaft.

Die Spiele, so räumt Möller ein, stellen zwar nur einen Faktor neben anderen dar. Auch sind die Effekte nicht besonders stark. Trotzdem lässt sich sagen, dass "die Höhe des regelmäßigen Konsums die spätere Aggressivität mitbestimmt".

Die Potsdamer Psychologen hatten Schülern der 7. und 8. Klasse im Jahre 2004 zum ersten Mal die Möglichkeit gegeben, in sehr differenzierter Form ihren Umgang mit Konflikten und ihre Aggressionsbereitschaft einzuordnen. Zusätzlich wurde ihr Spielverhalten festgestellt. Dabei kam zum einen heraus, dass die Jungen große Erfahrungen mit Gewaltspielen hatten.

Obwohl die Schüler im Schnitt 13 bis 14 Jahre alt waren, hatten etliche von ihnen bereits Ego-Shooter wie Counterstrike (ab 18) oder Medal of Honour (ab18) oder ähnlich brutale Spiele wie Grand Theft Auto (ab 16), Max Payne (ab 18) oder Mafia (ab16) gespielt.

Zum anderen "hat sich dabei bestätigt, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Konsum von Spielen mit Gewaltinhalten und einer Neigung zu aggressiven Strategien in Konfliktsituationen gibt", erklärt Möller. "Das sagt natürlich noch nichts darüber aus, ob die Spiele auch zu aggressivem Verhalten führen."

Nach sechs Monaten wurde die Untersuchung deshalb an den selben Schülern wiederholt.

Medienwirkung langfristig bestätigt

Zu diesem Zeitpunkt konnten die Forscher eine Wechselwirkung beobachten. "Spieler mit aggressiver Neigung spielten gern aggressive Spiele, und aggressive Spiele erhöhten die Aggressivität der Spieler", so Möller. Die Statistik deutete hier auf Zusammenhänge in beide Richtungen hin.

Eine eindeutige Aussage über die Wirkung der Gewaltmedien war deshalb noch immer nicht möglich. Doch als die Wissenschaftler die 200 Jugendlichen zweieinhalb Jahre nach der ersten Befragung erneut untersuchten, sah die Sache anders aus.

Diesmal zeigte die Analyse keine Wechselwirkung mehr: Die Neigung zur Aggression am Anfang der Studie sagte nichts mehr aus über die spätere Tendenz, aggressive Spiele zu spielen. Vielmehr bestätigten die Daten die Wirkung des Medieninhalts auf die Schüler.

Oder, deutlicher gesagt: Gewaltspiele wurden vor allem von Kindern und Jugendlichen gespielt, die bereits eine Neigung zur Aggression zeigten. Aber diese Neigung wurde längerfristig durch regelmäßigen Konsum der Spiele verstärkt.

"Damit haben wir einen ersten Anhaltspunkt, dass wirklich eine Wirkung vom Medium auf die Persönlichkeit ausgeht", sagt Möller, die vor allem aufgrund der relativ kleinen Zahl der Versuchspersonen vorsichtig bleibt.

Gewaltspiele verstärken die Aggression

Angesichts dieser Ergebnisse wächst auch die Bedeutung weiterer Versuche der Psychologen: So stellten Möller und ihre Kollegen im Labor fest, dass erwachsene Versuchspersonen gedankliche Assoziationen mit aggressiven Inhalten schneller herstellen, wenn sie Spiele mit Gewalt konsumiert haben.

Verglichen wurden die Reaktionen auf die Renn-Spiele "Need for Speed" und "Carmageddon". Ersteres ist eine reine Renn-Simulation, im zweiten Spiel jedoch geht es auch darum, die Autos des Gegners zu Schrott und Zombie-Fußgänger über den Haufen zu fahren.

"Wir können mit dieser Art von Methoden zeigen, dass aggressive Gedankeninhalte nach dem Spielen eher verfügbar sind", erklärt Möller. "Und es gibt psychologische Modelle, die sagen, wenn diese Gedankeninhalte verfügbar sind, dann reagieren die Betroffenen zum Beispiel schneller aggressiv auf eine Provokation oder Frustration."

Dazu kommt, dass die Potsdamer Forscher anhand einer Online-Studie zeigen konnten, dass Spieler, die viel Gewaltspiele konsumieren, weniger Mitleid mit Menschen in Notsituationen zeigen, als Spieler, die andere Genres bevorzugen.

Diese Daten lassen sich zwar auch so interpretieren, dass Spieler mit geringer Empathie-Fähigkeit zu brutalen Spielen neigen. Aber vor dem Hintergrund der Potsdamer Langzeitstudie gewinnt der Verdacht an Gewicht, das auch der umgekehrte Zusammenhang tatsächlich existiert.

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